Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr: Militärkapellen rüsten auf
Weil die Bundeswehr schrumpfte, strich sie Militärkapellen. Nun steckt sie wieder mehr Geld in die Musik. Das gefällt nicht allen.
Für Wilhelmshaven war die Veranstaltung in der Kaserne Ebkeriege ein Ereignis. Nach über fünf Jahren ohne eigenes Militärorchester hat die Nordseestadt seit dem 1. Oktober wieder ein Musikkorps. Und auch für die Bundeswehr war der Termin ein kleiner Wendepunkt: Zum ersten Mal seit Jahren hat sie ein neues Orchester gegründet.
Genau wie die ganze Bundeswehr waren zwischenzeitlich auch die Militärmusikeinheiten auf Schrumpfkurs. Dieser Trend ist spätestens mit der Neugründung an der Nordseeküste umgekehrt. Der Kurswechsel geht mit einer Kostensteigerung einher: Noch vor fünf Jahren gab die Bundeswehr abzüglich Personalkosten nur knapp 6,5 Millionen Euro im Jahr für ihre Orchester aus. Inzwischen liegen die jährlichen Kosten dagegen konstant über zehn Millionen Euro. Das geht aus Zahlen hervor, die der Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger (Linkspartei) beim Verteidigungsministerium abgefragt hat und die der taz vorliegen.
Mit dem Musikkorps in Wilhelmshaven unterhält die Bundeswehr mittlerweile 15 Orchester. Der Großteil sind typische Militär-Blaskapellen, daneben gibt es aber auch eine Bundeswehr-Bigband und ein eigenes Ausbildungsmusikkorps.
Die Orchester treten zum Beispiel auf, wenn Truppen in den Einsatz verabschiedet werden oder wenn der Bundespräsident einen Staatsgast empfängt. Für Benefizkonzerte können private VeranstalterInnen die Kapellen kostenlos buchen. Entsprechend gefragt sind die Bundeswehr-MusikerInnen: Den Angaben des Verteidigungsministeriums zufolge gab es seit dem Jahr 2014 über 2.000 öffentliche Auftritte.
PR fürs Militär
Die Konzerte erfüllen für die Bundeswehr einen wichtigen Zweck: PR fürs Militär. „Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich die Militärmusik in zahlreichen sozialen und karitativen Projekten. Sie fördert damit die Identifikation mit der Bundeswehr und ihre Verankerung in der Gesellschaft“, heißt es etwa in der Antwort des Verteidigungsministeriums an den Abgeordneten Pflüger.
Empfohlener externer Inhalt
Den Aufwand, den sie für diese Art der Werbung betreibt, hatte die Bundeswehr kurzzeitig deutlich zurückgefahren. Der Bundesrechnungshof hatte sie vor 15 Jahren dazu aufgefordert, weil nach dem Ende des Kalten Kriegs die Musikeinheiten nicht im gleichen Maße geschrumpft waren wie der Rest der Armee. Vier Musikkorps wurden daraufhin im Jahr 2014 geschlossen, darunter das damalige Marinemusikkorps Nordsee in Wilhelmshaven.
Schon seit 2017 geht es aber wieder in die andere Richtung. Damals stiegen die Jahreskosten auf über 11 Millionen Euro. Auf Nachfrage der taz begründet das Ministerium die höheren Kosten mit zwei Neuerungen. Einer Sprecherin zufolge wurde damals der Rahmenvertrag für die Konzerttechnik der Bundeswehr-Bigband „in seinem Umfang deutlich erweitert“, zum Beispiel in Bezug auf die Bühnentechnik.
Empfohlener externer Inhalt
Außerdem veranstalte das deutsche Militär seit 2017 jährlich das „Musikfest der Bundeswehr“ als „internationales Militärmusikfestival für die ganze Familie, was sich ebenfalls in den Gesamtkosten niederschlägt“. In diesem Jahr fand die Veranstaltung moderiert von Fernsehstar Johannes B. Kerner in Düsseldorf statt.
Umstrittenes Comeback
Mit der Indienststellung des Marinemusikkorps Wilhelmshaven kommen jetzt noch neue Kosten hinzu. 56 Dienstposten sind dort langfristig vorgesehen. In diesem Jahr hat das Korps knapp 47.000 Euro für Instrumente und Noten ausgegeben.
Auf die Neugründung hatten sich vor einem Jahr die Abgeordneten der Großen Koalition im Haushaltsausschuss geeinigt. Siemtje Möller, örtliche Bundestagsabgeordnete der SPD, freute sich damals über ein „wichtiges Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, die für unser Land im Einsatz sind“. Wenn Marineschiffe zum Einsatz ausfahren, werden sie traditionell mit Musik verabschiedet. Solange es in Wilhelmshaven keine Militärkapelle gab, kamen die Märsche vom Band. Das wird sich jetzt wieder ändern.
Von anderer Seite kommt dagegen Kritik am Comeback der Militärmusik. „Die Kosten für Militärmusik steigen beziehungsweise stiegen die letzten Jahre enorm an“, sagte der Linken-Abgeordnete Tobias Pflüger der taz. „Durch die Auftritte der Musikkorps soll die Bundeswehr in der Öffentlichkeit positiv präsentiert und Militärisches in der Gesellschaft normalisiert werden.“ Seine Partei lehne „Akzeptanzschaffung für die Bundeswehr durch Militärmusik“ ab.
Technische Mitarbeit: Alexander Kasper
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“