Öffentlich um Entschuldigung bitten: Sorry seems to be the hardest word
In den vergangenen Wochen wurde sich viel öffentlich entschuldigt. Aber war das wirklich aufrichtig? Und wieso fällt es schwer, Schuld einzugestehen?
V iel wurde in den letzten Wochen gesagt, gemeint, missverstanden, zurückgenommen und entschuldigt. Einige haben sich entschuldigt und andere wurden entschuldigt. Einige haben auch geschwiegen und das ist bekanntlich ja Gold oder feige – je nachdem wen man so fragt. Und bei manchen ist Schweigen vielleicht doch besser, nachdem was sie so in den letzten Wochen von sich gegeben haben. Aber eigentlich denke ich, ist doch jede Entschuldigung besser als gar keine.
Wobei: Wirklich jede? Und was macht eine perfekte Entschuldigung aus? Gibt es die perfekte Entschuldigung? Es gibt ja Menschen, die mit ihren Entschuldigungen geizen. Aber wenn sie sich dann mal entschuldigen, dann bedeutet das etwas.
Andere entschuldigen sich wiederum ständig, auch für Sachen, für die sie sich nicht entschuldigen müssen. „Sorry, vielleicht nerve ich dich damit, aber kannst du mir noch mal die Quartalszahlen schicken?“
Wie ein Versprechen
Als ich 1999 nach Deutschland zog, tat ich mich sehr schwer mit dem Wort Entschuldigung. Wie kann ein so wichtiges Wort so schwer sein, dachte ich immer. ENT-SCHULD-IGUNG. Es rollte mir sehr schwer von den Lippen. Wer hat sich das ausgedacht? Wie kann ein Wort so wenige Vokale haben? Meine Mutter und ich scherzten oft, dass das Wort so schwierig sei, weil die Deutschen sich nicht so gut entschuldigen können. Ganz genau weiß ich das natürlich nicht und vielleicht geht es auch nicht darum. An gute Entschuldigungen kann man sich jedenfalls erinnern. An schlechte Entschuldigungen wiederum auch, weil sie einen wütend machen. Manchmal fast so wütend wie das eigentliche Vergehen.
Manchmal bitte ich um Entschuldigung, meine es überhaupt nicht so und habe auch keine Lust zu verstehen, wieso ich jemanden verletzt habe. Ich entschuldige mich, damit die Sache schnell vom Tisch ist. Diese Art der Entschuldigung ist am wenigsten wert. Die Person wird vermutlich merken, dass ich es nicht ehrlich mit ihr meine, und bei mir hinterlässt meine Fake-Entschuldigung auch ein komisches Gefühl: Ich wurde zu dieser Entschuldigung genötigt. Eigentlich habe ich nichts falsch gemacht. Ich entschuldige mich nur, weil mein Gegenüber so dramatisch ist, und damit wir vorankommen.
Ich bitte manchmal um Entschuldigung, auch wenn ich noch nicht zu 100 Prozent verstanden habe, was ich genau falsch gemacht habe. Weil es mir leid tut, dass ich jemanden verletzt habe. Oft denke ich danach richtig lange über das, was ich gemacht habe, nach und lerne sehr viel. Natürlich wäre es besser, diesen ganzen Lernprozess vorher durchzumachen, um sich dann aufrichtig und überlegt zu entschuldigen. Aber für mich ist eine Entschuldigung vor allem ein Versprechen. Ich habe dich mit meinem Verhalten verletzt und dafür entschuldige ich mich. Es tut mir leid und ich werde es nicht noch mal tun. Ist das wirklich so schwer?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Berliner Kurator verurteilt
Er verbreitete Hass-Collagen nach dem 7. Oktober
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video