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Öffentlich-private PartnerschaftenSmarte Form der Privatisierung

ÖPP-Projekte sind teuer für den Staat. Auch bei der geplanten Infrastrukturgesellschaft Verkehr drohen enorme Verluste.

Wohin es geht, weiß niemand so genau. Klar ist aber: Für den Staats wird's teuer Foto: dpa

Berlin taz | Bund und Länder einigten sich am 14. Oktober darauf, eine „privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ einzusetzen, wie es im Beschluss heißt. Carl Waßmuth, Gründer von Gemeingut in BürgerInnenhand und einer der sachkundigsten Kritiker von ÖPP-Vorhaben, informierte daraufhin die Ministerpräsidenten in einem offenen Brief über die Folgen des Beschlusses.

Im Februar 2016 hatte er in einer Studie für Verdi und die Luxemburg-Stiftung (pdf) die Kosten der Autobahnprivatisierung bis 2045 – eine gängige Zeitspanne bei ÖPP – auf bis zu 300 Milliarden Euro taxiert. Demnach verursachen die Investitionen Kosten von 162 Milliarden, für die Substanzerhaltung müssen 114 Milliarden aufgebracht werden und der Nachholbedarf für die jahrelang unterbliebene Substanzerhaltungsinvestitionen verschlingt 23,4 Milliarden.

Der taz sagte Waßmuth: „Die neue Gesellschaft dient ausschließlich dazu, damit ÖPPs zu machen. ÖPP wurde ja dazu erfunden, um eine ‚smarte‘ Form von Privatisierung zu bekommen.“ Eine Privatisierung, der Politiker wie Gabriel einen anderen Namen geben können.

Bei ÖPP zahlen die SteuerzahlerInnen für Renditeerwartungen von Konzernen und für Gewinngarantien. PolitikerInnen schlagen Kapital daraus, weil sie Bauvorhaben realisieren können, ohne die Restriktionen des Haushaltes wie die Schuldenbremse zu berücksichtigen. Risiken für scheiternde Projekte trägt zumeist der Staat. Das macht ÖPP viel teurer als konventionelle Bewirtschaftung.

2014 kritisierte der Bundesrechnungshof, die von ihm untersuchten Autobahnprojekte hätten bei einem Gesamtvolumen von 5,1 Milliarden Euro Mehrkosten von 1,9 Milliarden Euro verursacht – ein Kostennachteil von 38 Prozent. „Die höheren Kosten müssten entweder durch Einsparungen bei Personal und Material kompensiert oder durch Steuern und/oder (Maut-)Gebühren ausgeglichen werden“, kritisiert Waßmuth.

Selbst eine zu 100 Prozent staatliche Infrastrukturgesellschaft könnte zudem Töchter ausgründen, die teilweise oder vollprivatisiert werden. Und „ist die Infrastrukturgesellschaft Verkehr erst einmal im Privatrecht gegründet, kann das Management selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang es ÖPP einsetzt.“

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6 Kommentare

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  • "Und unser Gabriel spielt auch noch den Steigbügelhalter", beklagen Sie zu Recht.

     

    Steigbügelhalter ist noch sehr wohlwollend ausgedrückt für die Energie, mit der ein SPD-Wirtschaftsminister den offenbar darbenden Versicherungskonzernen ministerielle Hilfestellung für deren Ausplünderung staatlicher Kassen und gemeinschaftlichen Eigentums betrieben hat.

     

    Die schon seit langem gehgten Pläne der Versicherer hat Gabriel begeistert aufgenommen und durch juristischen Konstruktionen wasserdicht gemacht. Nun kann sich dieser Sozialdemokrat vor die (seltsamerweise kaum interessierte) Presse stellen und behaupten, die Autobahnen würden nicht privatisiert.

     

    Nachdem seine riskante Taktierereien in Sachen Bundespräsident für ihn so glorreich verlaufen sind, ist die Druchsetzung des Autobahndeals für so einen schon fast eine Klippschulaufgabe, zumal er sich von "guten Mächten" wunderbar begleitet weiß : Lobbyistenscharen der Konzerne mit ständigem Zugang zur Macht in Finanz-, Verkehrs- und Wirtschaftsministeriem werden zusammen mit gewogenen Parlamentariern in den Ausschüssen und mit den (warum wohl?) im Tiefschlaf ruhenden Leitmedien dafür sorgen, dass die Betreibergesellschaft privatrechtlich (so wie die DB AG) tätig sein wird.

     

    Keinem gewählten Politiker sind dann die hochbezahlten Manager, Berater und Finanzdienstleister Rechenschaft schuldig für all die Milliarden, die sie legal aus der Staatskasse für sich abgezweigen dürfen.

     

    Wo ist in dieser Debatte eigentlich der sonst so lautstarke ADAC (Sitz München), der angeblich die Interessen seiner Millionen Mitglieder vertritt, aber jetzt nichts dabei findet, dass Autofahrern nicht nur private Maut-Abzockereien an den Autobahnen drohen, sondern dass die tägliche Piste der Menschen über Nacht von der Gabriel/Schäuble/Dobrindt-Connection aus Bundesbesitz ins Eigentum von undurchsichtigen und geldgierigen Gesellschaften als profitable Geldquelle übergeht.

     

    Und das alles wegen dieser imaginären neoliberalen Null !

  • Der Staat schenkt Autobahnen her :

    Das Kapital bedankt sich sehr !

  • Die Politik (und nicht nur die) ist den parasitären Finanzlobbyisten völlig auf den Leim gegangen. Die Privatisierung der staatlichen Altersvorsorge (privare = berauben) scheitert nun an der schnöden Niedrigzins-Realität (https://zinsfehler.com/2013/08/21/zinsmythen/). Das wussten unsere Finanzparasiten aber schon spätestens seit 2004: https://www.allianz.com/de/economic_research/publikationen/spezialthemen_fmo/news8.html/.

     

    Nach dem Raub der Altersvorsorge nun also der Autobahnraub, damit das gescheiterte Geschäftsmodell der privaten Altersvorsorge über eine Grundgesetzänderung ad Infinitum prolongiert werden kann. Und unser Gabriel spielt auch noch den Steigbügelhalter. Wer hat uns verraten… http://norberthaering.de/de/27-german/news/712-spiegel-vs-sueddeutsche#weiterlesen.

     

    Kein Wunder, dass sich der Trumpismus zu einem globalen Phänomen entwickelt: https://www.youtube.com/watch?v=Kd2d4_LcEig&t=2856s

     

    LG Michael Stöcker

  • Danke. Bleiben Sie bitte dran.

    Die Folgen dieser abenteuerlichen Wechselbalgkonstrukte - sind in ihren

    Gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen bisher auch nicht ansatzweiese erfaßbar - noch gar umschrieben.

     

    Neben Verwerfungen im finanziell-wortschaftlichen Gefüge unseres Gemeinwesens - stehen tiefgreifende

    Demokratiedefizite in den Planungsvorgängen - begleitet von einer Reduzierung der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten zu befürchten.

    Ein vorrangig Kapitalakkumulativ orientiertes System - wie ganz offensichtlich zugunsten frei floatenden Kapital anvisiert -

    wird notwendig - Gemeinwohlfeindlich - d.h. gegen die Interessen der Bürger gerichtet sein!

    kurz - eine Abwägung widerstreitender

    Interessen wird tendeziell nicht stattfinden - die Beachtung von Umweltstandards - den Kapitalverwerungsinteressen untergeordnet werden.

    Eine Unterbindung derartiger Vereinseitigungen wird kaum möglich -

    Ein wirksamer gerichtlicher Schutz - gar institutionale Bürgerbeteiligungen -

    Gegen Null reduziert werden!

  • Das Schlimme an dieser Praxis ist das alle Parteien und Politiker wissen, wie schlecht das Ganze für den Staat bisher schon läuft, aber Alle immer noch so weiter machen wollen wie bisher. Kann das vielleicht daran liegen, dass unsere Politiker sich schon jetzt Posten für die Zukunft sichern wollen´, Schroeder hat es ja vorgemacht!

    Aber das Übelste ist, derjenige der hauptsächlich wieder zur Kasse gebeten wird, ist auf die Nutzung der AB`s angewiesen, denn von der Wirtschaft wird Ungebundenheit zum Arbeitsort verlangt. Wirtschaftsunternehmen werden bei der Bezahlung zur Nutzung der Fahrbahnen mit Ausnahmepositionen von den Zahlungen befreit.

     

    Das die Politiker nicht begreifen, dass dies genau die Aktionen sind, weshalb so viele Menschen keine Lust mehr auf die Arroganz und Unverschämtheiten der Regierenden oder auch der Oppositionsparteien haben.

    Einerseits wird sich gewundert warum die Menschen kein Vertrauen mehr haben, anderseits wird deren Vertrauen Missbraucht!!!

  • Auch wenn Merkel ein angenehmes Auftreten hat und gute Werte predigt. Ihre Politik ist doch sehr davon geprägt, den mächtigen Interessen nachzugeben. Daher wird hier ebenso wie bei TTIP und CETA die Industrie bedient, die den Bundeshaushalt nach Belieben ausplündern kann.