Öffentlich-Rechtliche und der Rechtsruck: „Wie ein Reh im Scheinwerferlicht“
Die Rundfunkkommission der Länder tagt. Dort wird über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags diskutiert – und über die AfD.
Die Formulierung „unter Beschuss“ finde sie ein „bisschen martialisch“, sagte Jana Schiedek, in Hamburg Staatsrätin für Kultur und Medien, am Mittwoch bei der Abschlussdiskussion einer medienpolitischen Tagung von Verdi. „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter Beschuss: Gemeinsam und offensiv verteidigen!“ hatten sich die Gewerkschafter als Titel für ihre Veranstaltung ausgedacht.
Dass der keineswegs „martialisch“ war, zeigte sich tags darauf, als der sachsen-anhaltische Regierungssprecher Matthias Schuppe (CDU) mit einer missfälligen Äußerung über das Musikprogramm des ZDF dazu beitrug, dass der Sender die Aufzeichnung einer Show mit der Band Feine Sahne Fischfilet im Bauhaus Dessau absagen musste.
Der Vorfall in Dessau bestätigt eher eine Äußerung der ZDF-Verwaltungsrätin Barbara Thomaß, die bei der Verdi-Tagung in Hamburg zu den Redner*innen gehörte. „Wenn wir jetzt fragen, wie wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk offensiv verteidigen können, fragen wir ganz schön spät danach. Ich hoffe, nicht zu spät.“
Die medienpolitische Veranstaltung der Gewerkschaft war bestens platziert, denn vom kommenden Mittwoch bis Freitag findet in Hamburg die Ministerpräsidentenkonferenz statt, wo auch Medienpolitik auf der Tagesordnung steht. Außerdem tagt parallel die Rundfunkkommission der Länder.
Zaghafte Politiker
Thomaß, Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum, kritisierte in Hamburg, dass viele Politiker derzeit durch „Zaghaftigkeit“ auffielen. Sie bezog sich dabei unter anderem auf die Argumentation ostdeutscher Politiker, dass ab Herbst 2019 in den dortigen Landtagen nach den Wahlen Abstimmungen für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zu gewinnen wären, weil dann ja möglicherweise die AfD stärker wäre als bisher. „Ich möchte die in die Pflicht nehmen, die jetzt die Mehrheiten in den Landtagen haben“, sagt Thomaß. Sie befürchte, dass die AfD „nur vorgeschoben wird“.
Barbara Thomaß
Thomas Kralinski und Dirk Schrödter, Medienstaatssekretäre in Brandenburg und Schleswig-Holstein, wird man Zaghaftigkeit nicht vorwerfen können. Sie haben in der aktuellen Ausgabe der Zeit schon einmal für die Zustimmung für das sogenannte Indexmodell geworben, über das die Politiker bei den Sitzungen in Hamburg debattieren werden. Dieses sieht vor, dass die Höhe des Rundfunkbeitrags „jährlich automatisch um die Inflationsrate des vergangenen Jahres ausgeglichen“ wird. Dass Landtage über die Erhöhung des Beitrags abstimmen, wäre dann nicht mehr erforderlich.
Das Verfahren würde „im Sinne der Staatsfreiheit des Rundfunks entpolitisiert“, schreiben Kralinski/Schrödter. Nicht zuletzt wäre es vorbei mit den ständigen Pseudodebatten darüber, wie die Öffentlichkeit reagierte, wenn der Beitrag irgendwann erhöht werden würde. Stiege infolge des Indexmodells der Beitrag automatisch, würden zwar Springer und FAZ ein paar verbale Kurzstreckenraketen abfeuern, aber vielleicht wäre danach Ruhe im Karton.
Fehlender Mut
Zu den von den Redner*innen in Hamburg kritisierten Gruppen gehörten auch die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender. Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, vermisst bei ihnen den „Mut, das System offensiv zu verteidigen“. Statt dessen guckten sie „wie ein Reh im Scheinwerferlicht auf die AfD“.
Dass etwa bei den Intendanten der ARD angesichts der derzeitigen Beschusssituation die Kampfeslust ausbricht, ist aber wenig wahrscheinlich. Im Frühjahr 2017 diskutierten sie darüber, als solidarische Geste für den damals inhaftierten Deniz Yücel am Internationalen Tag der Pressefreiheit im Fernsehen einen entsprechenden offenen Brief zu präsentieren. Nicht einmal diese selbstverständliche Aktion bekamen sie hin.
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