Obdachlosigkeit in Berlin: Nicht nur im Winter ein Problem

Hitze und Wasserknappheit machen obdachlosen Menschen im Sommer besonders zu schaffen. Für die zweite Zählung Obdachloser werden Helfer gesucht.

Scheinbar obdachloser Mensch liegt auf einer Bank im Schatten eines Baumes.

Auch im Sommer kein gemütlicher Platz zum Übernachten Foto: dpa

BERLIN taz | Wer denkt, Obdachlosigkeit sei allein ein Problem im Winter, irrt. „Obdachlosigkeit ist genauso ein großes Problem im Sommer wie im Winter“, sagt Svenja Ketelsen, Leiterin der „Frostschutzengel 2.0“ und Teil der Koordinierung der Berliner Kältehilfe. „Es leben im Sommer genauso viele Menschen auf der Straße. Jedoch sind sie weniger sichtbar, weil generell viel los ist.“

Anstatt der Gefahr durch Kälte seien von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen in der warmen Jahreszeit Hitze und Wasserknappheit ausgesetzt. Dazu bestünden wetterunabhängige Probleme wie Armut, Not, Gewalt sowie schlechter medizinischer Versorgung fort.

Und bisweilen ist die Situation im der warmen Jahreszeit für Obdachlose sogar verschärft: „Es gibt im Sommer weniger Schlafplatzangebote, weniger Menschen engagieren sich ehrenamtlich und auch gespendet wird weniger“, berichtet Ketelsen.

Gemeinsam mit Stella Kunkat vom Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V. Berlin (VskA) und Susanne Gerull, Professorin an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, schildert sie am Freitag bei einem Pressegespräch die Lage von Obdachlosen in Berlin. Anlass ist die „Zeit der Solidarität“, eine Veranstaltungsreihe, die seit Mitte Mai und noch bis Mitte Juni das Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Berlin sichtbarer machen soll. Teil davon sind die vom 20. bis 27. Mai stattfindenen Feste der Nachbarn, zu denen in unterschiedlichen Berliner Nachbarschaften Hilfsorganisationen für wohnungslose Menschen mit Nachbarschaftsinitiativen zusammenarbeiten.

In ihrer Einschätzung, wie ernst das Problem der Wohnungslosigkeit ist, beruft sich Ketelsen „auf Erfahrungen und die Gespräche mit Betroffenen in ihrer täglichen Arbeit“. Eine valide Zahlenbasis, um Bedarfe der Menschen genau abzufragen und daran angelehnt passende Hilfsangebote zu entwickeln, gebe es bisher jedoch nicht. Das soll sich nun ändern: Am 22. Juni steht die zweite, große Berliner Obdachlosenzählung an. Die erste fand im Februar 2020 statt: Überraschend wenige wurden gezählt und zum Teil befragt – insgesamt 1.976 Menschen. Davon waren 14 Prozent Frauen und mehr als 60 Prozent nicht-deutsche EU-Bürger*innen.

Viele weitere Hel­fe­r*in­nen gebraucht

Für die diesjährige Erhebung haben sich bereits 755 Ehrenamtliche Hel­fe­r*in­nen registriert. Weit mehr, insgesamt 2.600, werden jedoch gebraucht, damit die Zählung stattfinden kann. Stella Kunkat, die als Projektreferentin für die diesjährige Zählung mitverantwortlich ist, ruft zur Teilnahme auf: „Wenn wir als Zivilgesellschaft Verbesserungen für unsere obdachlosen Nach­ba­r*in­nen wollen, können wir uns an der Zählung beteiligen und so helfen, die Datenbasis für bessere politische Entscheidungen zu schaffen.“

Neben einer bloßen Zählung wohnungsloser Menschen werden werden über einen 14-sprachigen und mit Piktogrammen bebilderten Fragebogen auch demografische Daten erhoben, darunter Alter, Gender, Nationaliät, Begleitpersonen oder -tiere sowie Dauer der Wohnungslosigkeit. Kunkat glaubt, dass „gute Daten die Grundlage für gute Wohnungslosenpolitik sind“.

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