Obdachlose in Hamburg: Krätze im Winternotprogramm
Ein Ehrenamtlicher aus dem Hamburger Gesundheitsmobil beklagt einen Krätzeausbruch in einer Notunterkunft. Die zuständige Sozialbehörde dementiert.
Ronald Kelm engagiert sich beim Gesundheitsmobil, mit dem etwa Ärzt*innen oder Pfleger*innen kostenlose und anonyme medizinische Behandlung für Menschen ohne Krankenversicherung anbieten. Schon seit Wochen, so Kelm, hätten sie vermehrt Patient*innen mit Krätze behandelt. Viele dieser Menschen hätten in der Unterkunft in der Friesenstraße übernachtet.
Die Patient*innen beschwerten sich darüber, morgens nicht duschen zu können. Ungeduscht würden sie wiederum keine saubere Kleidung in der Unterkunft erhalten, sodass die Milben in der Kleidung blieben. Das wiederum führe dazu, dass sich die Situation mit der Krätze, trotz Medikamenten, nicht bessere.
Krätze, die medizinisch auch Skabies genannt wird, ist eine Hautkrankheit, die durch Parasitenbefall ausgelöst wird. Die weiblichen Krätzmilben dringen in die oberste Hautschicht ein, wo sie sich eine Art Tunnelsystem bauen, um dort ihre Eier abzulegen. Die Folge sind starker Juckreiz und Hautausschläge.
Ein Obdachloser befinde sich in Isolation
Mangelnde Körperhygiene ist nicht der Auslöser für Krätze. Die Krankheit kann also alle treffen. Die Ansteckung mit Krätze erfolgt durch engen Hautkontakt. Bei Menschen, die in schlechten hygienischen Verhältnissen leben, befinden sich aber oft mehr Milben auf der Haut, was eine Ansteckung begünstigt. Einmal angesteckt können Patient*innen mit einer Creme oder mit Tabletten behandelt werden. Damit diese Behandlung wirkt, ist es aber wichtig, dass alle Textilien, mit denen der Mensch in Berührung gekommen ist, bei 60 Grad gewaschen werden.
Die Unterkunft in der Friesenstraße, in der es den Ausbruch gegeben haben soll, liegt im Hamburger Stadtteil Hammerbrook und gehört zum Winternotprogramm, das vom landeseigenen Unternehmen „Fördern & Wohnen“ betrieben wird. Hier können bis zu 400 Obdachlose täglich übernachten. Tagsüber müssen sich die Obdachlosen an anderen Orten aufhalten.
Die Sozialbehörde weist die Vorwürfe des Ehrenamtlichen zurück. Lediglich eine Person sei gegenwärtig von Skabies befallen. Diese werde „entsprechend medizinisch behandelt“ und befinde sich in Isolation. Seit Beginn des Winternotprogramms Anfang November habe es nur fünf weitere Fälle gegeben. Das teilte Behördensprecherin Stefanie Lambernd auf Anfrage mit.
Dass es nur sechs Fälle gegeben haben soll, bezweifelt Kelm. „Das sind ja Mondzahlen“, sagt er. Im Gesundheitsmobil hätten sie schon viel mehr Fälle gesehen und die Patient*innen würden sich ja nicht nur dort melden.
Fehlen Duschen oder nicht?
Auch die angeblich fehlenden Duschen dementiert die Behörde. In der Unterkunft gebe es 42 Duschen, die von der Kapazität her ausreichten, damit alle 400 Übernachtenden täglich duschen könnten. „Die haben vielleicht 42 Duschen im Haus“, sagt Kelm. Dass diese alle betriebsfähig sind, bezweifelt er aber. Er vermutet vielmehr, dass nicht genug Personal und Ehrenamtliche vorhanden seien, um die Duschenden zu betreuen. Gerade gesundheitlich beeinträchtigte Menschen, die auf der Straße leben, müssten beim Duschen überwacht werden, da sie oft Kreislaufprobleme bekommen, sagt Kelm.
Dem Vorwurf des Obdachlosenhelfers, dass Menschen, die nicht geduscht haben, keine frische Kleidung erhalten, widerspricht Lambernd ebenfalls. Auch die Sprecherin von Fördern & Wohnen betont, dass alle Maßnahmen, die die Gesundheitsämter für die Unterkünfte vorschreiben, getroffen worden seien.
Darunter falle auch die räumliche Separation der Erkrankten und „medizinische Behandlung durch das Pflegepersonal vor Ort sowie Austausch beziehungsweise Entsorgung von Kleidung und Bettzeug“. Die Duschen seien im November „kurz defekt“ gewesen, aber repariert worden. Die Kleiderkammer sei gefüllt.
Mitarbeit: Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren