OB-Wahl in Hannover: Rathaus wird grün und migrantisch
Eine kleine Sensation: Belit Onay ist der erste grüne Rathauschef in der niedersächsischen Hauptstadt – und OB mit Migrationshintergrund.
B elit Onay hat für eine Sensation gesorgt: Der 38-Jährige ist der neue Oberbürgermeister von Hannover, und der erste grüne in der niedersächsischen Hauptstadt dazu. Damit erhöht er die Zahl grüner Bürgermeister*innen und Oberbürgermeister*innen in Deutschlands Kommunen auf 38. Zudem ist Onay, Sohn türkischer Einwanderer, einer der wenigen Oberbürgermeister in Deutschland mit Migrationshintergrund. Seit 2015 ist der Ashok Sridharan Oberbürgermeister von Bonn, zuletzt wurde Octavian Ursu Oberbürgermeister von Görlitz.
Die Wahl des migrantischen Grünen ist ein klares Bekenntnis einer breiten Mehrheit der Hannoveraner*innen: Wir wollen eine andere Politik als jene, die die Stadt bislang erlebte. Wir wollen weniger Verkehr in der Innenstadt, bessere Luft, mehr Kitaplätze und mehr bezahlbare Wohnungen, eine humane Migrations- und Flüchtlingspolitik. Für all das stehen Onay und seine Partei.
Oder anders formuliert: Hannover war reif für einen Wechsel nach über 70 Jahren SPD an der Rathausspitze, die Bräsigkeit und Selbstgefälligkeit der SPD hatte am Ende auch in Hannover ermüdet. Onays Sieg dürfte die Schmerzen der Partei, die sowohl in den Kommunen als auch in den Ländern und im Bund schwer angeschlagen ist, verstärken. Nicht einmal mehr in ihren früheren Hochburgen – in Hannover war die Sozialdemokratie nach Ende des Zweiten Weltkriegs de facto wiederbelebt worden – kann sie sich des Zuspruchs sicher sein, sozialdemokratische Gewissheiten lösen sich auf.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die sogenannte Rathaus-Affäre Onays Sieg beschleunigt haben dürfte. Der vorerst letzte SPD-OB Stefan Schostok war im Frühsommer wegen illegaler Gehaltszahlungen im Rathaus zurückgetreten. Die Sehnsucht der Hannoveraner*innen nach Transparenz und Wahrhaftigkeit muss jetzt Onay erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm das gelingt, ist groß, die Sympathien jedenfalls hatte er von Beginn seiner Kandidatur an auf seiner Seite.
Und noch etwas dürfte Onays Durchmarsch auf lokaler Ebene verdeutlichen:den Aufstieg der Grünen zur bundesweiten Volkspartei. Die SPD jedenfalls hat die Ökopartei schon abgelöst.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz