Nutzerdaten wurden verkauft: Facebook bekommt Lecks nicht dicht
Das Online-Netzwerk hat eingeräumt, dass Anwendungsentwickler Nutzerdaten an Infosammler veräußert haben. Externe Anwendungen werden schlecht kontrolliert.
Wer interessiert sich für das Nutzerverhalten auf Facebook? Neben dem Netzwerk selbst, das sein Geld mittels zielgerichteter Werbung verdient, augenscheinlich auch jede Menge Marketingunternehmen. Am Wochenende musste Facebook nun einräumen, dass man "mehrere Fälle" entdeckt habe, bei denen ein sogenannter Data Broker Anwendungsentwickler für Nutzerdaten bezahlt habe.
Data Broker sind Infosammler, die möglichst genaue Kundenprofile erstellen, um sie zu Marketing- oder Auskunfteizwecken an Dritte zu verkaufen. Im September hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass über Facebook-Anwendungen, auch Apps genannt, Nutzerdaten an mindestens 25 Werbe- und Infosammelfirmen weitergegeben wurden. Der Blogeintrag macht nun klar, dass dies nicht nur wegen Programmierfehlern oder technischen Zufall geschah, wie es anfangs hieß.
Auf Facebook ist es möglich, jede Menge Apps zu installieren - vom Spiel über Psychotests bis zur fertigen Textverarbeitung. Diese Programme werden von Drittentwicklern im Netzwerk angeboten, um es attraktiver zu machen. Dabei bekommen die App-Entwickler jene Grunddaten durchgereicht, die Facebook über jedes Mitglied speichert - beispielsweise den Namen. Im Zweifelsfall fordern Apps aber auch Zugriff auf die Freunde eines Mitglieds und können auf seine Fotos oder Videos zugreifen.
Beim vom "Wall Street Journal" aufgedeckten Vorfall hatten Apps die sogenannte UID ("User Identification") weitergereicht. Das ist die eindeutige Nummer, die jedes Facebook-Mitglied identifiziert. Tauchte dann beispielsweise Werbung in einer App auf, kannte der Werbetreibende plötzlich die UID, aus der wiederum auf die Person geschlossen werden konnte. Ursprünglich hieß es, das sei ein technisches Problem mit sogenannten Referrern, bei denen Nutzerinformationen in Internetadressen kodiert werden; nun zeigt sich, dass das nicht in jedem Fall stimmte. Zwar reichten viele App-Entwickler die UID nur unbewusst weiter, doch es gab eben auch Ankaufversuche.
Zu den Infosammlern, die vermutlich Daten von Anwendlungsentwicklern erworben haben, soll US-Medien zufolge die kalifornische Firma Rapleaf gehören. Sie sammelt aus zahllosen Quellen im Netz Daten über einzelne Nutzer und verknüpft diese dann mit E-Mail-Adressen oder den erwähnten Facebook-UIDs. Neben dem direkten Kauf von Daten setzt Rapleaf auch technische Methoden zum Abgrasen des Netzes ein - sogenannte Scraper, die sich mittlerweile auch in geschlossene Foren einloggen können.
Firmen, die wissen wollen, ob ein Kunde zu einer potenziell interessanten Zielgruppe gehört, können dessen Informationen mit Rapleaf in Sekundenschnelle abgleichen oder die Dienste des Unternehmens für erstaunlich zielgenaue Werbekampagnen nutzen. Facebook zufolge hat Rapleaf sich nun bereit erklärt, alle bereits gespeicherten UID-Informationen aus dem sozialen Netzwerk zu löschen und künftig "keine weiteren Aktivitäten" innerhalb von Facebook mehr vorzunehmen.
Außerdem teilte der Konzern mit, er wolle nun alle Entwickler verpflichten, sensible Daten wie UIDs stets innerhalb der eigenen Anwendung zu belassen. Man habe eine "Null-Toleranz-Politik gegenüber Data Brokern" und werde den betroffenen Entwicklern - es sollen fast ein Dutzend sein - nun für sechs Monate eine Zwangspause verordnen. Es seien "vor allem kleine Entwickler" gewesen und keiner von ihnen verfüge über eine "Top Ten-Anwendung" innerhalb der Plattform.
Doch so sehr sich Facebook nun im Aufräummodus befindet, ein Grundproblem löst der Netzwerkriese nicht. Bislang existiert noch immer kein vernünftiges Prüfmodell für Anwendungen. Sie werden nicht wie etwa in Apples "App Store" einzeln auf böswillige Codes untersucht, sondern meist nach einer stichprobenartigen Prüfung zugelassen. Wie gefährlich das sein kann, zeigt der jüngste Vorfall. Nutzer sollten sich deshalb jede Anwendung, die sie sich auf ihr Profil holen, ganz genau ansehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus