Norwegens letzte Kohlegrube schließt: Ausgebrannt
Norwegen verfeuert keine Kohle mehr. Der Öl-Fonds investiert aber weiter in Kohleunternehmen. Auch das neue Klimaziel des Landes steht in der Kritik.
Das wurde stillgelegt, begründet mit dem Alter der Anlage und ihren hohen Emissionen. Für Grube 7 hingegen ging es ungeplant in die Verlängerung, als nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Nachfrage nach Kohle noch einmal stieg. Doch jetzt ist endgültig Schluss.
Kohle als Energieträger den Rest zu geben, ist seit langem Ziel der norwegischen Klimapolitik. Im Rahmen des G7- und EU-Projekts „Just Energy Transition Partnerships“ etwa hat das Land sich verpflichtet, umgerechnet gut 420 Millionen Euro zu investieren, um bisherige Kohle-Nationen beim Umbau auf klimafreundlichere Energieproduktion zu unterstützen. Die Grube auf Spitzbergen zu schließen, war da politisch opportun.
Der schrittweise Ausstieg des staatlichen norwegischen Ölfonds aus internationalen Kohle-Investitionen hingegen ist auch zehn Jahre nach dem Beschluss nicht vollzogen. Laut dem Nordic Center for Sustainable Finance liegen immer noch umgerechnet gut 5,8 Milliarden Euro norwegisches Sparkapital in Aktien von Unternehmen, die ihre Kohleaktivitäten aktiv ausweiten.
Auch das Geschäft mit jenen fossilen Energieträgern, die Norwegen reich machten, läuft weiter gut. Die Förderung von Öl und Gas steht knapp vor dem Industriesektor für den größten Anteil an Treibhausgas-Emissionen des Landes. 2024 waren es elf Millionen Tonnen. Rund drei Millionen mehr als 1990, aber weniger die 11,6 Millionen Tonnen von 2023.
Neues Klimaziel in der Kritik
Gerade erst hat Norwegen der UN sein neues Klimaziel gemeldet: Bis 2035 will es die Emissionen um 70 bis 75 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bislang hat es erst 12,4 Prozent geschafft. „Ehrgeizig, aber machbar“, heißt es von Klima- und Umweltminister Andreas Bjelland Eriksen. Die schnelle technologische Entwicklung mache die Transformation inzwischen einfacher.
Der Einigung auf das neue Klimaziel war ein wochenlanger politischer Streit vorangegangen. Die nötige Mehrheit für einen Kompromiss fand sich schließlich zwischen der regierenden sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der konservativen Høyre und der sozialliberalen Venstre.
Der Plan ist, 47 Prozent des Rückgangs durch Umstellungen innerhalb Norwegens zu erreichen, 20 Prozent in Zusammenarbeit mit der EU. Aus dem linken und grünen Parteispektrum kommt Kritik, die Einigung sei zu lasch. Die Umweltbehörde habe 80 Prozent gefordert und gemeint, 60 Prozent seien im Land selbst zu schaffen.
Die Lücke zwischen den 47 plus 20 Prozent aus eigenem und EU-Umbau und den 70 bis 75 Prozent als Klimaziel dürfte durch Käufe von außereuropäischen CO2-Zertifikaten geschlossen werden. Diese Frage war besonders umstritten.
Venstre schreibt sich auf die Fahnen, die Rolle der Zertifikate mit ihrem Kompromissvorschlag stark begrenzt zu haben. Die norwegischen Grünen kritisieren das als nicht ausreichend.
Schließung der Mine könnte geopolitische Folgen haben
Die Umstellung Spitzbergens auf klimafreundlichere Energieversorgung führt derweil noch zu einer ganz anderen, geo- und sicherheitspolitischen Debatte. Die Arktis steht stärker im Fokus unterschiedlicher Akteure als noch vor wenigen Jahren.
„Das norwegische Umfeld auf Spitzbergen wird kleiner“, kritisierte etwa Trygve Slagsvold Vedum, Chef der Zentrumspartei, laut Nachrichtenagentur NTB den Vollzug der Grubenschließung. 60 Arbeitsplätze auf Spitzbergen gehen dadurch verloren. Das stehe im strikten Widerspruch zum Ziel der Partei und der Regierung, die norwegische Präsenz dort zu erhöhen.
Lokalpolitiker vor Ort bestätigten, es werde eine immer größere Herausforderung, norwegische Einwohner langfristig zu halten. Es gibt Zweifel, ob der Tourismus und die damit verbundenen – schlechter bezahlten – Jobs den Bergbau-Verlust auffangen können.
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