■ Normalzeit: Blanker Haß auf die Bürgerrechte
Es hängt mir zum Hals raus. Und doch muß ich mich immer wieder damit beschäftigen – als „Bürger“. Erst drohte die publizistische Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) mich rauszuschmeißen, mit dem fadenscheinigen „Argument“, meine postalische Anschrift „c/o“ würde für eine Mitgliedschaft nicht ausreichen (Hintergrund für das c/o war nur ein kaputter Briefkasten!), dann schmiß mich die Künstlersozialversicherung als „selbständiger Künstler“ raus, wegen Beitragsrückständen, die wiederum einen SWF-Radiobeitrag als Hintergrund hatten, bei dem ich monatelang nicht zu Potte gekommen war (nur Geld ausgegeben hatte).
Mit einigen Kolumne-Verträgen wurde ich – gnädig – wieder aufgenommen. Dann rückte jedoch schon das Finanzamt an und wollte wegen 12.000 Mark bei mir pfänden, gab auch an, mich schon aufgesucht zu haben, ohne etwas zu pfänden. Ich war verwirrt – kein Mensch hatte sich bei mir gemeldet.Nach mehreren Hin-und-her-Schreiben wurde ein neuer Ratenzahlungsmodus vereinbart.
Dann mußte ich zum Gericht – als Zeuge, weil eine unter meiner früheren Wohnung einquartierte Schweinefirma meinen VG-Wort-Scheck einfach vom Briefkasten genommen und durch einen unwissenden Ostler eingelöst hatte. Dieser Ostler war nun angeklagt – und das auch noch durch mein Mittun. Was für eine Sauerei! Bevor ich mir jedoch noch die Formulare für das Zeugengeld abgeholt hatte, wurde der Prozeß schon wieder eingestellt. Auch wieder seltsam!
Dann hörte mein Steuerberater auf: Er hatte in den Fünfzigern bereits angefangen, indem er die Kanzlei eines NS-belasteten und deswegen nach dem Krieg nicht wieder eingestellten Finanzbeamten übernommen hatte – mit fast zwanzig Angestellten. Diese hatte er im Laufe der Jahrzehnte mittels Maschinisierung von Kopfarbeit bis 1997 auf Null reduzieren können. Das heißt, zuletzt arbeitete nur noch er alleine – mit einem Computer – in seinem Steuerberatungsbüro.
Ich beschloß, meine Steuererklärung erst einmal selber zu machen – schlimmer konnte es nicht werden in meinem Verhältnis zum Finanzamt, das meine Steuern vor der Wende (55 Mark inklusive Kirchensteuer) sukzessive bis auf 5.000 Mark nach der Wiedervereinigung erhöht hatte, obwohl ich früher mehr verdiente. Dann machte sich meine Zahnärztin von meinem Zahnarzt selbständig – und ich wußte nicht wohin: bis eine herausgefallene Füllung eine Entscheidung von mir – als zähnefletschender Bürger – quasi erzwang.
Und schließlich mußte ich noch wegen einer Einladung eines Russen zweimal zum Einwohnermeldeamt. Für acht Mark wird dort meine Unterschrift unter die Einladung beglaubigt – mit einem Stempel. Dafür mußte ich neun Stunden warten. Ist das nicht der Gipfel an Staatssauerei?! Beim Finanzamt ging ich davon aus, daß der Finanzminister einfach Anweisung gab, auch noch den letzten Groschen aus den BürgerInnen rauszupressen.
Bei der Künstlersozialkasse (KSK) vermutete ich: Die haben wegen der vielen angeschlossenen Ostkünstler nun zu viele Versicherungspflichtige zu betreuen und wollen deswegen die prekären Fälle einfach abstoßen. Eine Firma kann sich vielleicht ihre Kunden aussuchen, eine Sozialbehörde jedoch gottlob noch nicht! Die taz-Geschäftsführung vermutete etwas anderes: Immer mehr Firmen setzten ihre künstlerisch tätigen Mitarbeiter – auf Kosten der KSK – frei und sparen so die Lohnnebenkosten ein.
Was hatte das mit mir zu tun? Beim nochmaligen Nachdenken kam ich darauf, daß beides auf dasselbe hinausläuft: Überbelastung der KSK und, damit einhergehend, Auslöschung der Mitglieder, die zuviel Arbeit machen und zuwenig einbringen. Also schrieben sie mir einfach: „Aufgrund Ihres Zahlungsverhaltens ist davon auszugehen, daß Sie Ihre publizistische Tätigkeit ... nicht mehr berufsmäßig ausüben.“ Zack! Und damit war ich draußen.
Eine Versicherung bot mir sofort an, mich für 440 Mark monatlich neu zu versichern, bei der KSK zahlte und zahle ich (nun wieder) inklusive Rentenversicherung 135 Mark. Aber schon kam der nächste Hammer: Meine Hausverwaltung verlangte 2.000 Mark Kaution. Es hört nicht auf! Helmut Höge
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