Nordrhein-Westfalen: V-Mann mit heißen Nebenjobs
Nach der Enttarnung eines in der Neonazi-Szene eingesetzten Spitzels gerät die NRW-Regierung in Erklärungsnot: Der V-Mann war angeblich kriminell.
HAMBURG taz Die betroffenen Ministerien in Nordrhein-Westfalen bemühen sich, die jüngste V-Mann-Affäre niedrig zu hängen. Von einem schweren Rückschlag im Kampf gegen die rechtsextreme Szene könne nicht die Rede sein, beteuert das Innenministerium von Ingo Wolf (FDP). Das Haus von Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) bestreitet Kommunikationspannen. Doch die Opposition verlangt Auskünfte. Ihre Befürchtung: In der äußerst militanten Neonaziszene Ostwestfalens könnten über zehn V-Männer enttarnt worden sein.
"Die Auswirkungen müssen geklärt werden", forderte die grüne Landtagsabgeordnete Monika Düker am Dienstag. Auslöser des Streits ist ein 27-Jähriger aus Lünen, der dem Verfassungsschutz seit über drei Jahren Informationen über die rechte Szene geliefert haben soll - gegen Honorar. Der junge Gastwirt war aber auch im Drogengeschäft tätig. Weil er mit Kokain gehandelt haben soll, sitzt er in Untersuchungshaft. Schon 2004 hatte er wegen Drogenhandels im Gefängnis gesessen. Verurteilungen wegen Körperverletzung und Waffenhandels folgten. Doch den Verfassungsschutz störten diese kriminellen Aktionen offensichtlich nicht.
Erst ein Prozess vor dem Landgericht Dortmund ließ den Fall auffliegen. Der dort Angeklagte behauptete, der Gastwirt habe ihn zu einem Überfall auf einen Supermarkt angestiftet. Der Freund habe ihm sogar "die Waffe in die Hand gedrückt". Der Angeklagte schoss und verletzte eine Person schwer. Seinem Anwalt sollen in den Akten die Mobiltelefonnummern von V-Leuten aufgefallen sein. Dort soll auch zu lesen sein, dass der Gastwirt von seinem V-Mann-Führer vor den laufenden Ermittlungen wegen Drogenhandels gewarnt wurde.
Der Bielefelder Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart bestätigte, dass Ermittlungen wegen des Verdachts der Strafvereitelung gegen unbekannte Verfassungsschutzmitarbeiter eingeleitet worden sind. Das Innenministerium NRW versichert indes: "Der Verfassungsschutz verhindert keine Strafermittlungen." Und das Justizministerium bestreitet, dass durch Telefonnummern in den Akten weitere V-Leute aufgeflogen seien.
Die Straftaten des jungen Lünener Gastwirts lassen indes Zweifel an den Beteuerungen des Innenministeriums aufkommen, dass V-Leute abgeschaltet würden, wenn Straftaten bekannt werden. "Diese Zusammenarbeit bewegt sich in einer Grauzone", sagt die Grünen-Politikerin Düker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!