Nordamerika und Australien zu G 20: Kampf ums Klima – aber nicht nur
Sie sind nicht einig, müssen es aber hinkriegen. Was erwarten Australien, Kanada und die USA vom Gipfel?
Alle werden beim G-20-Treffen auf Trump blicken, die taz-Korrespondent*innen in Sydney, Toronto und Washington wissen, warum.
Australien
„Die australische Regierung sieht sich dem Ziel des Freihandels verpflichtet. Denn er bietet die größten Möglichkeiten für Wachstum“, so der australische Handelsminister Steve Ciobo jüngst gegenüber der taz. Soviel scheint klar: Die Expansion des globalen Handels – möglichst ohne Grenzen – wird ganz oben auf der Liste der australischen Prioritäten stehen.
Bereits 2014, als Australien den Vorsitz der G 20 innehatte, setzte die konservative Regierung den Schwerpunkt auf die Förderung des globalen Handels und den Abbau von Zöllen und anderen Hindernissen.
Unter Australiens Führung einigten sich die Staatschefs der Mitgliedsländer in Brisbane darauf, das globale Bruttoinlandsprodukt bis 2018 um mindestens 2 Prozent zu heben, „und so Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen“, wie es damals hieß. In Hamburg dürften die australischen Politiker darauf drängen, den 2014 verabschiedeten „Brisbane Action Plan“ weiter zu verfolgen. Im Vordergrund steht dabei der Ausbau der globalen Infrastruktur.
Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.
„Australien nimmt eine Schlüsselrolle in der Mobilisierung von kollektivem Handel ein“, so das Außenministerium in einer Stellungnahme vor dem Hamburg-Gipfel. Weltweites Wachstum schaffe Arbeitsplätze und mache „die globale Wirtschaft widerstandsfähiger“.
Kritiker wenden ein, dass Australien kein glaubwürdiger Ratgeber für den Rest der Welt sei. Grund: Im Kampf gegen den Klimawandel schwächten australische Politiker die Widerstandskraft der eigenen Wirtschaft. Der anhaltende Fokus der klimawandelskeptischen konservativen Regierung auf den Brennstoff Kohle gehe auf Kosten erneuerbarer Energieträger. Dies mache Australien auf verschiedenen Ebenen verwundbar. Das sagen auch Vertreter der Wirtschaft, wie der frühere Chef des Verbandes der Kohleindustrie, Ian Dunlop.
Während die Welt immer rascher in Richtung erneuerbare Energien schreite, blockiere die australische Regierung unter dem Einfluss der Kohlelobby den Ausbau einer der zukunftsträchtigsten Wirtschaftszweige überhaupt – die Sonnen- und Windindustrien.
Damit würde nicht nur die Schaffung Hunderttausender neuer Arbeitsplätze verhindert. Die australische Wirtschaft sei schon heute in ungesundem Ausmaß abhängig vom Export eines einzigen Energieträgers. Gleichzeitig verliere Kohle wegen der hohen Klimagas-Emissionen weltweit an Bedeutung, so der Wirtschaftsprofessor John Hewson, ein ehemaliger Weltbank-Ökonom.
Trotz dieser Entwicklung beabsichtigt die australische Bundesregierung, die indische Firma Adani mit Steuergeldern im Bau einer der größten Kohleminen der Welt im Bundesstaat Queensland zu unterstützen. Dies sei gegen alle Prinzipien von wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein, klagen Kritiker.
Denn gleichzeitig reduziert Indien aus Umwelt- und Kostengründen die Kohleproduktion zugunsten von oftmals günstigerem Solarstrom. Progressive Stimmen hoffen, dass in Hamburg die australische Position als Außenseiter im Kampf gegen globale Erwärmung zur Sprache kommen wird. Nicht zuletzt, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Thema Klimaschutz deutliches Gewicht einräumen dürfte. Australien ist einer der weltgrößten Pro-Kopf-Emittenten von Klimagasen. Urs Wälterlin
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Kanada
Für Kanada ist der G20-Gipfel ein Balanceakt. Einerseits möchte die Regierung von Justin Trudeau ihre Unabhängigkeit von US-Präsident Donald Trump beweisen. Andererseits hat sie kein Interesse daran, den mächtigen Nachbarn aus dem Süden zu sehr in die Isolation zu treiben. Zu eng sind die wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Bande der beiden nordamerikanischen Länder.
Kein Zweifel besteht, dass die Kanadier mit der derzeitigen US-Politik wenig anfangen können und beim Gipfel in vielen Fragen an der Seite ihrer westeuropäischen Verbündeten stehen werden. Trudeau befürwortet den Klimapakt von Paris, aus dem Trump austreten will. Er wirbt für den Freihandel, dem Trump skeptisch gegenüber steht. Er vertritt eine weltoffene und liberale Politik, während die USA Bürgern aus muslimischen Ländern die Einreise verweigern und eine Mauer zu Mexiko bauen wollen.
Ein junger Mann kommt als Flüchtling aus dem Irak nach Sachsen. In einem Supermarkt gibt es Ärger, vier Männer fesseln ihn an einen Baum. Kurz bevor ihnen der Prozess gemacht werden soll, findet man den Flüchtling tot im Wald. Zufall? Das fragt die taz.am wochenende vom 1./2. Juli. Außerdem: Rapper Bushido versucht sich an sein Praktikum im Bundestag zu erinnern. Und: Sechs Seiten zur Entscheidung im Budnestag für die Ehe für alle. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
In einer viel beachteten Grundsatzrede im Unterhaus in Ottawa hatte sich Außenministerin Chrystia Freeland zuletzt demonstrativ von den USA abgesetzt. Angesichts der zunehmend isolationistischen Politik Trumps hatte sie einen eigentständigeren Kurs und eine verstärkte Hinwendung zu internationalen Gremien wie der NATO, den Vereinten Nationen oder den G7 und G20 angekündigt.
„Die Tatsache, daß unser Freund und Alliierter den Wert seiner eigenen weltweiten Führung in Frage stett, zwingt uns und alle anderen, auf einen eigenen souveränen Kurs zu setzen“, hatte Freeland erklärt. Nur einen Tag danach kündigte die Regierung zudem eine massive Aufstockung der Verteidigungsausgaben an. Diese sollen in den nächsten zehn Jahren um 70 Prozent steigen.
Trotzdem wird Trudeau versuchen müssen, beim G20-Gipfel Brücken zu Trump zu bauen. Kanada wickelt rund zwei Drittel seines Außenhandels mit den USA ab und ist bei aller politischen Entfremdung auf ein funktionierendes Verhältnis zum Nachbarn angewiesen.
Für Schlagzeilen sorgten Presseberichte, wonach Trudeau den Amerikanern auf dem Gipfel angeblich mit einem verwässerten Bekenntnis beim Thema Klimaschutz entgegenkommen wolle. Tatsächlich setzt der Austritt der Amerikaner aus dem Paris-Vertrag die Kanadier mächtig unter Druck, da die kanadische Industrie nun massive Wettberbsnachteile gegenüber der US-Konkurrenz befürchten muss.
In Ottawa dementiert man diese Berichte allerdings scharf. „Wir werden den Vertrag von Paris weiter umsetzen und wir stehen vereint mit all jenen Ländern, die den Vertrag unterstützen“, erklärte eine Sprecherin Freelands der taz. Trudeau wird in Hamburg also einen Passus pro-Klimaschutz mittragen – im Zweifel auch gegen Trump. NGOs in Kanada werden genau darauf achten, daß Trudeau sein Wort auch einhält. Jörg Michel
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USA
Eine Debatte über den G-20-Gipfel sucht frau in den USA vergeblich. Sowohl die Linke als auch die Regierung der größten Volkswirtschaft der G 20 haben andere Sorgen. Und wenn die US-Medien sich – bislang vor allem in Kurzmeldungen – überhaupt mit dem Gipfel befassen, dann geht es vor allem um das erste Treffen von Präsident Donald Trump mit seinem russischen Amtskollegen ebenso wie um den Streit über den Kampf gegen den Klimawandel, dem Washington den Rücken gekehrt hat.
Schon im März, bei einem Finanzministertreffen der G20, haben die USA verhindert, dass die Klimapolitik in der gemeinsamen Erklärung überhaupt erwähnt wurde. Seither hat Donald Trump in einem lang angedrohten Schritt das Pariser Klima-Abkommen aufgekündigt. Innenpolitisch hat er alle möglichen Regeln zur Kontrolle von Schadstoffabgaben aus Kohle- und anderen Kraftwerken gestrichen. Die Hoffnungen von KlimaschützerInnen in den USA richten sich jetzt auf die deutsche Bundeskanzlerin und auf andere europäische PolitikerInnen, damit sie das Pariser Abkommen gegen den Widerstand von Washington retten.
Die Welthandelsexpertin Lori Wallach ist eine der wenigen US-amerikanischen AktivistInnen, die den G 20 thematisiert hat. Bei einem Treffen mit AktivistInnen aus Nord und Süd in Hamburg sagte sie in der vergangenen Woche: „die G 20 haben kein Kommunikationsproblem, sondern ein ernstes Problem mit der neoliberalen Politik. Das haben die Verlierer der Globalisierung begriffen“.
Fast alle anderen linken AktivistInnen in den USA – Gewerkschaften inklusive – haben das Thema außen vor gelassen. Wenn sie sich mit Handelsfragen befassen, konzentrieren sie sich auf die vom Präsidenten angestrebte Neu-Verhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens, Nafta.
„Wir sind im Zentrum des Imperiums“, sagt ein Gewerkschafter sarkastisch: „wir bilden uns ein, dass die ganze Welt sich um uns dreht“.
Auch die US-Regierung behandelt den G-20-Gipfel nicht als Priorität. Im Vorfeld seiner zwei Tage in Hamburg hat Trump einen zusätzlichen Stopp in Warschau eingeplant, wo er Präsident Andrzej Duda treffen wird. In einem Versuch, Europa in US-Alliierte und „altes Europa“ zu spalten, der an die Taktik der George W Bush-Regierung vor dem Irak-Krieg erinnert, befördert jetzt die Trump-Regierung Polen zu „einem von unseren nächsten europäischen Verbündeten“.
In Hamburg erwartet die US-Regierung, dass Angela Merkel wieder die protektionistische Politik ansprechen wird, die zentraler Bestandteil von Trumps populistischen Slogans ist. Schon im Vorfeld hat Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries einen Brief an den US-Handelsminister zusätzliche Zölle auf Stahlimporte kritisiert.
„Die Beziehungen zwischen USA und Europa sind so schlecht, wie sie seit Jahrzehnten nicht waren“, stellt der Ökonom und Vizedirektor des Washingtoner Think Tanks, Center for Economic Policy, Mark Weisbrot, fest. Er nennt Trumps' Reise nach Hamburg einen Versuch der „Schadensbegrenzung angesichts der Entfremdung des wichtigsten Alliierten der USA“.
Für Weisbrot ist der G-20-Gipfel ein weiterer Moment bei dem Übergang zu einer „stärker multipolaren Welt, in der die Hegemonie der USA und ihr neoliberales Wirtschaftsmodell an Boden verliert“. Dieser Trend, in dem China eine neue, zentrale Rolle spielt, hat sich unter Barack Obama angebahnt. Nachdem Obama vergeblich versucht hat, die europäischen Partner der USA vom Beitritt zu der von Peking gegründeten „Asian Infrastructure Investment Bank“, AIIB, abzuhalten, kommen jetzt politische Rebellionen gegen das neoliberale Modell hinzu. Als Ausdruck davon betrachtet Weisbrot das Erstarken von Jeremy Corbyn in Grossbritannien, von Syriza in Griechenland, von Podemos in Spanien und von La France Insoumise von Mélenchon. Aber auch den Erfolg des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders in den USA. Dorothea Hahn
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