Nominierung für US-Supreme-Court: Absurde Fragen an die Kandidatin

Bei der Anhörung der nominierten Schwarzen Richterin Ketanji Brown Jackson im US-Justizausschuss packen die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen jede Menge Hass aus.

Eine Frau wischt sich mit einem Taschentuch eine Träne weg

Ketanji Brown Jackson während der Rede von US-Senator Cory Booker Foto: Elizabeth Frantz/Reuters

NEW YORK taz | Es war ein erstes hörbares Zeichen der Zermürbung. „Senator…“, hob Ketanji Brown Jackson an und seufzte leicht genervt. Texas’ republikanischer Senator Ted Cruz hatte die Nominierte für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten soeben gefragt, ob sie Babys für Ras­sis­t:in­nen halte.

Es war nur eine der erstaunlichen und teils aggressiven Fragen, mit der die republikanischen Se­na­to­r:in­nen die 51-jährige Richterin an den vergangenen Tagen überhäuften. Seit Montag sitzt Jackson in ihren Anhörungen vor dem Justiz-Ausschuss des US-Senats, der sie für den freiwerdenden Posten am Supreme Court empfehlen soll. Zumindest wenn es nach dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden geht, der sie für dieses Amt nominiert hat.

Sie wäre die erste Schwarze Frau in dieser Position, ebenso die erste mit Erfahrung als Pflichtverteidigerin. Harvard-Abschluss, ein Lebenslauf mit beeindruckenden Stationen, Erfahrungen in vielen Bereichen des US-amerikanischen Rechtswesens – an Qualifikationen mangelt es Jackson jedenfalls nicht.

Doch die Besetzung von Rich­te­r:in­nen­pos­ten am Supreme Court ist hart umkämpft. Die live übertragenen Befragungen sind für die Se­na­to­r:in­nen des Justiz-Ausschusses zudem eine Möglichkeit, sich ausgiebig zu präsentieren – und die Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen spielten dieses Mal auch schon ihre Karten für die kommenden Wahlkämpfe durch.

Konservative Talking Points gegen die Kandidatin

Critical race theory“ ist einer ihrer Trümpfe. Der Begriff bezeichnet vereinfacht gesagt ein akademisches Konzept, das von einem tiefgehenden strukturellen Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft ausgeht. Für Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen ist der Begriff ein radikales Reizwort, mit dem sie verlässlich Aufregung bei ihrer Wäh­le­r:in­nen­schaft generieren.

Jackson jedoch ließ sich nicht auf Diskussionen ein, als der Senator Ted Cruz sie danach fragte. Sie sagte, die „Critical race theory“ komme in ihrer Arbeit nicht vor. Später holte Cruz Bücher heraus: Diese seien den Schü­le­r:in­nen der Washingtoner Privatschule empfohlen oder zum Lesen vorgeschrieben, in deren Kuratorium Jackson sitze – unter anderem das Buch „Antiracist Baby“. Jackson verwies darauf, dass diese Bücher nun nicht in ihrer Arbeit als Richterin vorkämen – und um über diese Arbeit zu sprechen, sei sie heute da.

Ein anderes Thema war schon gesetzt, bevor die 51-Jährige für die Befragungen erstmals an dem großen hölzernen Tisch in der Mitte des Raumes Platz genommen hatte: Missouris republikanischer Senator Josh Hawley hatte in den Tagen zuvor der Richterin vorgeworfen, vor allem Kon­su­men­t:in­nen von Kinderpornografie mit Milde zu behandeln.

„Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit liegen“, entgegnete Jackson am Dienstag. Es handele sich um einige der schwierigsten Fälle, mit denen Rich­te­r:in­nen zu tun hätten. Der rechtliche Rahmen dazu sehe nicht unbedingt die höchstmögliche Strafe vor, sondern weise dazu an, verschiedene Aspekte des Vergehens zu werten und eine ausreichende, nicht höher als notwendige Strafe zu verhängen.

Wut auf die De­mo­kra­t*in­nen geht gegen die Richterin

Ex­per­t:in­nen hatten den Vorwurf Hawleys zurückgewiesen – auch der konservative Jurist und Kommentator Andrew C. McCarthy, der vielbeachtet schrieb, die Behauptung erscheine „unbegründet und grenze an Demagogie“. Doch konzentrierten sich in den Anhörungen die Anstrengungen gleich mehrerer Se­na­to­r:in­nen darauf, Jackson in dieser Hinsicht anzugreifen.

Hawley versuchte die Richterin mit Fragen nach einzelnen Fällen in die Enge zu drängen. Ob sie ihr Urteil in einem Fall von 2013 bereue? „Ich bereue, dass wir in einer Anhörung über meine Qualifikationen für das Richteramt am Obersten Gerichtshof viel Zeit damit verbracht haben, uns auf diese kleine Teilmenge meiner Urteile zu konzentrieren“, erwiderte Jackson.

Besonders bissig wurde South Carolinas Senator Lindsey Graham. Noch im Vorjahr war Graham einer der drei Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen gewesen, der für Jacksons Bestätigung als Richterin am Bundesberufungsgericht der Hauptstadt Washington gestimmt hatte. Allerdings hätte er nun lieber die Bundesrichterin J. Michelle Childs aus South Carolina auf dem ledernen Bürostuhl gesehen, auf dem nun Jackson als designierte Verfassungsrichterin saß.

An der schien er nun seine Wut auszulassen – sogar darüber, wie sich die De­mo­kra­t:in­nen 2018 beim Bestätigungsprozess des konservativen Verfassungsrichters Brett Kavanaugh verhalten hätten. Damals hatten mehrere Frauen Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh erhoben, es kam zu heftigen Protesten gegen seine Ernennung. „Er wurde überfallen“, polterte Graham am Mittwoch. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn wir das mit Ihnen täten?“

Cory Booker: „Sie haben sich diesen Platz verdient!“

Auch musste Jackson sich Vorwürfe anhören, in ihrer Rolle als Pflichtverteidigerin Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo vertreten zu haben: Sie habe ihre Zeit und Talente nicht dafür genutzt, etwa Ve­te­ra­n:in­nen zu unterstützen, sondern Terroristen kostenlose Rechtsberatung gegeben, damit diese aus Guantánamo herauskämen und sich wieder dem Kampf anschlössen, hatte die Republikanerin Marsha Blackburn aus Tennessee bereits am Montag erklärt.

Am Dienstag legte Blackburn mit einem weiteren Kampfthema der Konservativen nach und zielte auf das Thema Geschlechtsidentität: „Können Sie eine Definition für das Wort ‚Frau‘ geben?“ Jackson wich aus: „Nicht in diesem Kontext. Ich bin keine Biologin.“ Sie wies darauf hin, dass es ihre Rolle als Richterin sei, sich mit Streitfällen zu befassen und auf Grundlage des Gesetzes zu entscheiden.

Nach Stunden der Attacken war es der demokratische Senator Cory Booker aus New Jersey, der kurz vor Ende der Sitzung mit einer emotionalen Ansprache dafür sorgte, dass sich Jackson die Tränen von der Wange wischen musste. Er betonte die historische Nominierung, welche Anstrengungen Jackson auf sich genommen habe, um dort anzukommen, wo sie sei. „Sie haben sich diesen Platz verdient.“

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