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Nobelpreisträger zu Deutschland und TTIP„Ihr seid auf der Verliererseite“

Deutschland braucht das Handelsabkommen nicht, sagt der US-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz. Nichts darin sei wichtig für das Land.

US-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz sagt: „Kein Abkommen ist immer noch besser als ein schlechtes Abkommen!“ Foto: dpa
Eric Bonse
Interview von Eric Bonse

taz: Mister Stiglitz, vor allem in Deutschland gibt es Widerstand gegen TTIP – was halten Sie davon?

Joseph E. Stiglitz: Meiner Meinung nach liegen die Gegner von TTIP richtig. Das Abkommen ist zwar noch nicht fertig verhandelt. Doch wohin die Reise geht, können wir an der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) sehen. TPP war ein schlechter Deal für die meisten Amerikaner, es ist das schlechteste Abkommen aller Zeiten. Vielen wird es dadurch nicht besser, sondern eher schlechter gehen!

Was ist schlecht am Abkommen zwischen den USA und elf Pazifik-Anrainerstaaten?

Das TPP-Abkommen hat drei Teile: Es geht um Handel, Investitionen und um das geistige Eigentum. TPP soll angeblich den amerikanischen Bürgern und den Unternehmen dienen. Doch mittlerweile wenden sich sogar Firmen wie Blackberry gegen das Abkommen. Auch die Gewerkschaften machen sich Sorgen. Bisher fällt die Handelsbilanz mit den Pazifikstaaten nämlich noch positiv aus. Wenn TPP wie angekündigt zu einer ausgeglichenen Handelsbilanz führen sollte, dann würden wir in den USA Jobs verlieren.

In Deutschland hören wir das Gegenteil. TTIP soll einen neuen „Goldstandard“ für den Handel schaffen, verspricht Bundeswirtschaftsminister Gabriel . . .

Das haben sie uns bei TPP auch erzählt. Dabei ist nicht alles Gold, was glänzt – TPP ist ein Schritt zurück. Als das Abkommen ausgehandelt wurde, hat man uns versprochen, dass der Einfluss Chinas zurückgedrängt werde. Doch ein Großteil der Produkte, die aus dem Pazifikraum stammen, ist made in China. Das ist doch unehrlich! Auch der Schutz des geistigen Eigentums ist eine Mogelpackung. In Wahrheit geht es vor allem um den Schutz der amerikanischen Pharmaindustrie.

Was heißt das für Europa?

Dass es auch ohne geht. Ihr habt doch schon einen guten Schutz des geistigen Eigentums, dafür braucht ihr kein TTIP. Dasselbe gilt für den Investitionsteil. Das wird die Gesetzgebung im Umweltschutz oder bei der Bankenregulierung erschweren. Zudem werden Investitionen in den Klimaschutz erschwert. Da seid Ihr mit TTIP auf der Verliererseite!

Bild: reuters
Im Interview: Joseph E. Stiglitz

war Chefökonom der Weltbank und lehrt an der Columbia University. Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2001

So wird das in Brüssel aber nicht dargestellt. Die EU will Investitionen erleichtern, nicht verhindern.

Das ist nur ein Vorwand. In Wahrheit geht es doch darum, Regulierungen zu verhindern, Besteuerung zu verhindern. Die Unternehmen möchten nicht vor verlorenen Investitionen geschützt werden, sondern vor verlorenen Profiten. Gleichzeitig verlangen sie Subventionen. Treibhausgase nicht zu besteuern, ist eine versteckte Subvention.

Was halten Sie von den geplanten Schiedsgerichten für Investoren?

Obama, Merkel und der TTIP-Protest

Am Sonntag, 24.4., eröffnen US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel die Hannover-Messe. Sie sprechen auch über das umstrittenen Handelsabkommen TTIP, das die EU und die USA in diesem Sommer unter Dach und Fach bringen wollen. Kritiker fürchten, dass mit TTIP Konzerne mehr Macht bekommen und wichtige Verbraucher- und Umweltstandards sinken werden. Am Samstag wollen Zehntausende in Hannover protestieren. Die taz begleitet die Besuche mit einem TTIP-Special am Freitag.

Sie sind unnötig. Die USA sind eine Demokratie, Deutschland ist eine Demokratie. Niemand glaubt, dass Deutschland das Eigentum von amerikanischen Unternehmen unrechtmäßig beschlagnahmen würde.

Trotzdem setzt sich Deutschland besonders für TTIP ein.

Nicht Deutschland ist für TTIP, sondern die deutsche Bundesregierung.

Okay, aber ist es nicht logisch, dass der Exportweltmeister für Freihandel eintritt?

Kein Aspekt von TTIP ist wirklich wichtig für Deutschland. Die geplante Harmonisierung technischer Normen ließe sich auch ohne TTIP regeln. Inzwischen wissen wir doch, dass die Wachstumseffekte von Freihandel klein, die Verteilungswirkungen aber groß sind. Erstaunlicherweise wird darüber nicht viel diskutiert.

Lässt sich das Abkommen noch retten?

Die Europäer versuchen, die Fehler bei TTIP zu beheben. Doch die Probleme liegen nicht in Europa, sie liegen im US-Handelsministerium. Ich glaube, dass die Europäer gern ein gutes Abkommen hätten. Aber kein Abkommen ist immer noch besser als ein schlechtes Abkommen!

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23 Kommentare

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  • Warum lernt man nicht aus der Geschichte? Alle sog. "Freihandelsabkommen" haben für Millionen von Menschen nur noch mehr Elend gebracht, und nur eine kleine Elite davon profitiert?

     

    So wie mit Kriegen, obwohl der 2. WK 56 Millionen Menschen das leben gekostet hat, wird heute wieder dafür in allen Medien getrommelt? Und auch gerade weil bekannt ist, dass bisher noch jeder Krieg mit einer Lüge begann und beginnt?

     

    Warum werden immer die Fehler wiederholt? Wie sagte schon Einstein: "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

  • Mhhhh, ich bin es ja gewohnt, dass mit inzwischen politisch aktiven Wirtschaftswissenschaftlern Interviews bisweilen anstrengend sind, aber dieses Interview ist ja mehr als krude.

     

    Zu erst nimmt er als Beispiel das die EU von der USA nicht bekommt was sie möchte, das die USA von den Pazifikstaaten nicht bekommt, was sie wollte. Also sind Freihandelsabkommen nun schlecht für die USA oder gut für die USA? In beiden Fällen ist die USA ja federführend was die Bediungen angeht, also haben sie es nicht geschafft ein paar kleinen Pazifikstaaten die Bedingungen aufzudrücken die sie bei der Eu durchbekommen? Oder ist ein Handelsabkommen einfach immer schlecht für die Partei mit der er gerade redet.

     

    Soso einige US-Firmen und Gewerkschaften sind gegen Freihandel? Interessant, das nennt man Nationalismus und ist normal.

     

    Das generelle nicht besteuern von etwas ist eine Subvention? Diese Definition hat er wohl recht exklusiv.

     

    Ja Handelsgerichte sind unnötig, offenbar noch nie als deutsche Firma vor einem Us-Gericht gelandet gegen eine US-Firma.

     

    Prinzipiell alles halbgare Allgemeinplätze, so argumentiert man nicht gegen ein völlig sinnloses Abkommen.

  • Dass man Zölle abschaffen möchte, ist doch logisch, wer will schon Steuern zahlen. Die verlorengegangenen Einnahmen aus Zöllen muss der Steuerzahler aufbringen.

  • Auch hier wird sich zeigen, wie groß die Macht der an TTIP interessierten Konzerne und Monopole ist. Wie weit die Regierungen von Lobbyisten durchsetzt und bereits unter Kontrolle des Finanz- und Monopolkapitals stehen.

  • TTIP ist abzulehnen. Alleine die intransparenten Verhandlungen oder die Schiedsgerichte sind inakzeptabel. Darüber hinaus hat es dieselben Konstruktionsfehler wie der Euro (Großer Freihandelsraum ohne gemeinsame demokratische Institutionen).

     

    Solange aber CDU, CSU, SPD und FDP geschlossen für TTIP sind, wird das Abkommen wohl kaum gestoppt, zumindest nicht in Deutschland.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mister-ede:

      Die SPD ist nicht geschlossen für TTIP.

       

      Gabriel wollte doch mal die Parteibasis um ihre Meinung fragen, oder irre ich mich?

      • @571 (Profil gelöscht):

        Gemeint war die Parteilinie und da sind mir jetzt keine Bundestags- oder Bundesratsinitiativen gegen TTIP bekannt.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Gabriel fand aber auch mal TTIP wäre überflüssig und es wäre gefährlcih wenn Parlamente für etwas stimmen sollen das sie nicht einmal gesehen haben.

         

        Dann wurde Siggi Mitglied der Regierung und es war plötzlich alles anders.

         

        So wie Frau Nahles es unfair fand das nur der Krankenkassenbeitrag nur für Arbeitnehmer steigt. Dann wurde sie Arbeitsministerin.

         

        Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Die Siggi-Nahles SPD bekommt meine Stimme auf jeden Fall nicht.

  • Werden eigentlich immernoch Bundestagshausausweise für Lobbyisten ausgestellt?

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    TTIP,Ceta und Tisa Stoppen!!!

  • Dass "nicht Deutschland […] für TTIP [ist], sondern die deutsche Bundesregierung" kann Joseph E. Stiglitz erkennen. Wieso erkennt er dann nicht auch, dass für bestimmte Leute innerhalb dieser Regierung ein schlechtes Abkommen immer noch besser ist als gar keins - weil sie dann nämlich nicht entschieden NEIN zu sagen brauchen zu den Leuten, die ihre Ziele mit aller Macht bis vor private Klotüren verfolgen?

     

    Übrigens: Dass Wähler in einer Demokratie nur alle vier Jahre "Ja!" sagen dürfen und "Nein!" keine Option ist auf dem Wahlzettel, ist auch ein großes Problem, über das nie jemand spricht.

    • @mowgli:

      Die Mehrheit der Bürger sind nicht gegen TTIP. Die Diskussion krankt doch an den Details, was wird genau wie geregelt? Das wird nicht dargestellt. Man hört Allgemeinplätze. Es würde immer die schlechteste Lösung genommen. Z B was? Keine Gentechnik in der Landwirtschaft Stiglitz ist Globalisierungskritiker. Die Schiedsgerichte wurden entschärft: Es heißt jetzt Handelsgerichte. Was Urheberrecht und Patentschutz angeht, gibt es da große Unterschiede beidseits des Atlantiks? Wie lange ist der Patentschutz für Solvadi, das neue, superteure Hepatitis C Medikament? Zur Not kann man Medizintourismus begehen. Es wird zB behauptet, mit TTIP kommt Fracking. Stimmt das? Dann machen auch die deutschen Großbordelle Filialen in den US-Bibelstaaten auf? Die tatsächlichen Folgen werden nicht dargestellt. Ein großer Handelsblock gegen die Umweltfrevler in China hätte auch Vorteile. Im übrigen spritzen die Ökobauern Kupfer gegen Pilzerkrankungen, ein Schwermetall das sich im Boden ansammelt und die Regenwürmer umbringt. Da wär die Gentechnik vielleicht doch nicht so schlecht?

      • @Gabriel Renoir:

        ?????¿¿¿¿¿¿¡¡??¿¿¿¿??¿¿¿??

         

        "Die Mehrheit der Bürger sind nicht gegen TTIP." - Bitte hier nochmal genau lesen:

        http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/04/21/umfrage-massive-ablehnung-von-ttip-in-deutschland/

         

        "Man hört Allgemeinplätze." - genau, von ihnen zum Beispiel.

        • @Ute Krakowski:

          Ich habe hier ganz konkret Dinge angesprochen, Fracking, atentschutz. Die Mehrheit der Bürger ist nicht gegen TTIP, sondern indiferent oder dafür.

          • @Gabriel Renoir:

            "Die Mehrheit der Bürger ist nicht gegen TTIP, sondern indiferent oder dafür."

             

            Ich würde gerne mal die Daten sehen. Wer dafür ist, kann nicht begriffen haben.

      • @Gabriel Renoir:

        Bisken lustig sanns schonn - der Herr!

        Stieglitz - Paul Krugman -

        Das sinds nach Ihnen halt so

        Depperte Dilettanten - ;)

        Starker Tobak - das!

        Vielleicht mal mit dem - Krauten - &

        Dem Rauschen - Aufhören!

        Danke.

        • @Lowandorder:

          Das hab ich nicht gesagt. Aber auch in der Wirtschaftswissenschaft divergieren die Ansichten, Zumal die Wirtschaftswissenschaft in weiten Bereichen keine exakte Wissenschaft ist. Man versucht die Realität zu verstehen, Modelle zu basteln, geschichtlich nachzuvollziehen, was passierte, wenn man was tut? Oft ist das ein Wischiwaschi von realen Zahlen, Interpretation und Theorien. Und Stiglitz interpretiert eben als Globablisierungskritiker. Vielen Bürgern bereitet die Globalisierung Angst. Viele haben sich in den geregelten Verhaeltnissen der DDR wohlgefuehlt. Aber leider ging die DRR bankrott. Es sei "ein Rätsel", warum ausgerechnet Deutsche den Freihandel skeptisch betrachten, sagte Hans-Werner Sinn, exChef des Ifo-Instituts. Der prinzipielle Nutzen sei bewiesen, ohne internationalen Handel wäre das deutsche Pro-Kopf-Einkommen nur halb so hoch.

          • 2G
            25726 (Profil gelöscht)
            @Gabriel Renoir:

            Ihre Behauptungen sind in weiten Teilen schlicht unwahr und/oder ohne jeden Beleg ("Der prinzipielle Nutzen sei bewiesen, ohne internationalen Handel wäre das deutsche Pro-Kopf-Einkommen nur halb so hoch.sind"), oder einfach nur plump und albern ("Viele haben sich in den geregelten Verhaeltnissen der DDR wohlgefuehlt. Aber leider ging die DRR bankrott") in dem Versuch, TTIP-Gegner als Vor-Wende-Nostalgiker zu diskreditieren.

             

            Stiglitz kennt die Gläubigen der Freihandelskirche aus eigener Erfahrung; er war mehrere Jahre deren Chefvolkswirt, bevor er zu Verstand kam. HW Sinn hat nie über den Tellerrand der neoklassischen WiWi-Suppe hinausgeschaut. Seine bekannteste Leistung ist die Kreation des sogenannten Geschäftsklimaindex, über dessen Aussagekraft Schwachköpfe jubeln und WiWi-Studenten im zweiten Semester Witze reissen - zu Recht. Wenn es ein wertloses Urteil über TTIP gibt, dann ist es seines.

            • @25726 (Profil gelöscht):

              Deutschland lebt vom Verkauf seiner Waren und erzielt einen hohen Handelsbilanzüberschuss. Stiglitz war mal kurz bei der Weltbank und ist dann wieder gegangen wegen Meinungsverschiedenheiten. Er ist auch nicht gegen Gloablisierung an sich, sondern er möchte den Entwicklungsländern mehr Mitsprache ermöglichen. Worüber STudenten Witze machen, sagt nichts über den Geschäftsklimaindex aus. Das ist eben eine Befragung. Man kann natürlich alle Befragungen in Frage stellen. Wie beliebt ist im Moment Merkel und Kretschmann? sagt schon was aus, und gibt den Grünen vielleicht mal eine Richtung, wie man's macht und nicht immer nur als Besserwisser schwafelt.

              • 2G
                25726 (Profil gelöscht)
                @Gabriel Renoir:

                Ihre Behauptungen bleiben unwahr oder ohne Beleg. Daran ändert auch die Absonderung von - zudem falschen - Allgemeinplätzen nichts. Ihre Intention ist offensichtlich und nicht weiter diskussionswürdig.

    • @mowgli:

      Welche Parteien streben nach mehr direkter Demokratie und welche sind dagegen? Muss man denn Parteien von den Rändern wählen um wahrgenommen zu werden? Warum um alles in der Welt will ein Sozialdemokrat unbedingt TTIP? Was bekommt er dafür?

    • @mowgli:

      V3rdammt recht haben Sie da. Ich bin für mehr Beteiligung der BürgerInnen. Dies wäre meiner Einschätzung nach auch der effektivste Weg die weit verbreitete "Politikverdrossenheit" in den Griff zu bekommen.

      • @FriedrichH:

        Und würde das Land an die Wand fahren. Es würden zuviele Intellektuelle ins Exil getrieben werden. Gerade in diesen Zeiten.