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Nigers Bruch mit dem WestenEnde der alten Allianzen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Zeit des Blockdenkens ist in Afrika vorbei: Die meisten Staaten wollen sich geopolitisch nicht vereinnahmen lassen.

Die Putschisten in Niger wollen nichts mehr mit dem Westen zu tun haben, Archivbild vom Sommer 2023 Foto: dpa / AP

A mis raus, Russen rein: So lautet offenbar die Devise der Militärherrscher in Niger. Eine Überraschung ist die Kündigung der militärischen Zusammenarbeit zwischen Niger und den USA nicht. Alle anderen westlichen Militärmissionen in dem Sahelstaat wurden bereits beendet, ebenso in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso. Die Generäle in Bamako, Oua­ga­dou­gou und Niamey formieren eine neue antiwestliche Achse, in der das ebenso antiwestliche Moskau ein willkommener Partner ist.

Ob die Militärjuntas der Sahelstaaten und ihre Unterstützer wirklich begeisterte Anhänger des Putin-Regimes sind, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Die Zeit des Blockdenkens ist in Afrika schon lange vorbei. Man löst sich nicht von einer Abhängigkeit, um die nächste einzugehen. Fragt man tonangebende Politiker in Afrika, ob sie prowestlich oder prochinesisch oder prorussisch oder was auch immer sind, lautet die Antwort fast immer sinngemäß: Nichts – wir sind proafrikanisch.

Auf die eigenen Interessen setzen und sich möglichst wenig geopolitisch vereinnahmen lassen, ist für die meisten Staaten Afrikas, die im globalen Vergleich besonders schwach sind, die einzige realistische Überlebensmethode im Zeitalter der neuen geopolitischen Konfrontation, die die regelbasierte Weltordnung abgelöst hat. Allianzen gibt es nur noch auf Zeit, und nur solange der eigene Vorteil gewahrt bleibt. Wie so oft sind politische Veränderungen in Afrika auch in diesem Bereich ein Seismograf größerer Erschütterungen im Weltmaßstab. Frühzeitig hat man erkannt, dass es nichts bringt, sich einer anderen Macht hundertprozentig anzuschließen.

Das heißt nicht, dass es eine besonders gute Idee wäre, russische Marodeure und Geschäftemacher als angeblich progressive Alternative zu ihren westlichen Gegenstücken willkommen zu heißen. Das Gegenteil ist der Fall. Aber für Niger ebenso wie für die anderen Putschregierungen Westafrikas gilt: Das wissen sie schon selbst, und wenn nicht, werden sie es schnell herausfinden. Und daraus Konsequenzen ziehen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • Was genau soll das sein: "proafrikanisch"? Irgendwer hat zu einem ähnlichen Thema einmal gesagt: "It's the economy, stupid." Solange die afrikanischen Staaten sich in dieser Beziehung nicht professioneller aufstellen, können die Militärs so oft putschen, wie sie wollen und sich irgendwelchen Idioten an den Hals werfen. Besser wird's dadurch nicht.

  • Waren die meisten nicht schon früher formal blockfrei und sind damit auch nicht gut gefahren? Sollen sie machen, solange sie nicht dem Sirenengesang der Russen oder Chinesen erliegen. Aber vielleicht kommt ja jetzt auch Indien oder Indonesien zum Zug. Wer weiß das schon?

  • Die 14 Staaten Sahel Länder seit 1945 mit CFA Franc als Landeswährung, aus denen Frankreich 440 Milliarden heute in € gerechnet insgesamt zieht, Benin, Burkina Faso, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal, Togo, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Kongo, Äquatorialguinea und Gabun, mögen sich zwar aus westlichen Militärallianzen lösen, verbleiben aber unter dem straffen Finanzregime .Regime mit festen Wechselkursen bei krass überbewerteter CFA Franc Binnenwährung zulasten Binnenkaufkraft der Bevölkerungsmehrheit, wirtschaftlicher Entwicklung, zugunsten der Eliten Kaufkraft in €, wenn ja, weil egal welche Eliten dort an ihrer Kaufkraft in € gerechnet festhalten wollen, trotz scheinbar politisch entgegengesetzt verlautbarter Agenda im militärischen Bereich?



    Geht es also nur scheinbar um Ende der Allianzen mit europäischen Ländern, USA, die eigene Bevölkerung zu täuschen, Machterhalt dortiger Eliten zu wahren durch Aufrechterhaltung CFA Franc Regimes, Hassbewirtchaftung der Beölkerung vor Ort gegen ehemals europäische Kolonialmächte, USA ?



    Was folgt daraus für den Euroraum, EZB Geld- und Zinspolitik, die seit Einführung Euros 1998-2002 die CFA Franc Sahelzonenländer unter ihrer Schirmherrschaft führt, mit leichter Hand bei freier CFA Franc Verfügungsgewalt französischer Zentralbank Paris, die nur informell durch einen Letter of Attention seit 1999 das Währungsrestrisiko der CFA-Franc Zone für den Euroraum alleine trägt. Ob diese Zusammenhänge beim Wahlkampf für die Europarlamentswahl Juni 2024 zum Thema werden könnten, scheint bisher ausgeblendet nicht Teil Wahlkampfes zu werden, egal durch welche politische Farbe in EU, obgleich diese Zusammenhänge den Klimatransformationsprozess in Eurozone wie ein Schwarzer Schwan am Horizont überraschen könnte, der dann in EU als sog. Ereignis amtlich kommuniziert wird, mit dem nun wirklich Niemand rechnen konnte, während Russland seit 24.2.2022 in Ukraine unvermindert seinen Aggressionskrieg fortsetzt?

  • Afrikanische Regime, die sich Russland zuwenden, tun das mit Sicherheit nicht, weil sie es für progressiv halten. Sondern weil Russland nicht nur nichts gegen Diktatur, Korruption und Gewalt sagt, sondern gerne mal Wagner vorbeischickt, um im Sinne des Regimes mal ein paar zünftige Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und so die afrikanischen Regime an der Macht hält.



    Das hat nichts mit Blockfreiheit zu tun, sondern mit rücksichtsloser Machtgier.

  • Armut, Not und Elend prägen diese Staat. Es gibt nichts, praktisch kein existierendes Gesundheitsystem, in vielen Regionen kein Zugang zu Bildung, soziale Fürsorge nirgendwo gesehen, eine Landwirtschaft mit effektivem Anbau von Lebensmitteln existiert nicht, nur ein völlig korruptes System seit neuestem von beispiellos unfähigen Militärs geführt, ein stark mittelalterlicher Islam wird immer stärker....so was von hoffnungslos und ohne jede Zukunft....



    In einer Reihe mit Haiti, Somalia, Südsudan etc unter der Rubrik " Länder ohne jede Zukunft"



    leider ich weiß von was ich spreche.