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Bayerns Ausstieg aus der KohleNa servus, geht doch!

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Vor dem Abschalten der Kohlekraftwerke wurde viel gewarnt – auch aus Bayern. Jetzt stellt das letzte Kraftwerk dort den Regelbetrieb ein.

Schon immer waren bayrische Gedanken zu Energiepolitik etwas verkniffen und verklemmt Foto: Tobias Schwarz/Reuters

R egenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4% unseres Strombedarfs decken“, das behauptete die deutsche Stromwirtschaft in einer Anzeigenkampagne im Sommer 1992. Heute sind es bereits etwa 60 Prozent. „Wirtschaftsminister warnt vor Strom-Knappheit“ titelten Zeitungen vor 17 Jahren, zuständig war damals Michael Glos (CSU), der sich auf „eine Studie“ stützte und den Bau neuer Kohlekraftwerke anmahnte.

„Wir können nicht gleichzeitig aus Kohle und Kernenergie aussteigen“ – so argumentierte die CSU, als die Atomkraftwerke noch liefen. Die sind seit Frühjahr 2024 vom Netz, und trotzdem stellte jetzt das letzte Kohlekraftwerk in Bayern seinen Regelbetrieb ein. Stromlücke, Kurzschluss, Dunkelflaute, Stromausfall: Die Erzählung der fossilen Lobby griff zu immer neuen Tricks, um die Energiewende zu torpedieren.

Eingetroffen sind die Szenarien bislang nie, im Gegenteil, die Zahl der Stromausfälle ist gesunken, die Erneuerbaren tragen massiv zur Senkung der Börsenstrompreise bei und fördern die Wertschöpfung vor Ort, weil weder russische Kriegstreiber noch fragwürdige Scheichs für Kohle oder Erdgas bezahlt werden müssen.

Leider gab und gibt es Medien, die diese fossile Erzählung mittragen: Die FAZ forderte „Freispruch für CO2 – Revision der Energiewende“ [Wie überraschend!; d. säzzer], der Focus enthüllte, warum die globale Erwärmung „gut für uns“ ist, die Bild meint, die Klima-Katastrophe sei „Panikmache der Politik“. Der Spiegel druckte ein goldenes Verlängerungskabel auf seinem Titel ab.

Das zeigt, dass sich die Energiewende trefflich zur Polemik eignet, die auch in diesem Wahlkampf reichlich Platz gefunden hat. Natürlich ist unsere Stromversorgung ein hoch komplexes System und natürlich wird dieses noch komplexer, wenn viele kleine klimafreundliche Kraftwerke wenige große ersetzen. Der Ausstieg jetzt in Bayern zeigt aber wie schon die Entwicklung in den letzten Jahren: Populisten obsiegen nicht, die Ingenieure leisten ganze Arbeit und wir können frohen Mutes in die klimafreundliche Zukunft blicken.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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10 Kommentare

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  • Der Energiemarkt ist ein europäisches und kein deutsches. Was kann man daran nicht verstehen das wir in Europa das stabilste Netz der Welt haben und das auch bleiben wird. Ich finde Menschen Angst zu machen die das ganze nicht verstehen können, die Menschen die politischen Lügen nicht zu durchschauen, schon bitter! So viel zur Bildung bei uns, jetzt wisst ihr wieso die Bildung gegen die Wand gefahren wird, damit Menschen dumm gehalten werden können, und man ihnen mit Angst eine Dunkelflaute verkaufen kann. Das lustige war vor drei Jahren, wieso laufen bei uns die ganzen Gaskraftwerke, ja weil wir Frankreich geholfen haben, wo die ganzen Atomkraftwerk in Frankreich still gestanden haben wegen mangelnder Kühlung, weil das Kühlwasser von den akw's die aus Flüssen entnommen wurde zu warm war ( Klimakatastrophe ). Das größte Problem bei uns ist mangelnde Bildung und mangelndes Problembewusstsein, bei mangelnder Intelligenz!

  • Mal sehen, wann Söder das Kraftwerk umarmt.

  • Könnte man den Wind den die CSU Politiker*innen machen, in Energie umwandeln, dann hätte ganz Europa kostenlosen Strom.

    • @Perkele:

      Wärme obendrein, denn: viel heiße Luft.

  • Die Energiewende zeigt, wie falsch die fossile Lobby lag: Statt Stromlücke gibt es stabile Netze, sinkende Preise und weniger Abhängigkeit von fragwürdigen Lieferanten. Bayern steigt aus der Kohle aus – ein klares Zeichen, dass Klimaschutz und Versorgungssicherheit Hand in Hand gehen. Ingenieur*innen machen’s möglich, trotz aller Panikmache. Weiter so!

    • @Heiko W.:

      Bekommen Sie auch schon Geld für den Stromverbrauch?

  • " natürlich wird dieses noch komplexer, wenn viele kleine klimafreundliche Kraftwerke wenige große ersetzen. "

    Ach, dieser Optimismus. Wie können denn "viele kleine klimafreundliche Kraftwerke" die wenigen großen ersetzen wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint? Im Moment beträgt der Stromverbrauch 59,55 GWh/h, davon erneuerbare 42%. konventionell 52%, Importe 6%. Da können die Ingenieure auch schlicht garnichts dran machen. Was im Moment passiert ist dass Kohlekraftwerke zu teuer werden und wir dafür Atomstrom aus F und BE importieren. Aber, das ist ja genau so wie mit dem Fracking-Gas. Wenn das fracking in den USA passiert, dann ist es irgendwie was anderes und nicht so schädlich.

    • @Gerald Müller:

      Das ist kein Problem. Wenn es hart auf hart kommt, haben wir wieder ein bis zwei grosse AKW am Netz, nur stehen die nicht mehr bei uns. Wir sind einfach grossartig!

    • @Gerald Müller:

      Ehrlicherweise finde ich diesen Optimismus gerade mal sehr schön. :-)



      Weil er auch zeigt, wie weit wir tatsächlich trotz all der vorhandenen Defizite schon gekommen sind.

      Und nein, niemand ignoriert die Tatsachen, das massive Überkapazitäten für die Anlandung von bis dato verpönten oder sogar verbotenen klimaschädlichen Frackinggases gegen die Interessen der Bevölkerung durchgesetzt wurden.



      Gegen den ausdrücklichen Rat von Expertinnen wie zB Fr Kemfert.

      Im Gegenteil: Es gab und gibt dagegen massiven Protest.



      Und das ist gut so.

      Weil es uns darauf vorbereitet, das die Abhängigkeit von Trump vermutlich mindestens genauso schlimm sein wird wie die von Putin.

  • Man möchte meinen so lange wie mancher Politiker schon in einem Parlament sitzt sollte allein mit dem Blick zurück klar werden dass die Gegenwart eine ganz andere geworden ist und man für Zukunft andere Weichen setzen muss. Von der Energie, über Familienkonstellationen, Einwanderung oder eben auch die Unterstützung der Ukraine wo wir jetzt endlich vollen Einsatz zeigen müssen.