Bayerns Ausstieg aus der Kohle: Na servus, geht doch!
Vor dem Abschalten der Kohlekraftwerke wurde viel gewarnt – auch aus Bayern. Jetzt stellt das letzte Kraftwerk dort den Regelbetrieb ein.
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R egenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4% unseres Strombedarfs decken“, das behauptete die deutsche Stromwirtschaft in einer Anzeigenkampagne im Sommer 1992. Heute sind es bereits etwa 60 Prozent. „Wirtschaftsminister warnt vor Strom-Knappheit“ titelten Zeitungen vor 17 Jahren, zuständig war damals Michael Glos (CSU), der sich auf „eine Studie“ stützte und den Bau neuer Kohlekraftwerke anmahnte.
„Wir können nicht gleichzeitig aus Kohle und Kernenergie aussteigen“ – so argumentierte die CSU, als die Atomkraftwerke noch liefen. Die sind seit Frühjahr 2024 vom Netz, und trotzdem stellte jetzt das letzte Kohlekraftwerk in Bayern seinen Regelbetrieb ein. Stromlücke, Kurzschluss, Dunkelflaute, Stromausfall: Die Erzählung der fossilen Lobby griff zu immer neuen Tricks, um die Energiewende zu torpedieren.
Eingetroffen sind die Szenarien bislang nie, im Gegenteil, die Zahl der Stromausfälle ist gesunken, die Erneuerbaren tragen massiv zur Senkung der Börsenstrompreise bei und fördern die Wertschöpfung vor Ort, weil weder russische Kriegstreiber noch fragwürdige Scheichs für Kohle oder Erdgas bezahlt werden müssen.
Leider gab und gibt es Medien, die diese fossile Erzählung mittragen: Die FAZ forderte „Freispruch für CO2 – Revision der Energiewende“ [Wie überraschend!; d. säzzer], der Focus enthüllte, warum die globale Erwärmung „gut für uns“ ist, die Bild meint, die Klima-Katastrophe sei „Panikmache der Politik“. Der Spiegel druckte ein goldenes Verlängerungskabel auf seinem Titel ab.
Das zeigt, dass sich die Energiewende trefflich zur Polemik eignet, die auch in diesem Wahlkampf reichlich Platz gefunden hat. Natürlich ist unsere Stromversorgung ein hoch komplexes System und natürlich wird dieses noch komplexer, wenn viele kleine klimafreundliche Kraftwerke wenige große ersetzen. Der Ausstieg jetzt in Bayern zeigt aber wie schon die Entwicklung in den letzten Jahren: Populisten obsiegen nicht, die Ingenieure leisten ganze Arbeit und wir können frohen Mutes in die klimafreundliche Zukunft blicken.
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