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Nichts als SchuldenBraunlage nicht zu retten

Der Touristenort im Harz kann den Zukunftspakt nicht einhalten, den der zur Gesundung seiner Finanzen mit Niedersachsen geschlossen hat.

Die Schneekanone bringt Schnee - aber kaum Steuern. Bild: dpa

BRAUNLAGE taz | Der Tourismus boomt und Braunlage hat nichts davon – zumindest nicht die Kommune. Wie jetzt bekannt wurde, kann die Stadt im Oberharz den Zukunftsvertrag nicht einhalten, den sie 2010 mit dem Land Niedersachsen geschlossen hat und der ihre Finanzen sanieren sollte. Es hat auch nicht geholfen, dass der Harz einen schneereichen Winter erlebte und das neue Skigebiet am Wurmberg Scharen von Sportlern angezogen hat. Denn so paradox es klingt: Braunlage braucht die Touristen, kann aber nicht von ihnen leben.

Braunlage gehört zu den ersten Städten, die das Angebot der damaligen schwarz-gelben Landesregierung angenommen hatten, einen Zukunftsvertrag zu schließen. Im Gegenzug zu der Fusion mit der Gemeinde St. Andreasberg erhielt die Kommune fast neun Millionen Euro Prämie, um ihre Altschulden abzubauen. Zugleich sollte die Fusion Kosten sparen und es der neuen Gemeinde ermöglichen, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.

Daraus ist nichts geworden: Der aktuelle Haushaltsvorschlag sieht ein Defizit von 2,4 Millionen Euro vor – 1,4 Millionen mehr als nach dem Zukunftsvertrag zulässig. Der gesamte Haushalt umfasst 14 Millionen Euro.

Nach Auffassung des Bürgermeisters war der Zukunftsvertrag von vornherein zum Scheitern verurteilt. Braunlage habe einen der ersten Verträge mit dem Land abgeschlossen. „Bei uns wollte man nicht wahr haben, dass dauerhaft Zuschüsse nötig sein werden“, sagt er.

Auf Schnee gebaut

Die Einwohnerschaft Braunlages ist seit der Fusion 2011 von 6.200 auf 6.000 gesunken.

Das neue Skigebiet am Wurmberg ist 2013 eröffnet worden. Mehr als acht Millionen Euro investierte die Wurmberg Seilbahn GmbH, zwei Millionen kamen vom Land und der EU. Dazu kamen weitere Investitionen von der Stadt.

An der Seilbahngesellschaft ist die Stadt über ihre Tourismus-Gesellschaft zu 17 Prozent beteiligt und soll zu deren Finanzierung beitragen. Im ersten Jahr musste die Gesellschaft allerdings 100.000 Euro Miese ausgleichen.

120 Schneetage wären für die Seilbahn optimal, 70 sind zum Überleben nötig. In der vergangenen Saison waren es 40, in der laufenden werden es mehr als 90 werden.

In den vergangenen vier Jahren sei die Einwohnerschaft und damit das Steueraufkommen um 200.000 Euro geschrumpft. Dazu komme die schwierige topografische Lage mitten im Gebirge. Die Ortsteile Braunlage, St. Andreasberg und Hohegeiß liegen zwölf Kilometer auseinander, sodass sich Einrichtungen wie Kindergärten oder Feuerwehren nicht zusammenlegen ließen. Braunlage müsse die Infrastruktur für Touristen vorhalten, die ein Vielfaches der Einwohnerschaft ausmachen und habe keine Möglichkeit, Betriebe anzusiedeln. „Wir sind von Naturschutzgebieten eingekreist“, sagt Grote.

Nur in St. Andreasberg gebe es einen produzierenden Betrieb, der 800.000 bis 900.000 Euro Gewerbesteuer einbringe. Das Gros der touristischen Betriebe sei zu klein, um viel Geld in die Kasse zu spülen. Und auch das neue Skigebiet am Wurmberg helfe dem städtischen Haushalt nicht auf die Beine. „Der Rückfluss ist für die kleinteilige Unternehmensstruktur gut“, sagt Grote, „aber für die Kommune bildet sich das nicht ab.“

Trotzdem findet der Bürgermeister, die weit über eine Million Euro, die die Stadt in das Skigebiet investiert hat, seien sinnvoll ausgegebenes Geld – „weil es sich abzeichnet, dass es ein voller Erfolg wird“. Wegen der Beschneiungsanlagen könne man zurzeit in Braunlage immer noch Skifahren.

Der CDU-Fraktionschef Albert Baumann, über lange Jahre selbst Bürgermeister, schätzt die Lage ähnlich ein wie sein Nachfolger – wobei er einflicht, dass dieser etwas weniger leichtfertig mit Geld umgehen könnte. Er betont, dass die Investition in das Skigebiet keinesfalls für die Haushaltsmisere verantwortlich ist. Investiert hätten ja die städtischen Betriebe. „Es gibt nicht einen Euro, der dabei an roten Zahlen im Haushalt anfällt“, sagt Baumann. Die Investition habe zu einem „stattlichen Aufschwung“ geführt.

„Wir haben in der Region Probleme, die sind nicht wegzudiskutieren“, sagt Dirk Lienkamp, Sprecher des Landkreises Goslar. Der Kreis hat die Kommunalaufsicht über Braunlage und muss dessen Haushalt genehmigen. Der Landkreis selbst habe seinen Zukunftsvertrag mit dem Land eingehalten, sagt Lienkamp.

Auch wenn Braunlage den Vertrag nicht einhalten könne, dürfe es das Fördergeld behalten, teilt das Innenministerium mit. Die Gemeinde sei aber verpflichtet, dessen Ziele „mittelfristig wieder anzustreben und zusammen mit der Aufsicht nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen“.

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2 Kommentare

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  • Dass der Bürgermeister die Schuld bei der Einkreisung durch Naturschutzgebiete sucht, wundert mich nicht. Leider steht er damit in einer langen Reihe von Investoren, regionaler Presse und leider auch vielen Bürgern, die immer noch nicht verstanden haben, dass nur der Natur- und Umweltschutz die Interessen der Braunlager nachhaltig sichern können.

  • Dass jemand, der "dauerhaft Zuschüsse nötig" haben wird, besonders "zukunftsfähig" ist, finde ich nicht. Einseitige Abhängigkeiten sind nie gut für eine Entwicklung. Sie machen nämlich dumm und träge.

     

    Schwarz-Gelb hat (wie Rot-Grün) jahrzehntelang die Wirtschaftswerdung der Gemeinwesen propagiert. Alles und jeder, von der Kinderkrippe übers Schwimmbad oder das Theater bis hin zum Skigebiet oder zum Krankenhaus, sollte "sich rechnen", und zwar betriebs-, nicht volkswirtschaftlich. Für sich allein also, nicht im Gesamtkontext. Das konnte und das kann nicht funktionieren.

     

    Die private Wirtschaft und das öffentliche Gemeinwesen funktionieren (wenn sie denn funktionieren) nach völlig unterschiedlichen Prinzipien. So ähnlich, wie die Kirchen und Demokratie. Bis heute allerdings haben wir aus Gründen der privaten Macht nicht einmal die Trennung von Staat und Kirchen wirklich hinbekommen. Dass also über die Trennung zwischen Staat und Wirtschaft auch nur ernsthaft nachgedacht wird in den nächsten 20 oder 30 Jahren, erwarte ich erst einmal nicht. Zuvor wird wahrscheinlich mal wieder eine allgemeine Ignoranz in den Ruin führen müssen. Und zwar gleich beide: Staat und Wirtschaft. In Niedersachsen ebenso wie in allen anderen Bundesländern.