Ngozi Okonjo-Iweala: Eine Frau, die Hoffnung bringt
Die Welt feiert die neue WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala. Zum ersten Mal steht eine Schwarze Frau an der Spitze. Aber was kann sich dadurch verändern?
D ie neue WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala wurde groß bejubelt, seit sie am 15. Februar gewählt wurde. Zum ersten Mal eine Frau und „endlich Afrika“ schrieb die spanische Zeitung El País. Auch fast alle deutschen Medien brachten die Nachricht, dass jetzt alles anders wird. Mit Fotos, die diese Botschaft ebenfalls transportieren: eine Schwarze Frau an der Spitze der WTO, in traditioneller nigerianischer Kleidung, bunt, gemustert, mit Kopftuch.
Bei der WTO läuft es nicht besonders gut: Schon vor einem Jahr ist der bisherige Generaldirektor zurückgetreten. Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seit sich die Mitgliedsstaaten zuletzt auf ein Handelsabkommen einigen konnten. Der Welthandel bleibt in Sachen Gerechtigkeit ein Problem: Weiterhin profitiert vor allem der globale Norden. 99 Prozent der Verträge im weltweiten Beschaffungswesen halten Männer – „und kontrollieren folglich 99 Prozent des internationalen Handels“, schreibt die Ökonomin Linda Scott.
Ngozi Okonjo-Iweala ist für viele eine Projektionsfläche: als Vorbild und Hoffnung für Frauen und Mädchen und Schwarze Menschen und den globalen Süden. Es war ausgerechnet Trump, der die Wahl von Okonjo-Iweala blockierte und Biden, der sie ermöglichte. Womit auch die Männer aus dem Norden nun zeigen können: Schaut her, die Dinge verändern sich, und wir gehören zu den Guten.
Nur war es leider bisher nie so, dass eine Frau an der Spitze ausreichte, dass es sämtlichen Frauen darunter besser ging. Die Wissenschaftlerin und Aktivistin Vandana Shiva nannte die WTO ein „institutionalisiertes kapitalistisches Patriarchat globaler Dimension“.
Wohlstand, Widerstandskraft, Wachstum
Beim Gipfel der WTO im Jahr 2017 in Buenos Aires billigten 118 Mitgliedsstaaten eine Erklärung, deren Ziel es ist, mehr Frauen in den Welthandel zu integrieren. Eine Arbeitsgruppe, die deren Umsetzung vorantreiben soll, gibt es erst seit sechs Monaten.
Kann eine Institution wie die WTO in diesem Welthandelssystem überhaupt für mehr Gerechtigkeit sorgen? Vandana Shiva sagt: Nein. Sie sprach sich 2017 gegen die Erklärung aus und warnte davor, dass Frauen als „trojanisches Pferd dienen, um ein System auszuweiten, das Leben […] zerstört“.
Die Oxford-Ökonomin Scott widerspricht: „Wir können auf eine Weltordnung ohne Probleme warten, ehe wir die Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern adressieren. Oder wir können Frauen jetzt zur Priorität machen“, auch in einer Institution wie der WTO.
Für deren Chefin Okonjo-Iweala ist die Sache klar: „Handel ist wichtig für Wohlstand, Widerstandskraft und nachhaltiges Wachstum, und die WTO ist zentral dafür“, sagte sie. „Wenn wir die WTO nicht hätten, müssten wir sie erfinden.“ Zur Priorität gemacht hat sie Frauen bisher nicht. Das ist enttäuschend. Aber auch unfair, sie qua ihrer Person daran stärker zu messen als ihre Vorgänger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste