Neuwahl in Israel: Absurdes Theater
Korruption und Verrat, persönliche Animositäten und null Inhalte: In Israel wird Anfang März wieder gewählt.
V erfolgt man das derzeitige Ringen um eine Regierungsbildung in Israel, könnte man sich in einem absurden Theaterstück glauben. Am 2. März werden die Israelis wieder an die Urnen gehen – zum dritten Mal innerhalb eines Jahres.
Einer der Protagonist*innen: der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, angeklagt wegen Betrugs, Bestechung und Untreue. Man sollte meinen, unter diesen Umständen liege der Rücktritt nah, auch um den Weg zu einer Einheitsregierung frei zu machen. Doch Netanjahu scheint mehr darauf bedacht, seine eigene Haut zu retten, als Neuwahlen zu verhindern. Er bestätigte mehrfach, nur im Falle eines Schuldspruchs zurücktreten zu wollen.
Selbst wenn man diese absurde Tatsache akzeptiert, könnte man doch davon ausgehen, dass ein Ministerpräsident, der zweimal an der Regierungsbildung gescheitert ist und angeklagt ist, keine Chance hat, wenn es zu parteiinternen Vorwahlen kommt. Doch der Likud hält zu ihm, abgesehen von einigen Abtrünnigen rund um Gideon Saar, Netanjahus Herausforderer um den Parteivorsitz. „Verräter“ nennt man Saar und seine Unterstützer*innen seitdem. Umfragen ergeben, dass Netanjahu bei Vorwahlen trotz aller Skandale gegen Saar gewinnen würde.
Das Theater geht weiter mit Avigdor Lieberman von der Partei Unser Haus Israel. Mit seiner Weigerung, mit religiösen Parteien in einer Regierung zu sitzen, hat er eine Mehrheit des rechtsreligiösen Blocks verhindert. Für Netanjahu Grund genug, Lieberman, den rechten Hardliner, der gegen Araber*innen hetzt und im Übrigen selbst 2012 wegen Betrug und Vertrauensbruch angeklagt und später freigesprochen wurde, als Linken zu diffamieren. Und zwar so nachdrücklich, dass man fast selber schon daran glaubt.
Inhalte sucht man vergebens
Überhaupt geht es in den letzten Monaten in erster Linie um persönliche Animositäten und persönliche Interessen, die mittels Diffamierung und Schuldzuweisungen ausgefochten werden. Inhalte sucht man in der politischen Debatte vergebens. Soziale und ökonomische Fragen sind von der Bildfläche verschwunden. Politisch fischt Netanjahu in Gewässern, die ganz weit rechts außen liegen. Immer wieder spricht er von einer Annexion des Jordantals. Man munkelt, er wolle dies zu seinem politischen Erbe machen. „Vor ein paar Jahrzehnten wollten die Politiker*innen in diesem Land mit Frieden in die Geschichte eingehen“, kommentieren einige Linke derzeit und lachen nicht, wenn sie ergänzen: „Heute mit Annexion.“
Man fragt sich, wo die Proteste bleiben. Einige Hunderte versammeln sich seit zwei Wochen in Jerusalem und Tel Aviv und rufen: „Bibi muss weg!“ Aber wo bleibt der große Aufschrei, die Rebellion?
Laut einer Umfrage des Fernsehsenders Channel 13 würde Blau-Weiß im Fall von Neuwahlen 37 Sitze gewinnen, Likud lediglich 33. Vor allem aber würde erneut keines der Lager eine eigene Mehrheit zustande bringen. Wie sagte Brecht, der mit absurdem Theater nicht viel am Hut hatte? „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
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