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Neureuthers Start am Mittwoch fraglichBagatellisierte Unfallfolgen

Der Olympiastart von Felix Neureuther ist dem Ski-Verband scheinbar wichtiger als dessen Gesundheit. Der Rennläufer bricht derweil das Training ab.

Ist wie „ein Roboter unterwegs“: Felix Neureuther beim Training in Sotschi am Montag. Bild: dpa

SOTSCHI taz | „Das Wetter und die Schneebedingungen sind eigentlich so wie sie den ganzen Weltcup hindurch auch waren.“ Regen und weiche Pisten sind derzeit wirklich das kleinste Problem für Felix Neureuther, der sich am Sonntagabend arg steif der Presse in Sotschi präsentiert hat.

„Von dem her dürfte es also keine größeren Probleme geben.“ Zwei geprellte Wirbel, ein Schleudertrauma, ein gezerrter Bandapparat und ein Ermittlungs-verfahren wegen Fahrerflucht. Das ist es, was Felix Neureuther – „ich bin kein Schwerverbrecher“ – aus Bayern nach Russland mitgebracht hat. Der Unfall, den er am Freitag auf dem Weg zum Flughafen gebaut hat, steckt noch in Körper und Gehirn.

„Man ist wie ein Roboter unterwegs und fühlt sich ein bisschen damisch“, sagt er. Den Hals bewegen konnte er noch nicht am Sonntag. Wollte er sich umschauen, dann musste er schon sein gesamtes Gestell drehen. Mit dem Skifahren wollte er es zumindest probieren.

„Da muss man sich ja nicht so umschauen“, sagte er. „Von dem her sollte das kein Problem sein.“ Der 29-Jährige Scherzkeks aus Garmisch-Partenkirchen, der sich via Facebook bei der Leitplanke, gegen die er gefahren ist, entschuldigt hat („Tut mir Leid Planke“), erinnerte an die zahlreichen Verletzungen, mit denen er in seiner Karriere schon gefahren ist.

Erleichterte Teamkollegen

Zuletzt hatte er Rückenprobleme und hat deshalb den letzten Riesenslalom vor dem Spielen in St. Moritz ausfallen lassen. „Die Probleme sind nach oben gewandert“, sagte er. „Von dem her hat sich nicht viel geändert.“ Seine beiden Teamkameraden, Fritz Dopfer und Stefan Luitz, die wie Neureuther für Starts im Riesenslalom und Slalom vorgesehen sind, zeigten sich erleichtert, dass der Unfall letztlich so glimpflich ausgegangen ist und ihr „Kapitän“ (Luitz) jetzt wieder da ist. „Von dem her ist es schon einmal gut“, sagt Dopfer.

Neureuther war in München durchgecheckt und in alle verfügbaren Geräte reingeschoben worden. Die Ärzte haben dann grünes Licht für den Start gegeben. Anders hätten sie nur entschieden, wenn etwa ein Wirbel angebrochen wäre. Dann wäre das Risiko bei einem Sturz zu hoch gewesen, meint Karlheinz „Charly“ Waibel, der Trainer des deutschen Herrenteams. „Letztendlich liegt die Entscheidung jetzt beim Sportler“, sagte er.

Die Ärzte haben also jenen bemitleidenswert steifen Mann, dem anzusehen ist, dass ihm etwas weh tut, für gesund erklärt und schicken ihn ohne Bedenken in die Wettkämpfe. Jetzt will Neureuther sehen, wie es mit dem Skifahren klappt. Am Montag drückte er sich noch vor dem Kontakt mit den Stangen und ist nur frei gefahren. Letztlich musste er das Training sogar abbrechen: „Es ist mir wie aus dem Nichts in den Nacken geschossen. Es war sehr schmerzhaft.“ Sein Start beim Riesenslalom am Mittwoch gilt damit als unwahrscheinlich, womit der Fokus auf dem Slalom am Samstag liegen dürfte.

„Aber wenn ich an den Start gehe, dann gibt es keine Ausreden“, stellte Neureuther klar. Zu viel riskieren will er aber nicht. „Ich Slalom habe ich dann doch die größeren Chancen“, weiß er. „Es auf Biegen und Brechen zu versuchen, macht von dem her wenig Sinn.“ Eines jedenfalls fürchtet der Garmisch-Partenkirchener gewiss nicht mehr: den Medienrummel.

Viel zu malad

Nach seinem Unfall habe man ihn regelrecht durch die Münchner Innenstadt verfolgt. Nach seiner Silbermedaille bei der WM in Schladming im vergangenen Jahr sei es ruhiger zugegangen. „Auch wenn du Doppelolympiasieger wirst, ist weniger los“, ist er sich sicher. Nun ja, Doppelolympiasieger wird er schon nicht werden. Dazu ist Neureuther viel zu malad. Doch starten muss er.

Der Verband, der im Männerbereich neben Neureuther, Dopfner und Luitz, nichts zu bieten hat, braucht den kranken Mann und hat sich von den Ärzten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen lassen. „Bis jetzt ist das alles ganz smooth gelaufen“, sagt Trainer Waibel und bagatellisiert die Unfallfolgen regelrecht.

Neureuther selbst spricht von dem Glück, das er gehabt habe und erinnert an die russische Skicrosserin Maria Komissarowa, die sich bei einem Sturz eine Brustwirbel gebrochen hat und nach einer Operation in Krasnaja Poljana zur weiteren Behandlung nach München geflogen worden ist. „Es gibt also Schlimmeres im Leben“, sagte Neureuther.

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2 Kommentare

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  • A
    amsoc

    von dem her ist dem nichts mehr hinzuzufügen...

  • M
    miri

    Ein unwürdig-verzweifeltes Schauspiel. Er wird den Lauf abbrechen, sich die Gesundheit endgültig ruinieren... Und wer bekommt dann die Schuld? Die Ärzte, die Trainer, der Verband, die Medien, die unbedingt Gold sehen wollen -- oder doch nur wieder der Sportler? Mein Vorschlag: Putin.