Neurechtes Magazin „Cato“: Die Grenzen der Szene ausweiten
Das Magazin „Cato“ will im Schatten der neuen Rechten weiter in die Mitte der Gesellschaft ausstrahlen – darauf weisen Autoren und Anzeigen hin.
Rechtes Bildungsbürgertum, das ist das Zielpublikum des neurechten Magazins Cato. Die engen Szenegrenzen weitet die Redaktion aus. Die „Neue Rechte“, das ist in der öffentlichen Wahrnehmung das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) um Götz Kubitschek und Ellen Kositza mit ihren Akademien, ihrer Zeitschrift Sezession und ihrem Hang zur Selbststilisierung.
Im Schatten dieser Wahrnehmung scheint Cato – „Magazin für neue Sachlichkeit“ weiter in die Mitte der Gesellschaft auszustrahlen. Nicht nur, weil das rund 100-seitige Magazin des Chefredakteurs Andreas Lombard und des ständigen Mitarbeiters Karlheinz Weißmann am Bahnhofskiosk erworben werden kann.
In der aktuellen Ausgabe findet sich ein Interview mit dem früheren Kultusminister von Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb. Der ehemalige SPD-Minister unterhält sich mit Weißmann über Bildungspolitik. Der Anlass ist das von Katja Koch und Brodkorb veröffentlichte Buch „Der Abiturbetrug“. Auf sieben Seiten beklagt Brodkorb, dass im Bildungswesen „eine Gerechtigkeit vorgespielt“ werde.
Der Kritiker der Bologna-Bildungsreform erklärt, dass „unser Dilemma ja ist, dass wir heutzutage glauben, dass alle Menschen von Natur aus frei und begabt sind“; dass „der Verzicht auf Leistung“ in Ungerechtigkeit umschlage, weil die wirklich Leistungswilligen und -fähigen unsichtbar würden. Eine Aussage, die bei Weißmann, bis vor Kurzen noch Oberstudienrat an einem niedersächsischen Gymnasium, nicht auf Widerspruch stößt.
Normalisierung der Neurechten durch die Mitte
Das Interview im neurechten Magazin, das seit 2017 alle zwei Monate erscheint, überrascht nicht ganz. Seit Jahren inszeniert sich Brodkorb in „der Rolle des Neue-Rechte-Verstehers“, sagt David Begrich, Rechtsextremismusexperte von Miteinander e. V. aus Sachsen-Anhalt. „Seine Inschutznahme neurechter Positionen unter dem Label des Konservatismus wertet ein politisches Milieu auf, in dem einem autoritären Dezisionismus das Wort geredet und die liberale Demokratie als dekadent denunziert wird“, so Begrich.
Diesen Flirt mit Cato – verkaufte Auflage über 8.200 Exemplare – führen auch andere renommierte Personen aus der besten Mitte der Gesellschaft. In der genannten Ausgabe ist auch ein Beitrag von Philip Plickert, Redakteur der FAZ und Wirtschaftskorrespondent in London. Regelmäßiger Autor ist Norbert Bolz, Medienwissenschaftler an der TU Berlin und im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsrats der CDU.
Die Autorenschaft des Zeitungsprojekts aus dem Umfeld der Jungen Freiheit und der „Bibliothek des Konservatismus“ bewegt sich offensichtlich nicht bloß in einen Zitierkartell wie beim IfS-Milieu, zu dem es aber auch Überschneidungen gibt.
Fragwürdiges Anzeigengeschäft
In dem Magazin legen zudem die Werbekunden eine erweiterte Akzeptanz nahe. Reiseanbieter SenfkornReisen wundert sich über die Anfrage der taz: „Wir machen keine Politik, sondern organisieren seit Jahren anspruchsvolle Reisen und Begegnungen zu unseren östlichen Nachbarvölkern, mit denen wir vor allem Bildungsbürger ansprechen wollen.“
Keine Stellungnahme auf Nachfrage erfolgte von Thomas R. J. Hoyer, Unternehmer aus Hamburg. Immer wieder ist er mit Bild und Zitaten präsent wie: „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich die Globalisierung und das Bekenntnis zur Nation nicht widersprechen.“
2018 überreichte der Hamburger Oberbürgermeister Peter Tschentscher dem Chairman der Hoyer Group den Gründungspreis für sein Lebenswerk. Regelmäßig wirbt auch Max Otte Vermögensbildungsfonds. Otte ist CDU-Mitglied und Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Er spricht sich für eine Koalition von CDU und AfD aus.
Mit Lombard und Weißmann hat er gemein, sich vehement gegen die Positionen des Thüringer AfD-Landtagsfraktionschefs Björn Höcke starkzumachen. Die Herren befürchten die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Im August/September-Heft beklagte Lombard im Editorial die „Cancel Culture“ und warnte, dass sich der „Kampf gegen strukturellen Rassismus'“ zu einer „ernsthaften Gefahr für das staatliche Gewaltmonopol“ auswachse.
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