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Neukölln-UntersuchungsausschussKein Briefing im Fall Bektaş

Der Mord an Burak Bektaş vor 12 Jahren ist bis heute unaufgeklärt. Die heute zuständige Hauptkommissarin gibt sich bei ihrer Anhörung zugeknöpft.

Gedenken an den 2012 in Neukölln mit 22-Jahren ermordeten Burak Bektaş Foto: Olaf Wagner/Imago

Berlin taz | Eine Übergabe vom vorherigen Ermittlungsleiter Alexander H. habe es nicht gegeben, sagt Marianne E. zum Mordfall Burak Bektaş. Seit 2020 ist E. die für den Fall zuständige Hauptkommissarin im Landeskriminalamt. Am Freitag wird sie im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum sogenannten Neukölln-Komplex als Zeugin befragt. Es ist schon die zweite Sitzung, die sich mit dem bis heute unaufgeklärten Mord an Bektaş beschäftigt.

Insgesamt 72 Fälle werden bislang der rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln zugerechnet. Einer davon ist der Mord an Bektaş. In der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 wurde er in der Rudower Straße im Neuköllner Ortsteil Buckow erschossen, er stand mit vier Freunden vor einem Wohnhaus. Bektaş starb an einem Schuss durch die Lunge, zwei seiner Freunde wurden durch die Schüsse schwer verletzt.

Zwölf Jahre später ist der Täter noch immer unbekannt, die Ermittlungen der Polizei führten zu keinem Ergebnis. Wie bei so vielen Fällen im Zusammenhang mit dem Neukölln-Komplex. Und genau damit befasst sich der Untersuchungsausschuss dann auch zuvorderst: dem Handeln, vor allem aber den Versäumnissen und den Fehlern der Berliner Sicherheitsbehörden.

Auch die Befragung von Marianne E. im Untersuchungsausschuss sollte helfen, Licht ins Dunkel der Ermittlungsprozesse zu bringen. E. berichtet, sie habe mit dem Fall Bektaş bereits direkt am Tag nach der Tat zum ersten Mal zu tun gehabt, damals noch als Sachbearbeiterin und zweite Tatortbeamte. Sie habe zwei Zeu­g:in­nen befragt, sei aber nicht weiter in die Tatkomplexe eingebunden geweses. Zuständig sei sie für den Fall aber nun mal erst seit 2020 – mit besagter Nicht-Übergabe durch Vorgänger Alexander H.

Eine nicht sonderlich redefreudige Zeugin

Marianne E. zufolge seien ihr lediglich die Fallakten übergeben worden, außerdem habe es ein Telefongespräch wegen einer Datensache gegeben. Mehr nicht. Mit anderen Worten: Eigentlich musste sich E. alles selbst aus den Akten erarbeiten. Viele Dinge seien daraus nicht nachvollziehbar gewesen.

Die Hauptkommissarin zeigt sich im Ausschuss alles in allem nicht sonderlich redefreudig, bisweilen auch nervös. Eine schwierige Zeugin. Auf die Nachfrage der SPD-Abgeordneten Wiebke Neumann etwa, warum es keine Einführung gegeben habe, verweist E. lediglich auf die einzelne Datenrückfrage.

Als auch Niklas Schrader, der Innenexperte der Linksfraktion, auf eine Antwort beharrt und betont, dass eine intensive Übergabe in einem solchen Fall wie bei Bektaş doch normal sein müsste, sagt E., es habe bei ihr kein Bedarf bestanden, sich weiter mit ihrem Vorgänger H. auszutauschen. Außerdem sei der Vorgänger zu dem Zeitpunkt bereits in einer anderen Dienststelle gewesen.

Auf Schraders Frage, ob nach den verheerenden Erkenntnissen beim NSU-Fall nicht etwas mehr Sensibilisierung erwarten sollte bei einem Fall, bei dem ein politisches Motiv im Raum steht, weicht E. aus. „Dazu kann ich keine Annahmen machen“, sagt sie. Ein Satz, der am Freitag mehrfach von ihr zu hören ist. Ein anderes Wort, das an diesem Tag von der Hauptkommissarin oft zu hören ist: komplex.

Zwar wird rasch klar, dass E. mit Blick auf die Untersuchungen zum Mord an Burak Bektaş seit 2020 mehr unternommen hat als ihr Vorgänger. Wer von ihr weiter reichende Aufschlüsse zu dem Fall erwartet haben sollte, wurde enttäuscht.

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3 Kommentare

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  • @DIMA

    Alles Zufall. Einzelfälle. Na klar.

    Schlagseite? Bei den Behörden? Niiiiie.

    • @tomás zerolo:

      Tja, genau das kann nicht festgestellt werden, wenn nicht die richtigen Fragen gestellt werden.

  • Es werden einfach die falschen Fragen gestellt. Fraglich ist doch, ob es bei der Polizei üblich ist, im Falle von Zuständigkeitswechseln überhaupt ordentliche Übergaben zu machen. Meine Einschätzung dazu lautet eher wohl nein. Wäre das der Fall, dann wäre dies nichts fallspezifisches.

    Wenn also schon nicht die richtigen Fragen gestellt werden, wozu braucht es dann noch einen Untersuchungsausschuss?