Neues Talkshowformat bei „funk“: Gesittet und divers
In „Karakaya Talk“ wird künftig wöchentlich über Pop und Politik diskutiert. Es sollen Menschen zu Wort kommen, die sonst nicht gehört werden.
Knapp einen Monat ist es her, da wurden vier Talkshowformate der Öffentlich-Rechtlichen mit dem Negativ-Medienpreis die „Goldene Kartoffel“ ausgezeichnet. Das Netzwerk der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ begründete ihre Auszeichnung von „hart aber fair“, „Maischberger“, „Anne Will“ und „Maybrit Illner“ unter anderem mit der fehlenden Diversität bei der Gästeauswahl. Dass es auch anders gehen kann, zeigt die neue funk-Talkshow „Karakaya Talk“.
Das Ziel der Show, die jeden Mittwoch bei Youtube und funk.net erscheint, ist, Menschen einzuladen, „die für gewöhnlich in der deutschen Medienlandschaft entweder nicht zu Wort kommen oder nicht gehört werden“. Die Moderatorin Esra Karakaya möchte mit ihren Gästen unterhaltsam und leicht verständlich über gesellschaftlich relevante Themen aus Pop und Politik sprechen. So sitzen in der ersten Folge fünf junge PoC um den Tisch, trinken Çay und diskutieren über die Frage: Wie weiß ist Klimaaktivismus?
Dass der Klimaaktivismus in Deutschland zu privilegiert und damit ausschließend ist, darin sind sich Karakaya und die vier geladenen Expert*innen einig. Trotz Einigkeit wird auch bei „Karakaya Talk“, wie man es aus den Talkshows des linearen Fernsehens kennt, gestritten und diskutiert.
Neben der Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen sind auch die freie Journalistin Yasmine M’Barek, Sarah Lee Heinrich von der Grünen Jugend sowie Quang Anh Paasch, Mitorganisator und Pressesprecher von Fridays for Future unter den Gästen. Ituen kritisiert gleich zu Beginn, dass Schwarze Menschen oder PoC in klimaaktivistischen Gruppen häufig nicht mitgedacht werden. Quang Anh Paasch verteidigt Fridays for Future daraufhin, dass sie die erste Bewegung sei, die nicht „Individuen shamen“, sondern die Politik in die Verantwortung zwingen wolle. Und damit für alle offen sei.
Verantwortung Europas
Daraus entspinnt sich eine gut 30-minütige Debatte um die Frage der Ressourcen, Verantwortung und Privilegien – auch ihre eigenen. Immer wieder richtet sich die Kritik auch an FFF, die ihren Aktivismus zu sehr auf den globalen Norden beschränken würden. Ituen schlägt vor, dass FFF seine finanziellen Mittel mit den Aktivist*innen des globalen Süden teilen sollte, um andere Menschen im medialen Diskurs hör- und sehbar zu machen.
Auch das Publikum aus dem Studio wird mit in die Diskussion eingebunden. So erzählen zwei Gäste, warum oder warum sie sich nicht dafür schämen, dieses Jahr in den Urlaub geflogen zu sein. Die Follower*innen bei Instagram konnten im Vorhinein Fragen einreichen, die die Expert*innen beantworten sollen.
Zum Abschluss formulieren die vier Gäste dann noch konkrete Forderungen. Heinrich plädiert an die Verantwortung Europas in der Klimakrise: „Es ist schon schwer genug, dass wir in Europa das 1,5-Grad-Ziel packen, aber meiner Meinung nach müssen wir mehr erreichen, da wir eine größere Schuld an der Erderwärmung tragen.“ M'Barek ruft alle, die die nötigen Mittel dazu haben, dazu auf, sich zu engagieren und in die Politik zu gehen: „Wir brauchen mehr Diversität in der Politik.“
Sich mal ausreden lassen
Wer sich noch nie mit der Thematik auseinandergesetzt hat, könnte Schwierigkeiten haben, der knapp 45-minütigen Diskussion zu folgen. So wird beim Einstieg die Kritik Chefkets an FFF erwähnt, jedoch nicht erklärt. Der Rapper wurde im Mai von der Bewegung für ein Konzert angefragt und kurz darauf wieder ausgeladen. Er warf FFF Rassismus vor, bezeichnete sie als „White Days for Future“ und löste damit eine Debatte aus.
Was der Sendung zu Beginn nicht gelingt, holt sie an anderer Stelle wieder raus. Mit den regelmäßigen Einblendungen „Jetzt du weißt“ erklären sie beispielsweise, was der ökologische Fußabdruck ist, was liberalistisch bedeutet und um was es sich beim 1,5-Grad-Ziel handelt.
Esra Karakaya hatte schon einmal eine Talkshow bei Youtube: Acht Folgen sind 2018 unregelmäßig unter dem Namen „Black Rock Talk“ erschienen. Nun aber hat funk, das gemeinsame Jugendangebot von ARD und ZDF, die Sendung eingekauft und ihr einen neuen Namen verpasst. Es ist „Karakaya Talk“ nur zu wünschen, dass sie dadurch eine größere Reichweite bekommen.
Mit einer Diskussion auf Augenhöhe, in der sich die Expert*innen gegenseitig ausreden lassen, und einer am Alltag orientierten Debatte bietet es eine unterhaltsame und informative Alternative zu den sonstigen Talkshows. Und diverser als „Maischberger“, „Anne Will“, „hart aber fair“ und „Maybrit Illner“ ist es allemal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“