Neues Radteam aus Israel: Im Inkubator
Der neu geschaffene Rennstall „Israel Start-Up Nation“ möchte im Profiradsport vorn mitmischen. Mit dabei: drei deutsche Pedaleure.
Große Dinge passieren derzeit im einstigen Heiligen Land. Auf einem Dachgarten mit Blick über ganz Tel Aviv versammelten sich letzte Woche mehrere Dutzend Radsportler aus Europa, Nordamerika und Israel. Sie bekamen Trikots überreicht, auf denen „Friedensbotschafter“ stand, und andere, auf denen der Schriftzug „Israel Start-Up Nation“ zu lesen war.
Der Titel „Friedensbotschafter“ war dem Team bereits vor zwei Jahren vom Peres Center, einer Stiftung des früheren israelischen Präsidenten Shimon Peres, verliehen worden, weil es Brücken zwischen Nationen und Religionen baue. Israelis und Deutsche fahren im Profi-Team, ein muslimischer und ein drusischer Radsportler sind im Nachwuchsteam.
Perspektivisch sollen auch palästinensische Athleten aufgenommen werden. „Israel Start-Up Nation“ heißt das Team wegen des neuen Co-Sponsors. Ihm, Start-Up Nation Central, gehört auch das Gebäude mit der Panorama-Terrasse. Er ist ein Inkubator für junge Technologieunternehmen.
Bis letzte Woche noch hieß der Rennstall Israel Cycling Academy. Er war zweitklassig und hatte als größten Erfolg den Gesamtsieg bei der Tour of Utah aufzuweisen. Für die neue Saison schießen die Ansprüche in den Himmel. Teameigner Sylvan Adams erwarb die Lizenz des russisch finanzierten Rennstalls Katusha sowie einige Fahrer, unter ihnen Nils Politt und Rick Zabel.
Mit Dan Martin zur Tour de France
Er verpflichtete mit dem früheren Tour-de-France-Vierten Dan Martin sowie Sprinter André Greipel zwei weitere Spitzenkräfte. Mit ihnen will Adams den Radsport aufmischen. „Wir wollen ein Klassiker-Monument gewinnen, bei der Tour de France einen Fahrer unter die Top 10 bringen und am liebsten je eine Etappe bei den drei großen Rundfahrten gewinnen“, sagt Adams der taz.
Für die Etappensiege wurde Greipel verpflichtet. Den Klassement-Job soll Dan Martin übernehmen. Und für den Klassikersieg ist Nils Politt zuständig. „Ich weiß, es wird schwer, den zweiten Platz von Paris–Roubaix und den fünften von der Flandernrundfahrt zu toppen, aber ich will schon einmal den großen Pflasterstein von Roubaix mit nach Hause nehmen. Das Team setzt in mich volles Vertrauen, und ich werde mein Bestes geben“, benennt Politt seine Ambitionen.
Um zusammen zu wachsen, hält das Team ein Trainingslager in Israel ab. Die Profis griffen zur Schaufel, um für die Kinder einer Sportschule, in die Teameigner Adams Geld steckt, einen Geländeparcours aufzubauen. „Es war echt cool. Ich war ja früher auch auf einem Sportinternat. Wir haben für die Kids einen Cross-Parcours gebaut. Eine Gruppe hat die Strecke abgesteckt. Eine andere hat Lehm geschippt für die Auf- und Abfahrten auf einem Hügel. Und dann haben wir noch eine Steilkurve und Wassergräben gebaut“, erzählt Rick Zabel, und der Berliner wirkt richtig begeistert.
Besuch in Jad Vashem
Dass er mit dem neuen Team „Friedensbotschafter“ wurde, findet er ebenfalls prima: „Jetzt mit einer Botschaft zu fahren, mit einem Sinn, und zu sagen, ich bin Teil eines Projekts, das die Welt besser macht, ist schon deutlich cooler als nur für einen Radhersteller oder irgendeinen Sponsor zu fahren.“
Teameigner Sylvan Adams
Das Team besuchte auch die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem. Für Rennstalleigner Adams gehört all dies zu den Bewusstseinsprozessen, die er auslösen will. Die Fahrer sollen sportlich fit, aber auch politisch wach sein. Nutzen möchte er das Team zur Werbung für Israel. Zu diesem Zweck holte er bereits den Start des Giro d’Italia 2018 nach Jerusalem. Er ist auch auf anderen Feldern aktiv, holte etwa Popstar Madonna zum Eurovision Song Contest in Tel Aviv und steckte fünf Millionen Dollar in das Mondlandeprojekt Israels.
Adams’ Ziel ist es, Bilder eines „normalen“ Israels zu verbreiten. „Sie sind jetzt hier, Sie sehen, dass wir wie normale Leute leben. Aber diese Botschaft kommt kaum durch. Die Leute denken, wir leben in einer Konfliktzone. Das dominiert das Bild von Israel, denn die Nachrichten sind sehr eindimensional“, sagt er.
Adams ist sich auch der großen Fallhöhe bewusst. Was passiert, wenn einer der „Friedensbotschafter“ mit Doping erwischt wird? „Das würde für unser Team ganz besonders schrecklich sein“, gibt er zu. Deshalb wähle man die Fahrer auch sehr sorgfältig aus. „Wir haben manche Fahrer nicht genommen, bei denen es komische Werte im physiologischen Profil gab. Die Fahrer, die jetzt bei uns sind, sind es nicht nur wegen ihrer Beine, sondern auch wegen ihres besonderen Charakters. Es ist für uns sehr wichtig, dass wir im höchsten Geiste des Sports Rennen fahren und Israel repräsentieren“, betont Adams.
Ein gerüttelt Maß Moral kommt mit dem Rennstall Israel Start-Up Nation in den Profiradsport.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind