Neues Klimaschutzgesetz im Kabinett: Groko plant für die Zwanziger
Das neue Klimaschutzgesetz will mehr und schneller CO2 reduzieren. Experten warnen: Das reicht nicht für das 1,5-Grad-Ziel.
Das neue Gesetz soll die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, das Ende April das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Gericht hatte vor allem moniert, dass ein Reduktionspfad nach 2030 fehle und daher die kommenden Generationen zu sehr belastet würden. Diesen Pfad liefert das neue Gesetz nun: Es listet für jedes Jahr von 2031 bis 2045 eine Emissions-Obergrenze auf.
Anton Hofreiter, Grüne
Die bisher schon gültigen „Sektorenziele“ bis 2030 etwa für Verkehr, Industrie und Energiewirtschaft werden nun gegenüber dem alten Gesetz deutlich verschärft, vor allem für den Energie- und Industriebereich. Ein bisschen mehr Luft als noch im ersten Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes bekommen nun der Verkehr und die Landwirtschaft. Wichtig auch: Die CO2-Speicherfähigkeit von Wald und Boden soll stark ausgebaut werden, aber nicht zu den jährlichen Minderungszielen hinzugerechnet werden, um Tricksereien zu verhindern.
Noch keine Einigung über konkrete Maßnahmen
Ein „faires Angebot an künftige Generationen“ nannte SPD-Umweltministerin Svenja Schulze ihr nachgebessertes Gesetz. Beim Klimaschutz müsse man in den nächsten 25 Jahren das Tempo verdoppeln. „Den größten Fortschritt planen wir für die 20er Jahre, sodass die junge Generation in den 30er und 40er Jahren nicht überfordert wird.“ Über die Maßnahmen, die zu den drastischen Reduktionen führen sollen, gibt es in der Regierung noch keine Einigung – auch nicht darüber, ob man diese noch vor der Bundestagswahl beschließen sollte.
Dieses Fehlen konkreter Maßnahmen stieß bei Grünen, Linken und Umweltverbänden auf Kritik. „Nur dadurch, dass man die Ziele verbessert, ist noch kein Gramm CO2 eingespart“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter auf RTL. Der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, bezeichnete das Gesetz als „wahlkampfgetriebenes Stückwerk“.
Die Klimabewegung Fridays for Future hatte die geplante Klimaneutralität im Jahr 2045 als „zu spät“ bezeichet und Nullemissionen schon 2035 gefordert. In der Studie, auf die sich diese Forderung stützt, geht es allerdings nur um CO2, während die Regierung sämtliche Klimagase einschließt.
Der Kohleausstieg bis 2038 komme zu spät
Auch von Verbänden kam Kritik. Christoph Bautz vom Netzwerk Campact, das am Dienstag mit anderen Organisationen eine neue Klimakampagne vorstellte, sagte, es fehlten „konkrete Maßnahmen wie ein höherer CO2-Preis und ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien“. Viviane Raddatz vom WWF erklärte, das 65-Prozent-Ziel für 2030 sei nicht ausreichend; nötig seien 70 Prozent.
Das sehen Klimaexperten ähnlich: So ehrgeizig die neuen Ziele der Bundesregierung auch sind – sie reichen nicht aus, um Deutschland auf einen Pfad zu bringen, der den Klimawandel auf 1,5 Grad bis 2100 begrenzt, sagt Niklas Höhne vom NewClimate-Institute – und folgert daraus: „Deutschlands vorgeschlagenes Ziel für 2030 ist nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen kompatibel.“
Höhne betreut mit seinem Institut und dem Thinktank Carbon Analytics den „Climate Action Tracker“, ein Analysewerkzeug für die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. Nötig sei der Modellierung zufolge, dass Deutschland den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 69 Prozent reduzieren müsse, um die Anforderungen des Pariser Abkommens zu erfüllen. Dafür müssten viele Maßnahmen vorgezogen werden. Der Kohleausstieg bis 2038 komme zu spät, das Datum müsse bei 2030 liegen.
Davon geht auch Rainer Baake aus, ehemaliger Staatssekretär im Umwelt- und Wirtschaftsministerium und jetzt Leiter der Stiftung Klimaneutralität. „Die neuen Klimaziele zu erreichen wird nicht gelingen, ohne die Kohleverstromung bis 2030 zu beenden“, sagte er am Dienstag. Dazu müsse aber nicht das Kohleausstiegsgesetz geändert werden, was neue Entschädigungszahlungen zur Folge hätte, so Baake.
Stattdessen solle der Ausstieg durch den europäischen CO2-Zertifikatehandel erreicht werden. Dieser solle auf nationaler Ebene durch einen Mindestpreis für CO2-Zertifikate im Stromsektor abgesichert werden, der bis 2030 auf 65 Euro je Tonne steigen müsse, fordert die Stiftung Klimaneutralität in einer neuen Studie. Dann werde Kohle automatisch aus dem Markt gedrängt.
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