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Neues Gesetz in FrankreichKünstliche Befruchtung für Singles

Alleinstehende und lesbische Frauen können sich in Frankreich nun künstlich befruchten lassen. Dagegen gab es lange heftigen Widerstand.

Protest gegen den Zugang zu künstlicher Befruchtung für alleinstehende und lesbische Frauen im Februar in Paris Foto: Vincent Isore/imago

Paris taz | Frankreich erlaubt alleinstehenden und lesbischen Frauen erstmals eine künstliche Befruchtung. Nach einem parlamentarischen Hin und Her und fast 500 Stunden hitziger Debatten mit homophoben Störgeräuschen hat eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten der Nationalversammlung am Dienstagabend schließlich eine Revision der Bioethikgesetze verabschiedet, die den Zugang zur künstlichen Befruchtung, auf Französisch procréation médicalement assistée (PMA), eröffnet. Damit konnte Präsident Emmanuel Macron noch vor dem Ende seines Mandats eines seiner Wahlversprechen einhalten.

Nach der Legalisierung der Homoehe wird diese Reform in Frankreich als großer Fortschritt für die Gleichberechtigung gefeiert. Künftig haben „alle“ Frauen, nicht nur heterosexuelle in festen Partnerschaften, das Recht auf die medizinischen Techniken der Fortpflanzung. Die öffentliche Krankenversicherung der Sécurité sociale übernimmt die Kosten von bis zu sechs künstlichen Befruchtungen bis zu einer Altersgrenze von 43 Jahren.

„Es war eine schmerzvolle Zangengeburt“, meinte nach der Abstimmung spät am Abend Adrien Taquet, der Staatssekretär für die Familien. Fast zwei Jahre hat die Parlamentsdebatte bis zur Verabschiedung in zweiter Lesung gebraucht. Denn der Widerstand ultrakonservativer Kreise war hartnäckig. Nach Ansicht dieser wird mit der Revision Tür und Tor für die Legalisierung der Leihmutterpraktiken geöffnet, und überhaupt sei es – zumindest aus dieser meist religiösen Moralvorstellung – undenkbar, dass es in Zukunft „Kinder ohne Väter“, dafür aber Babys mit zwei Müttern geben werden. Mehrfach hatten Zehntausende Geg­ne­r:in­nen mit Unterstützung von klerikalen Kreisen gegen die „PMA pour toutes“ (PMA für alle Frauen) demonstriert.

Die erst kürzlich wegen homophober Äußerungen aus der Regierungspartei LREM ausgeschlossene Abgeordnete Agnès Thill protestierte in Anspielung auf die Regionalwahlen: „Welche Legitimität habt ihr, um die Verantwortung zu übernehmen für Kinder, die auf die Welt kommen, ohne je einen Vater zu haben?“ Ganz im Gegensatz dazu spricht der linke Politiker von „La France insoumise“ Bastien Lachaud in Libération von einem „bitteren Sieg, wegen so viel verlorener Zeit und enttäuschten Hoffnungen auf ersehnte Kinder, die nicht das Licht der Welt erblicken durften“.

Mehrfach hatten Zehntausende von Geg­ne­r:in­nen mit Unterstützung von klerikalen Kreisen dagegen demonstriert

Die neuen Bioethikgesetze regeln auch die juristischen Fragen, die sich durch die künstliche Befruchtung ergeben könnten. So können sich lesbische Partnerinnen bereits vor der Geburt des Kindes bei einem Notar als gleichberechtigte Mütter und Eltern registrieren lassen. Neu ist zudem, dass die bisherige totale Anonymität der Spen­de­r:in­nen von Sperma und Eizellen aufgehoben wird, damit die dank medizinisch unterstützter Technologien geborenen Kinder bei ihrer Volljährigkeit zwar keine Angaben zur Identität, aber biologische Informationen der Spender oder Spenderinnen verlangen dürfen.

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6 Kommentare

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  • Ich frage mich inzwischen welcher Mann eigentlich noch seinen Samen spendet. Durch das Aufheben der Anonymität wird es zum Regelfall werden, dass die so gezeugten Kinder nach 18 Jahren für der Tür des Samenspenders stehen. Sie mögen zwar keine erbrechtlichen Ansprüche haben (wobei, wer weiß was noch kommt), aber sie haben emotionale Erwartungen an ihren "Vater" und wollen in vielen Fällen wohl auch, dass dieser in irgendeiner Form Teil ihres Lebens wird. Ich stelle mir das als total schwierige Situation vor. Noch schlimmer finde ich allerdings, dass es auch Samenspender betrifft, die unter dem Versprechen gespendet haben, dass sie dauerhaft anonym bleiben, also genau so eine Situation absolut nicht wollen. Und außerdem würde mich interessieren, wie groß unser Fortpflanzungstourismus in die Ukraine ist.

  • 1.Kinder zu haben ist ein Menschenrecht (sogar durch Leihmutterschaft in der Ukraine, was bei uns noch immer ein Tabu ist)



    2. Frauen, die ein Kind wollen, haben offenbar die Reife, nicht an sich selbst zu denken



    3. Unzählige Kinder sind auch ohne künstliche Befruchtung vaterlos, leider.



    4. "weil sie es nicht geschafft haben, einen Mann zu finden"... ja, leider finden viele liebe und erfolgreiche Frauen auch keinen Mann, der eine Familie haben will. Partnerlose Frauen zu herabzuwürdigen, wie sie es tun, wirft kein gutes Bild auf Sie.



    4. "Jetzt wird es jede Frau schaffen, sich ein Kind machen zu lassen".. das kann sie jetzt auch schon. Aber halt um den Preis, mit irgendwem v****n.



    5. im Grunde wollen SIE bestimmen, welche Frau WÜRDIG genug ist, um Mutter zu werden, und offenbar ist es für Sie nur die Ehefrau.

  • Wann wie und warum Frau schwanger und damit Mutter werden will geht niemanden etwas an.



    Die Möglichkeit, welche Frankreich hier eröffnet, schützt viele Männer davor als Samenspender und evtl. später als Unterhaltsspender missbraucht zu werden.

  • Es stellt sich auch hier wieder das grundsätzliche ethische Problem, ab wann die "Leibesfrucht" einer Frau als selbstbestimmtes Subjekt anzusehen ist, dem wir eigene Rechte zubilligen und ob zu diesen Rechten dieses Subjektes auch gehören sollte einen "Vater" zu haben.



    Ich persönlich vermag, ehrlich gesagt, dazu keine Antwort zu geben.

  • Zitat: „Welche Legitimität habt ihr, um die Verantwortung zu übernehmen für Kinder, die auf die Welt kommen, ohne je einen Vater zu haben?“

    Ich verstehe nicht: Gab es in Frankreich bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes etwa keine Kinder, die nie einen Vater hatten? Weil ihre Mütter zwar ein Kind wollten, aber keinen Mann, weil ihre Väter zwar eine Frau wollten, aber keine Kinder oder weil neun Monate eine sehr lange Zeit sind für (zu) junge Leute? Und überhaupt: Wer gibt den Ultrakonservativen etwa das Recht, Männer in Kriegseinsätze zu entsenden, deren Frauen oder Freundinnen schwanger sind oder grade entbunden haben? Was ist mit der „Verantwortung“ dafür? Werden Kriegswaisen allesamt adoptiert von Agnès Thill? Hatte diese Person ernsthaft angenommen, ein wirklich starker Kinderwunsch ließe sich unterdrücken, wenn die künstliche Befruchtung verboten bleibt für Lesben und Unverheiratete? Wie ignorant kann man denn sein als Konservative*r - oder wie verstört?

    Ich vermute, es geht diesen Leuten ausschließlich um Abschreckung. Sie möchten, dass es den Frauen (und Männern), die nicht in ihr starres Familienbild passen, so schwer wie irgend möglich gemacht wird, Kinder zu bekommen. Warum? Weil sie Angst haben vor positiven Erfahrungen, die ihre um 1900 eingefrorenen Ansichten auftauen, sodass sie anfangen, komisch zu riechen?

    Wieso wollen diese Leute Probleme minimieren, die nur die allein sehen können, obwohl oder gerade weil sie selbst gar nicht betroffen sind? Ich kann die, die ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken, ohne dazu eingeladen worden zu sein, nicht ausstehen. Dass es anderen Menschen offenbar anders geht, wundert mich immer wieder.

    Aber vielleicht ist es ja gar nicht das Prinzip, das die Leute ablehnen oder befürworten. Entscheidend scheint vielmehr zu sein, ob sie selber gegängelt werden, oder ob es andere sind, die der Kandare unterworfen sind. Wenn dem so wäre, könnte ich eigentlich nur beten: „Heiliger Sigmund F. hilf!“

  • Dass Kinder keine Angaben zur Identität des Vaters erhalten dürfen, wird kaum Bestand haben, sobald eines von ihnen dieses Recht bis auf europäische Ebene einklagt. In meinen Augen ist es ein Menschenrecht, dass ein Kind seinen Vater kennen darf. Dieses Recht wird ja auch in "herkömmlichen" Konstellationen von manchen Beteiligten oft schäbig behandelt (prominentes Beispiel: Delphine von Belgien). Hier soll es jedoch systematisch verweigert werden. Damit wird Frankreich vor dem EUGH nicht durchkommen! Das Gesetz werden sie ändern müssen.