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Neues GedenkstättenkonzeptErinnern mit Würde

Kommentar von

Klaus Hillenbrand

Gedenken an die Opfer des Holocausts verdient einen besonderen Raum. Darauf sollte der Schwerpunkt beim Konzepts zu Gedenkstätten liegen.

Erinnern mit Würde, aber nur wenn es um DDR und den Holocaust geht Foto: Soeren Stache/dpa

G edenkstätten sind zentrale Orte, in denen sich das Land seiner Grundfeste versichert. Grundfeste sind die Demokratie, der Rechtsstaat, die plurale Gesellschaft. Gedenkstätten erinnern daran, dass diese Errungenschaften keineswegs selbstverständlich sind.

Aber das ist nicht alles. In Gedenkstätten geht es um konkrete Opfer, zuallererst die Jüdinnen und Juden, die im NS-Staat einem singulären Verbrechen zum Opfer fielen. Aber auch andere Opfergruppen müssen im nationalen Gedächtnis bleiben, dazu zählen Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Homosexuelle. Es ist Aufgabe der Regierung, an die damals staatlich angeordneten Massenmorde und die Unterdrückung von Menschenrechten zu erinnern.

Dieses Gedenken verdient einen besonderen Raum. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer entschied weise, als er sich dafür aussprach, sich in der Konzeption des Bundes für Gedenkstätten auf die Orte zur Nazi-Herrschaft und der SED-Diktatur als zentrale Aufgaben des Staates zu konzentrieren.

Die Idee seiner Vorgängerin Claudia Roth, auch Kolonialverbrechen und die NSU-Mordserie anzusprechen, hat Weimer gestrichen. Sollte dies dazu führen, dass Forschung, Aufarbeitung und Erinnerung an die Morde deutscher Kolonialtruppen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert künftig vernachlässigt werden, wäre das fatal.

In würdiger Weise erinnern

Selbstverständlich sind diese Verbrechen aufzuklären, auch wenn diese schon über ein Jahrhundert zurückliegen und niemand mehr lebt, der sich ihrer erinnert. An die Taten, insbesondere aber an die Opfer, sollte in würdiger Weise erinnert werden, etwa an einem zentralen deutschen Gedenkort. Aber noch gibt es einen solchen Ort nicht. Die Regierung sollte dafür sorgen, dass sich das ändert – nicht in der übernächsten Legislaturperiode, sondern bald.

Jedoch sollte das nicht im Rahmen eines Konzepts zu Gedenkstätten passieren. Dort geht es um bestehende Orte, die an den Holocaust erinnern. Das müssen sie auch bleiben, unbedrängt von unwürdiger Opferkonkurrenz.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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