Neues Charles-Bukowski-Buch: Vor jeder Lesung gekotzt
Bislang unveröffentlichte Texte des „Dirty Old Man“ der US-Literatur: Über den Band „Ein Dollar für Carl Larsen“ von Charles Bukowski.
Allem Gerede vom einsamen Wolf zum Trotz hatte Charles Bukowski literarische Verbündete. Dazu zählten etwa die Schriftsteller Steve Richmond, Al Purdy, William Wantling und nicht zuletzt Douglas Blazek, der Bukowski und anderen mit seiner auflageschwachen, aber einflussreichen Undergroundzeitschrift Ole' eine Plattform bot.
Bukowski unterstützte seine Leute mit lobenden Kritiken und Vorworten, er betrachtete sich als Teil einer „Poetischen Revolution“ gegen die etablierte Dichtung, die nun endlich „die Muse auf die Tellerwäscher, Tankwarte, Bauern, Betrüger, Traubenpflücker, Landstreicher und Fabrikarbeiter losgelassen“ hätte.
Bukowski propagierte dabei eine unakademische und unelitäre Literatur, eine Literatur von unten, die in den bürgerlichen Publikationen damals kaum eine Rolle spielte. Er und seine Mitstreiter mussten sich schon selbst helfen und eigene Zeitschriften gründen.
Dabei profitierten sie von den technischen Neuerungen auf dem Druckmarkt. Mit Matritzen-Kopierern ließen sich relativ preisgünstig und schnell Hefte von ein paar hundert Exemplaren herstellen. Sie sahen oft schäbig aus, billig, improvisiert, aber sie erfüllten ihren Zweck, indem sie die gewünschte Gegenöffentlichkeit herstellten.
Als „Mimeo Revolution“, benannt nach der Vervielfältigungsmethode der Mimeografie, ist diese Bewegung in die US-Literaturgeschichte eingegangen. Dank der nun erschienenen Textsammlung „Ein Dollar für Carl Larsen“ kann man Bukowskis Bezug zu jener literarischen Off-Kultur bestens nachvollziehen.
Im Würgegriff des Zeitgeists
Denn dieser Szene fühlte er sich zugehörig, obwohl sie ihm bisweilen unglaublich auf den Geist ging, weil sich seiner Meinung nach so viele Nichtskönner darin tummelten. Die Herausgeber reagierten zu langsam oder überhaupt nicht, schickten abgelehnte Texte trotz frankiertem Rückumschlag nicht zurück und verloren schnell ihren oppositionellen Drive.
Sie „legen oft einen guten Start hin“, konstatiert er in seiner polemischen Bestandsaufnahme „Die Minipresse in Amerika“, „aber meistens dauert es nicht lange, bis sie nicht mehr das sind, was sie mal waren, weil sie sich der Meinung anderer Herausgeber, Kritiker, Leser, Schreiber, Drucker, Straßenbahnschaffner, Freundinnen, Universitätsbibliothekaren, Eunuchen, Wahrsager, Abonnenten, Punks, Dilettanten, Clowns, Ahnenforscher und all dem Dampf und Gestank und dem Würgegriff des Zeitgeists beugen müssen, der ihnen vorschreibt, was sie zu tun haben. Und irgendwann ist dann aus so einer Literaturzeitschrift ein Vorzimmer für Teetrinker geworden.“
Dennoch hat er den Zeitschriften-Underground weiterhin beliefert, auch als er bereits gegen Honorar in Tittenheften, Illustrierten und Tageszeitungen wie der L.A. Free Press publizierte.
Der Band „Ein Dollar für Carl Larsen“ enthält bislang größtenteils unübersetzte Stories, Reportagen, Vorworte, Rezensionen und Interviews aus den Jahren 1961 bis 1974, der mittleren Werkphase also, in der aus Bukowski langsam ein professioneller Schriftsteller wurde. Das Buch dokumentiert sehr schön, wie er an der Konsolidierung und Selbstverständigung der Szene strategisch mitwirkte und sich trotzdem seine Unabhängigkeit und schriftstellerische Integrität zu bewahren suchte.
Gelegentliche Kompromisse nicht ausgeschlossen: So gab er nach der Demission bei der Post 1969 seine „splendid isolation“ auf und nahm schweren Herzens Lesungsangebote an. Die Tantiemen und Magazinhonorare sprudelten noch nicht so reich wie in der zweiten Hälfte der 70er Jahre – er musste Geld verdienen. Universitäten holten sich zudem gern einen bunten Hund wie ihn auf den Campus und zahlten ordentlich.
Antrag abgelehnt
In einer bislang wenig bekannten „Dirty Old Man“-Kolumne erzählt er von einem zweitägigen Lese-Trip, der ihm angeblich üppige 375 Dollar einbrachte (laut Inflationskalkulator mehr als 2.000 Dollar heute). „Ruckzuck verdientes Geld und hundert Prozent Vaudeville“, schreibt er. Der Text zeigt auch, wie schwer ihm solche öffentlichen Auftritte fielen: Er kotzte vor jeder Lesung.
In einem der abgedruckten Interviews gibt er zu, dass er überhaupt erst „vier oder fünf“ Abende erlebt hat, die er als gelungen bezeichnen würde. Dabei war er doch ein ziemlich guter Entertainer, es gelang ihm, die Figur des dreckigen alten Mannes auf der Bühne mit Leben zu füllen, weil er die Sache ernst nahm. „Ich habe schon viele dieser Dichter erlebt: sie haben nur das Geld kassiert, sich hingestellt und den Heiligen gemimt. Wenn man sich schon prostituiert, dann sollte man auch eine gute Prostituierte abgeben.“
In den hier versammelten Texten zeigt sich einmal mehr Bukowskis Souveränität als Autor. Er verstellte sich nie, redete keinem nach dem Mund. Sogar im Bewerbungsschreiben für ein Guggenheim-Stipendium lieferte er keine Antragslyrik, sondern die übliche unverfrorene – von Esther Ghionda-Breger zupackend übersetzte – Klartextprosa. Er wurde natürlich abgelehnt.
Leser*innenkommentare
Rolf B.
Heute, wo der Würgegriff des Zeitgeistes mit der trostlosen Spießigkeit der 50er Jahre des letzten Jahrhundert vergleichbar ist, wird es keine Bukowskis mehr geben.
Rainer B.
Bukowski hat schon richtig was zu bieten. Ich sach's mal so: Wer sich mal von seiner jungen Freundin - warum auch immer - trennen will, aber nicht recht weiß, wie er es möglichst geschickt anstellen soll, der schenke Ihr einfach bei nächster Gelegenheit mal ein Büchlein von Bukowski. Ich empfehle dazu „Schlechte Verlierer“ oder auch „Kaputt in Hollywood“. Der „Erfolg“ ist damit garantiert.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@Rainer B. Warum um alles in der Welt sollte man sich von seiner jungen Freundin trennen.
Solche Beziehungen gehen den Weg allen Fleisches.
Eines Tages dreht man sich um und sie ist weg.
schuhwerfer
@88181 (Profil gelöscht) De Froo is Baas, waar 't vör de Wind angeiht.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@schuhwerfer Neben der Editier-Funktion brauchen wir wohl auch noch eine Untertitel-Funktion.
Wobei ich glaube, den Sinn erfasst zu haben.
schuhwerfer
@88181 (Profil gelöscht) Auch nicht schlecht, stimmt!
Hatte ja schon gestanden, dass das nicht ganz auf meinem Mist gewachsen ist :-)
www.platt-wb.de/platt-hoch/?term=Baas
(unten auf Redensarten klicken)
Lowandorder
@schuhwerfer Booey. Denn - alllang nich hört - 😈
schuhwerfer
@Lowandorder Jeder hinterläßt ja hier sein eigenes kleines digitales Pompeji. Und wir wollen es den zukünftigen Archäologen doch auch nicht zu einfach machen!
Aber wem sag ich das...
schuhwerfer
@Lowandorder Zugegeben, mich musste das Netz "inspirieren" :-)
Zum Leidwesen der autochtonen Bevölkerung geht das
Verstehen zwar ganz gut, aber auch so zu sprechen, das wird wohl in diesem Leben nichts mehr...
Aber ne tolle Sprache!
Lowandorder
@schuhwerfer Stimmt - Schonn.
Uns Ol erste Fremdsprache Hochdeutsch
& fein in plattdütsch belesen&snakken!;)
& dortau -
Mein großes Bruderherz war mal Lumberjack & ich gern dabei & auf den Höfen der Altvorderen. Doerp halt!
&
“Seefahrt tut not“ & “Hein Godenwind;))
"Dat is Hein Godenwind, de dor anklüsen kummt, un wenn ji em noch nich kennt, denn lehrt em nu kennen!"
de.wikipedia.org/w...k_(Schriftsteller) Liggers keen van fuck!
& Fritz Reuter & “Kasper Ohm & ik“
John Brinkmann & a weng Tucho - Schloß Gripsholm - Missingsch. 😈
Was eine bildhaft wundersame Sprache.
kurz - Herrlich & - das ham wir uns so -
Ausgelauert. 🧐
Rainer B.
@Lowandorder Beim ersten Anlauf laß ich folgendes: „1917 wurde das Vollpfostenboot Gorch Fock nach ihm benannt.“ Mann, Mann, Mann - muss wohl das Alter sein. (;-))
schuhwerfer
@Lowandorder Danke für den Link! Interessant, kannte den Namensgeber des Schiffes gar nicht...
Vom Schimmelreiter inspiriert, das gibt mir einen Bezugspunkt. Den und anderes (zB die Regentrude, weil ich den Namen so cool fand) von Storm tat ich mir kürzlich in meinen Assimilationsbemühungen auch rein und war positiv überrascht. "Bildhaft wundersame Sprache" trifft es auch hier!
Ohje, etwas abgedriftet von Bukowski... egal, ist ja Weihnachtszeit.
Und zu Ehren des Bruderherz' kommen wir jetzt zu etwas völlig anderem:
www.youtube.com/watch?v=gY4PI5MIALY
Lowandorder
@schuhwerfer Klasse. But. Liggers.
“And Now for Something Completely Different - “ 😎
Grüße vom Saharaman via Downunder:
images.app.goo.gl/exwR4Yx6GLdFFdZY8
Mehr so - der Typ - olle Woody - 🥳
unterm—- Storm — btw servíce - 😱
Mitschüler - zeitlich a weng versetzt. 👺
(entre nous only - & we both - a 2er.o. -
quicker than the Tokyo-winner - long ago - & another story - naturellement 😈
schuhwerfer
@Lowandorder Schön archaisch, die Bilder!
Bei einigen Sätzen/Worten muss ich allerdings Herrn Hawkins beipflichten, ohne Untertitel geht da doch (wie desöfteren) ein bißchen was verloren. Macht aber nichts, manchmal hilft startpagen und ansonsten gilt: Ballaststoffe sind auch wichtig! :-)
Lowandorder
@schuhwerfer at last - we talk about downunder - top -
www.youtube.com/watch?v=jkeAPV-8ZBA - the best in time really -
(& btw & entre nous only - long long ago
the body constitution similar - but I‘m stroke & ~ 4 inch longer - 😎
schuhwerfer
@Lowandorder Ah, gut, dass ich nochmal hier reinschaute!
Und dann auch noch Mister Marburg (von der Lahn, meinem Geburtskanal :-))
Lowandorder
@schuhwerfer Ach was!
Dorten deren zwei. Aber bei ehra sicher nich dabei. 😎
schuhwerfer
@Lowandorder Ist ja abgefahren!
"Wireless Lahn" waren auch meine ersten Gedanken nach der Entbindung...
Trango
Bukowski habe ich in guter Erinnerung, ohne ihn wären die langen Interrail-Passagen nur halb so erträglich gewesen. In der Erinnerung so wie "Fritz the Cat", nur ohne Bilder. Man könnte in diesen ruhigen Tagen nochmal drin blättern, danke für die Anregung.
Motz Christian
@Trango Gute Weihnachtsliteratur vor dem Christbaum. Danach hat man von seiner Familie garantiert Ruhe und kann endlich heim gehen - wird vielleicht nie wieder eingeladen, perfekt...
el presidente
Der Sinn eines amerikanischen Lebens besteht nach wie vor darin den "American dream" zu leben und als reicher Mensch zu sterben.
Bukowski ist da keine Ausnahme. Sein Ansatz war nur unkonventionell und bestand aus Kotze, Knast und Sex. Ach ja und Export seines Drecks. Ausgerechnet in Deutschland wurden seine Fäkalien ja begeistert gekauft.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@el presidente Und was ist der Sinn eines deutschen Lebens?
Ackern, ackern, ackern und Günter Grass lesen. Sein Ansatz war konventionell:
SS-Mitgliedschaft, mittelmäßige Romane und ein antisemitisches Gedicht.
el presidente
@88181 (Profil gelöscht) Vielleicht sind wir inzwischen alle auf "American Dream" gepolt. Charles Bukowski ist auch nur eine Klobürste. Nur eine andere Marke als Trump.
Miles Davis. Bobby Womack. Das ist Kultur. my2Cents
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@el presidente Na gut, wenn man sein Kulturverständnis vor 50 Jahren eingefroren hat, dann mag das wohl angehen.
Lowandorder
@88181 (Profil gelöscht) kurz - Ach herm.
Lowandorder
@el presidente Klar - El Presidente - ist ein feiner Mann.
& liggers -
Nimmt nur ungern Stuhlgang.
Ihm ist sei Bedeutung Herkunft&Würde.
Mehr als genug des sei Lebens Bürde.
& Däh! taub - genau - ist er -
Deswegen auch so hart - auf jenem Ohr.
Mit dem die Pleps - …hört denn Humor.
Lowandorder
@Lowandorder Na dann - bester Mann.
… da fehlt‘s: “…ungern Stuhlgang an.…“
88181 (Profil gelöscht)
Gast
Danke für den Tipp. Ein Schriftsteller, dessen Bücher man trinkend lesen sollte.
Lowandorder
@88181 (Profil gelöscht) …anschließe mich - lesend trinkend - 😎 🍷
Lowandorder
@Lowandorder & a 🛀 - Danke für - link zu - Bukowski -
& Däh - 🥳 & 😱
taz.de/Eklat-auf-W...lughafen/!5064006/
Das hätte ihm Gefallen - ihr looser 👻
schuhwerfer
@Lowandorder Haha, super Link, stimmt. Aber eigentlich eine nette Idee, ein bißchen Zeitgeschichte randomisiert unters Volk zu bringen.
Das erinnert mich an die "Zitate" im Manifest vom Känguru und Marc-Uwe Kling:
"Ich denke, also bin ich" - Til Schweiger
"Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein" - Friedrich Schiller
uswusf...
Lowandorder
@schuhwerfer Wenn ein Jöhten a Denkmal durch schillert & der Buxe knibbelt am Band.
&
Rückts Mützchen grade - unverwandt.
&
Ah Ja & Dann!
“PA DA DA DAMM“ •
Lowandorder
@schuhwerfer Liggers - nur knapp konnte - ob dess homerischen Gelächters - bin halt ein einfach strukturierter - die Flutung des Bades vermieden werden.
Glück auf. 😎
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@Lowandorder Was die Flutung des Bades angeht, hatte schon ein gewisser Herr Leibniz (nein, nicht der Kekshersteller) die passende Erläuterung parat:
Das Leben ist eine Kette mehr oder weniger organisierter Entgleisungen.
... glänzend illustriert von unseren Freunden der NFS. Die welchen mit den Elchen.
Lowandorder
@76530 (Profil gelöscht) Schau an - Schau dran
Der Meister der Monade.
Hilfreich noch zum Bade.
& Gelle - wenn aach nich so aaf dr Stelle!
Olle Bernstein - fein - fiel ooch was ein.
www.korrekturen.de...er_der_elche.shtml
schuhwerfer
@Lowandorder "Bis dohin läuf noch vill Wasser de Rhing eraf" - Homer
Günter
Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Beitrag!
Charles ist einfach zu früh gestorben (in uns wird er weiterleben)
Hätte mich interessiert, was er von unserem digitalen Zeitalter hielte, in dem um so mehr gilt, was ich mir erlaube zu zitieren:
"....Würgegriff des Zeitgeists beugen müssen, der ihnen vorschreibt, was sie zu tun haben...
......sie haben nur das Geld kassiert, sich hingestellt und den Heiligen gemimt."
Oben im Himmel wird er seine Single Malt genießen, wenn er sich etwa über den hypersensiblen und chronisch beleidigten Netzfeminismus amüsierend, sein Lebenswerk bestätigt finden darf.
Reisehank
@Günter Buk hiess Hank und trank Bourbon.
Günter
@Reisehank Danke, Sie sind ein Kenner und wer Hank kennt ist ein guter Mensch!
Jedoch, Zitat des Meisters:
"Da man aber nicht immer nur schreiben kann, gab es große Lücken zu füllen. Ich füllte sie mit Scotch, Bier, Ale und Frauen. Mit den Frauen hatte ich meistens Pech, und die Folge war, dass ich mich stark aufs Trinken konzentrierte.“......und Scoth wird oft als Singe-Malt konsumiert!
Lowandorder
@Günter kurz - alles ~ sine matter - 👻
So what. But. Wat höbt wi lacht. 😈