Neues Buch von der „Queen of Crime“: Ein alter schottischer Blutfleck

Denise Mina erzählt von einem berühmten Mord in Maria Stuarts Königshaus. Sie macht dabei alte Glaubenskonflikte in Schottland erschreckend lebendig.

Das Schloss von Edinburgh auf einem Hügel.

Die Burg von Edinburgh Foto: Reinhold Ratzer/imageBROKER/imago

Es ist so ziemlich der berühmteste und blutigste Mord in der nicht gerade unblutigen Geschichte Schottlands: Am 9. März 1566 überfiel eine Hundertschaft bewaffneter Männer eine kleine Tischgesellschaft in den Privaträumen von Königin Maria Stuart im Schloss von Edinburgh und ermordete ihren italienischen Privatsekretär David Rizzio. Jeder der zahlreichen Verschwörer stach einmal zu.

Mit im Komplott war auch Marys Ehemann Lord Henry Darnley; der Zwanzigjährige war überzeugt davon, dass seine Frau ihn mit dem Italiener betrog.

David Rizzio hatte sich eigentlich nichts zuschulden kommen lassen, aber er war für den Geschmack vieler Adliger einfach zu einflussreich geworden. Seine Ermordung war auch eine Stellvertretertat, ein Fanal gegen die Regentschaft einer katholischen Königin in einem mehrheitlich protestantischen Land. Die politische Lage war extrem angespannt, religiöse Eiferer vergifteten das gesellschaftliche Klima, und Menschenleben galten wenig.

Die Blutlache, in der Rizzios Leichnam noch stundenlang lag, muss riesig gewesen sein, sehr viel größer jedenfalls als der „Blutfleck“, der in Schloss Holyrood auch heutzutage noch sorgsam gepflegt wird und über dem eine Rizzio-Erklärplakette angebracht ist. Denise Mina schildert die Örtlichkeiten in ihrem informativen Nachwort zu „Der Vertraute der Königin“ und erklärt in diesem Zusammenhang auch, dass Maria Stuarts Räume im Schloss grundrenoviert werden mussten, nachdem man sie jahrhundertelang hatte verkommen lassen. Dabei wurde der Fußboden neu gelegt und um 15 Zentimeter angehoben.

Denise Mina: „Der Vertraute der Königin“. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. btb, München 2023, 176 Seiten, 14 Euro

„Der Vertraute der Königin“ ist, obwohl von der schottischen Queen of crime verfasst, ganz und gar kein Krimi, sondern in Länge und Form eine klassische historische Novelle. Spannend ist sie vor allem in psychologischer Hinsicht. Das Erzeugen von handlungsbezogener Spannung ist dagegen nicht zentral, denn wir wissen ja schon zu Beginn, was geschehen wird.

Fühlen in Extremsituationen

Die Autorin, die zweifellos sehr gründlich recherchiert hat, füllt qua Einfühlungskraft den historischen Weißraum, der die legendäre Bluttat umgibt, mit Leben und macht annäherungsweise vorstellbar, was die beteiligten Personen in jener Extremsituation gefühlt, gedacht und gesagt haben könnten.

Die ohnehin bereits zerrüttete Beziehung zwischen Mary und ihrem Ehemann findet ihren Tiefpunkt im Bild des jungen Lord Darnley, der seine schwangere Frau festhält, damit sie den hinter ihr kauernden Rizzio nicht mit ihrem Körper gegen die Angreifer abschirmen kann.

Nach dem Mord wird Mary Stuart in ihren Gemächern eingesperrt. Erstaunlich ist das Verhalten einer älteren Hofdame, die, obwohl die Königin für den Tod von mehreren ihrer Angehörigen verantwortlich ist, zu Mary hält und ihr hilft, eine drohende Frühgeburt zu simulieren, um im allgemeinen Chaos Botschaften aus dem Schloss schmuggeln zu können.

Ist diese Episode womöglich reine Fiktion, also ein fantasievoll ersonnenes Beispiel dafür, dass das Leben im Schottland der Renaissance nach einer guten Portion Pragmatismus verlangte und dass angesichts rohester männlicher Gewalt weibliche Solidarität manchmal selbstverständlich war?

Das erste Tennismatch

Welche Quellen Denise Mina verwendet hat, erfahren wir nicht; aber es sind jedenfalls zahlreiche andere Details im Buch historisch zutreffend, die zunächst ebenso überraschend anmuten. Zum Beispiel beginnt die Novelle mit einem „Tennismatch“ zwischen Henry Darnley und David Rizzio; und obwohl diese Szene leicht als effektvoller Autorinneneinfall durchgehen würde, fand dieses Ballspiel am Nachmittag des 9. März 1566 tatsächlich statt.

Eine Urform des Tennis – allerdings hieß es eigentlich anders – war bereits in der Renaissance weit verbreitet und nicht nur am schottischen Hof sehr beliebt.

Es gibt keine zentrale Figur, dafür aber eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Erzählperspektiven in diesem packenden Drama um Macht und die richtige Religion. Was Letztere betrifft, so lässt die Autorin keinen Zweifel daran, dass auch im Kontext der damaligen Zeit Religion gern instrumentalisiert wurde, um nackte Machtinteressen durchzusetzen, und dass radikal auftrumpfende Einpeitscher politisch geduldet wurden, weil religiös motivierter Terrorismus auf verquere Weise nützlich sein konnte.

Noch in derselben Nacht wie Rizzio im Schloss wird in der Altstadt von Edinburgh ein katholischer Mönch ermordet – von einem radikalisierten Konvertiten, dessen Hinrichtung wir anschließend aus seiner eigenen Perspektive miterleben dürfen.

Die adligen Mörder des Italieners Rizzio hingegen werden nie belangt.

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