Neues Biopic über Emily Brontë: Spürt die Pheromone, wie sie funken
Oh, verbotene Liebe, ihre Flammen lodern im Spielfilm „Emily“. Doch leider zeichnet Frances O'Connor das Bild von Emily Brontë mit zu viel Klischee.
Woher stammen Ideen? Woher kommen die Figuren für eine Geschichte, woher die starken Gefühle, die beschrieben werden? Was inspirierte die Schriftstellerin Emily Brontë, als sie die Sehnsucht und Dramatik von „Wuthering Heights“ erdachte?
In Frances O’Connors Porträt „Emily“, das eine weitere, filmische Interpretation des Lebens der begabten Brontë-Schwestern und ihres Bruders anbietet, ist die Sache klar: Eine so verzehrende Liebe wie die zwischen Catherine und Heathcliff kann nur aus eigenen Erfahrungen rühren. Regisseurin und Drehbuchautorin O’Connor malt ihr düsteres Bild des viktorianisch-eisernen Brontë-Lebens mit den klassischen Zutaten Talent, (geschwisterliche) Rivalität, Misogynie und Restriktionen.
Emily (Emma Mackey) ist die Außenseiterin der sozial eh recht isolierten, mutterlosen, britischen Pfarrerskinder; ihre Schwestern Charlotte (Alexandra Dowling) und Anne (Amelia Gething) sowie ihr Bruder Branwell (Fionn Whitehad) halten durch verschiedene Erlebnisse verhalten Kontakt zu einem „normaleren“ Leben: Branwell kommt seinen unterdrückten Leidenschaften mit Alkohol bei und hat ab und an (unsittliche) Verhältnisse. Die Schwestern sammeln Erfahrungen in Berufen und Ausbildungen fernab von zu Hause.
Nur Emily, die der „Sex Education“-Star Mackey mit neugierigem, offenem Gesicht und zusammengekauertem Körper gibt, sitzt zwischen allen Stühlen – und muss einen Internatsaufenthalt frühzeitig abbrechen, weil sie es in der Fremde nicht aushält. Im vertrauten, beengenden Elternhaus kennt sie dagegen immerhin jeden Schmerz. Auch den, eine „alte Jungfer“ zu werden.
„Emily“. Regie: Frances O’Connor. Mit Emma Mackey, Alexandra Dowling u. a. Vereinigtes Königreich 2022, 130 Min.
Der stärkste Moment in O’Connors einer recht vorhersehbaren Dramaturgie folgendem Film ist der erste Wendepunkt: Die Schwestern hocken in der schmucklosen Kirche, Gesichter unter den steifen, geflochtenen Hauben und schauen nach vorn. Von der Kanzel brettert der Vater das übliche Himmel-Hölle-Gewäsch.
Als ein Hilfspfarrer zunächst angekündigt wird und dann dessen Stimme ertönt, drehen sich die – im mehrfachen Sinne – „behüteten“ Köpfe, deren Bedeckung das weibliche Sichtfeld Mitte des 19. Jahrhunderts einschränkte wie Scheuklappen bei einem Pferd, unisono nach ihm um – und er ist ziemlich „easy on the eye“: Man kann die Pheromone geradezu spüren, die von dem großen, dunkelhaarigen William Weightman (Oliver Jackson-Cohen) in Richtung Frauen funken.
Rühren im Ekstase Topf
Zwar verneinen sämtliche Emily-Brontë-Apologeten die Idee einer Beziehung zwischen ihr und dem schönen Jungpfarrer (das reale Vorbild für die Figur hatte, das behaupten viele Biograf:innen, wenn überhaupt eher ein Techtelmechtel mit Anne). Doch O’Connor rührt im Ekstase-Topf, und schickt ihre Lovebirds nach einigen amourösen Eifersüchteleien in einsame Hütten, wo sie sich ihrer geknöpften und gebundenen Kleidungsschichten entledigen und übereinander herfallen. Gleichzeitig tauscht der unglückliche Branwell den Sherry mit dem Opium und zieht seine Schwester mit in inspirative Trips.
So nennt „Emily“ neben der körperlichen Hingabe und dem als Konsequenz daraus folgenden Herzschmerz auch Drogenerfahrungen als Quelle für das erfolgreiche und einzige Werk der jung verstorbenen Autorin, das sie zunächst – anders als der Film behauptet – unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichte.
Dass dieses Werk selbst jedoch nur eine Nebenrolle in O’Connors für ein jugendliches, weibliches, Romantik-affines Publikum ausgerichtetem Film spielt, ist ärgerlich: O’Connors ein wenig klischierte Botschaft von der beengten Situation, in der die Einbildungskraft wächst, wirkt angesichts der großen sprachlichen, rhythmischen und psychologischen Finesse des Romans ein wenig zu schlicht. Immerhin: Die Flammen der verbotenen Liebe lodern hoch.
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