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Dokumentarfilm zu Patricia HighsmithEine ewig Suchende

Die Doku „Loving Highsmith“ beleuchtet das Leben der Schriftstellerin Patricia Highsmith. Der Film ist auch ein Porträt queerer Zeitgeschichte.

„Sind Sie glücklich?“ Patricia Highsmith in jungen Jahren Foto: Rolf Tietgens Courtesy Keith DeLellis

„Wegen der Stille. Und weil ich nicht sprechen muss“, entgegnet Patricia Highsmith auf die Frage, warum es für ihre Arbeit wichtig sei, allein zu leben. Ihre Antwort spricht sie mit einer Bestimmtheit aus, die Bitterkeit erkennen lässt. Eine Hand hat sie samt Zigarette an ihre Schläfe gelegt, als der eingeschüchterte Journalist zur nächsten Frage ansetzt: „Ich stelle Ihnen diese dumme Frage: Sind sie glücklich?“

Ein kurzes Zögern, dann die nicht minder entschlossen hervorgebrachte Replik: „Ja, meistens.“ Wie um sich selbst zu versichern, fügt die gealterte Autorin schnell hinzu: „Warum auch nicht?“

Wie der Dokumentarfilm der schweizerischen Filmemacherin Eva Vitija erzählt, liegen die glücklichen Jahre im Leben der Patricia Highsmith zu diesem Zeitpunkt bereits hinter ihr. Falls sich die Nachwelt denn ein Bild vom Privatleben der US-amerikanischen Schriftstellerin, über das zeitlebens nur wenig bekannt war, gemacht hat, entspricht es am ehesten dem einer einsamen Misanthropin, die das Ende ihres Daseins abgeschottet und nur umgeben von Katzen in einem Dorf in Tessin verbrachte.

Der Film

„Loving Highsmith“, Regie: Eva Vitija. Schweiz/Deutschland 2022, 83 Min.

Das Verdienst von Vitijas Dokumentarfilm besteht vor diesem Hintergrund nicht nur darin, dass er überhaupt ihre – gemessen an ihrem Rang als einer der wichtigsten weiblichen Autorinnen des 20. Jahrhunderts – noch unterbelichtete Biografie in den Blick nimmt. Wenngleich „Loving Highsmith“ sie schließlich ebenfalls als eine ob ihrer Enttäuschungen verbitterte alkoholkranke Eremitin zeigt und ihre Entgleisungen zum Ende ihres Lebens dokumentiert, vermittelt der Film als liebevolles, aber niemals romantisch verklärtes Porträt auch einen reichhaltigeren Eindruck von ihrer zwischen Lebensfreude und inneren Dämonen changierenden Persönlichkeit.

Das gelingt durch die besondere Perspektive, die der Film einnimmt: Durch die Linse ihrer intensiven, kurzzeitigen Liebschaften blickt er auf die Autorin, die durch psychologische Kriminalromane wie „Der talentierte Mr. Ripley“ weltbekannt wurde.

Unzählige Frauen verführt

Neben Archivmaterial und von Maren Kroymann eingesprochenen Einträgen aus den Tage- und Notizbüchern der Schriftstellerin geben vor allem von Vitija geführte Interviews mit Familienmitgliedern und Weggefährtinnen Einblick in ihre rastlose, von wechselnden Leidenschaften und einer strengen Arbeitsmoral geprägte Vita. „Ich bin die ewig Suchende“, wird sie zitiert. Die Selbstbeschreibung klingt wie die Überschrift zu einem Gros ihres Lebens.

Diese Suche nimmt im New York der 1940/50er ihren Anfang. Eine ihrer zentralen Lebensgefährtinnen, Autorin Marijane Meaker, beschreibt sie als Szenegröße, die unzählige Frauen verführte, ihre Sexualität voll auskostete. Dem vorangegangen war eine turbulente Kindheit an der Seite einer Mutter, die sie früh spüren ließ, dass sie ein Problem mit Patricias burschikosem Auftreten hatte.

Ihr zuliebe soll sie sich zwei Therapien unterzogen haben, um ihre Homosexualität „zu heilen“. Dass ihr zweiter, unter Pseudonym publizierter Roman „Salz und sein Preis“ von ihr stammt, soll sich High­smith nie getraut haben, ihr mitzuteilen.

Ihre letzte Liebe

Dabei ist er bis heute von enormer Bedeutung im lesbischen Kanon: Entgegen dem, was Verleger damals von ­homosexuellen Liebesgeschichten erwarteten, endet der Roman nicht etwa mit Unglück oder Tod, sondern mit einem Happy End. Indem „­Loving Highsmith“ eine explizit lesbische Biografie in den Fokus rückt, porträtiert er auch ein Stück LGBT-Zeitgeschichte.

„Schönheit, Perfektion, Vollendung – alles erreicht, alles erlebt. Als Nächstes kommt nur noch der Tod“, notiert High­smith mit gerade einmal 40 Jahren ein wenig prophetisch. Da ist sie für eine verheiratete Geliebte und ihre wahrscheinlich letzte ernste Liebe gerade endgültig in die Alte Welt gezogen. Als Erste hat Vitija die Unbekannte ausfindig machen können, lüftet das Geheimnis um ihre Person jedoch nicht. Das passt zu einem Film, der den Mythos Highsmith zwar beleuchtet, ihn aber nicht entzaubert, sondern durch seine ganz eigene Lesart neu beflügelt.

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4 Kommentare

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  • "Obwohl politisch links orientiert, war sie doch gleichzeitig Antisemitin und Rassistin. Sie mochte keine Hunde, keine Blumen und keine Kinder. Frauen hielt sie Männern gegenüber für minderwertig – begehrte sie aber sexuell. Männer probierte sie ebenfalls aus, hätte im Prinzip gern einen geheiratet und war sogar einmal verlobt."

    taz.de/100-Geburts...ighsmith/!5741800/

    Tatsächlich das einzige, was ich in der taz zu ihren antisemitischen Einstellungen finden konnte. Dabei wär doch gerade interessant, wie sich Antisemitismus in das Denken einer so großartigen Schriftstellerin einfügt.

    Vielleicht hier ein Erklärungsansatz - nonkonformistisch, aber konform sein wollend:

    "Im Alter von 27 notierte Highsmith: „Bei allen platonischen Gesetzen, ich bin ein Mann und liebe Frauen.“ Doch sah sie sich tatsächlich als transgender oder transsexuell? Womöglich war dieses Bekenntnis auch nur Ausdruck eines Dazugehörenwollens zu einer Gesellschaft, die klare, heterosexuelle Geschlechterrollen verlangte."

    taz.de/20-Todestag...ighsmith/!5021598/

  • Und leider keine Silbe über den massiven Antisemitismus, der im Denken dieser großartigen Schriftstellerin war:

    www.juedische-allg...-semicaust-sprach/

    www.nzz.ch/feuille...uechern-ld.1653485

  • " Indem „­Loving Highsmith“ eine explizit lesbische Biografie in den Fokus rückt, "

    Nun, das ist sicherlich nicht der große Verdienst von Highsmith.



    Highsmith war eine ausgezeichnete Krimi-Autorin! Neu war der sympathische und intelligente Mörder (Ripley).



    Tolle Kurzgeschichten hat sie auch geschrieben.



    Was verfilmt wurde, erkennt man sofort als Highsmith wieder.

    Das Buch Carol hat mir gut gefallen. Sehr einfühlsam geschrieben. Gut verfilmt mit Cate Blanchet!



    Mein Buch-Favorit aber ist "Das Zittern des Fälschers" - wurde sogar verfilmt (Trip to Tunis) aber der Film ist leider, leider nicht zu bekommen.

    Viel Spaß beim lesen!