Neues „Bento“ geht online: Die wilden Zeiten sind vorbei
Das junge „Spiegel“-Angebot „Bento“ startet im neuen Design, es wirkt seriöser und erwachsener. Auch eine Printausgabe wird es künftig geben.
Jetzt ist es also tatsächlich passiert: Bento, die junge Nachrichtenseite des Spiegel, hat sich verändert und ist – nun endgültig – erwachsen und seriöser geworden. Nun ja, endgültig, oder wie Viktoria Bolmer, eine der Ressortleiterinnen von Bento sagt, „ein bisschen vielleicht“. Seit Mittwochvormittag liegt die neue Website in einem dunklen, kräftigen Blau vor weißem Hintergrund. Auch die Spiegel-Hausschrift hat man übernommen.
Die bunten und wilden Zeiten von Bento scheinen also vorbei. Keine Quizspiele, keine Listen findet man mehr auf der Website. Alles Inhalte, für die die junge Nachrichtenseite von Kritiker*innen in der Vergangenheit als redundant und nicht journalistisch bezeichnet wurde.
Nicht nur optisch will man sich verändern, auch inhaltlich soll künftig bei Bento einiges anders laufen. In der Vergangenheit habe Bento auch dpa-Meldungen genutzt, sagt Julia Rieke, ebenfalls Ressortleiterin. Darauf werde man jetzt verzichten. Denn Nachrichten gebe es schließlich auch auf woanders. Stattdessen setzt die Redaktion von nun an auf „längere, tiefer recherchierte Stücke mit Magazincharakter“, heißt es in der Pressemitteilung. Und möchte „den ganz eigenen Blick unserer Redaktion auf ein Thema vermitteln“, sagt Rieke. Die Perspektive ist dabei klar: jung, im Sinne der 18 bis 30-Jährigen.
Bald auch als Magazin
Hinzu kommt: Bento wird es ab 2020 auch in ausgedruckter Form geben in einer Druckauflage von rund 200.000 Exemplaren. Viermal im Jahr produziert die Redaktion dann eine Printausgabe unter dem Titel Bento Start, die als Beilage dem Spiegel beigelegt und an Universitäten ausgelegt wird.
Bento Start ersetzt also den alten Uni-Spiegel, der im April zuletzt erschienen war. Katharina Hölter, bislang Teamleiterin des Bento-Ressorts „Uni & Arbeit“, wird das Produkt redaktionell verwalten.
Während viele Verlage im Printbereich schon seit Jahren zurückschrauben, nun also ein ausgedrucktes Bento? Man kann diesen Schritt als mutig bezeichnen – oder als taktisch klug. Denn Bento Start wird kostenlos ausliegen. Also: eine sicherlich clevere und einfache Werbemaßnahme für Bento als Marke.
Viele Verlage haben in den vergangenen Jahren ähnliche junge Angebote wie der Spiegel geschaffen: Heute plus vom ZDF, byou von bild.de oder Ze.TT von Zeit Online. Nicht alle haben seit ihrer Gründung überlebt, mussten teilweise aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden. Vier Jahre nach dem Start von Bento und einem neuen Relaunch kann man also mal die Frage stellen: Wieso Bento nicht?
Man kann es ganz nüchtern sehen: „Spiegel Online ist natürlich reichweitenmäßig eine große Unterstützung“, sagt Rieke. Bento war also einfach profitabel. Dabei generierte die Nachrichtenseite seine Reichweite zu gut zwei Dritteln über Spiegel Online, wie es in einem Anfang September veröffentlichten Blogeintrag hieß. Für Verantwortliche des Produkts und im Verlag stellte sich zunehmend die Frage, wie sinnvoll es sei, Bento als eigenständigen Ableger beizubehalten.
Ort für Experimente
Mittlerweile heißt die Antwort: Es braucht die eigene Seite, um die gewachsene Community nicht zu verlieren. Und: „Um dort mehr ausprobieren und experimentieren zu können“, sagt Julia Rieke. Wahrscheinlich ist das die interessanteste und spannendste Erkenntnis aus dem Bento-Resümee.
Der junge Nachrichtenseite erfüllt eine Doppelfunktion im Spiegel-Haus. Die Redaktion produziert nicht nur Inhalte für ein junges Publikum, sondern dient auch als Versuchslabor für den Verlag. Unter der Marke Bento konnten seit der Gründung 2015 verschiedenste Zugänge und Formate probiert werden, die beim Spiegel selbst so nie hätten stattfinden können.
Auffällig ist, dass sich Themen wie Sex und Liebe, die einen großen Teil von Bento ausmachen, in ähnlicher Weise nun auch beim Digitalangebot Spiegel Plus zu finden sind. Das Kind Bento also quasi als Experimentierfeld für den Erwachsenen Spiegel.
Die wilden Zeiten von Bento scheinen nun also erst mal vorbei zu sein. Optisch und inhaltlich, so schreibt es der Verlag ja selbst, rückt Bento nun näher an den Spiegel. Experimentiert hat man vielleicht genug. Genug jedenfalls, um zu wissen, was funktioniert und was nicht.
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