Neues Ankunftszentrum für Geflüchtete: Tegel wird wieder Drehkreuz

Auf dem einstigen Flughafen Berlin-Tegel sollen künftig 10.000 Geflüchtete pro Tag versorgt und verteilt werden können. Knackpunkt ist das Personal.

Machten sich ein Bild von der Lage im Ankunftszentrum: Regierende Giffey und Senatorin Kipping (r.) Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

BERLIN taz | Der ehemalige Flughafen Tegel soll das zentrale Drehkreuz werden für alle Geflüchteten, die aus der Ukraine in Berlin ankommen. „Wir wollen in Tegel ein strukturiertes Ankommen ermöglichen“, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am späten Sonntagnachmittag bei einem Pressetermin vor den Türen des alten Terminal B.

In dem Flughafengebäude und auf Teilen des Rollfelds soll in den kommenden Tagen ein Ankunftszentrum aufgebaut werden. Dort können täglich mindestens 10.000 Geflüchtete registriert, versorgt und auf Unterkünfte in Berlin und bundesweit verteilt werden.

„Wir sehen uns einer sehr dynamischen Situation ausgesetzt, die uns vor große Herausforderungen stellt“, sagte Giffey. Täglich kämen bis zu 10.000 Menschen vor allem am Hauptbahnhof an, dort „staut sich gerade alles sehr stark“. Die Freiwilligenkoordination Moabit hilft hatte das ebenfalls am Wochenende heftig kritisiert: Die Situation am Hauptbahnhof sei zunehmend unübersichtlich, Geflüchtete wie Helfende orientierungslos.

Sie wolle, sagte Giffey, dass die Menschen am Hauptbahnhof aussteigen, gleich zum Express-Bus nach Tegel geleitet werden, „und dass sie dann wissen, sie sind in 25 Minuten da, bekommen erstmal einen Schlafplatz, zu Essen und zu Trinken“. Auch Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) betonte am Sonntag vor dem künftigen Ankunftszentrum: „Für die großen Ankunftsschübe brauchen wir diese Strukturen.“ Ein Ankunftszentrum für Geflüchtete existiert bereits, unabhängig von dem Ukraine-Krieg, in Reinickendorf.

Kipping sagte, Berlin nehme pro Tag im Schnitt 1.000 Menschen in den Notunterkünften des Landes auf. Insgesamt 4.000 seien derzeit alleine am Wochenende in den Landesstrukturen untergebracht worden. Hinzu kämen noch diejenigen, die privat unterkämen.

Zum Vergleich: Alle anderen Bundesländer meldeten laut Kipping täglich insgesamt 1.000 Platzkapazitäten, an die Berlin Geflüchtete weiterverteilen könnte. „Damit nimmt Berlin gerade so viel Geflüchtete auf, wie alle anderen Bundesländer zusammen. Das ist ein Missverhältnis“, sagte Kipping. Giffey sagte, am Sonntag seien von den anderen Ländern sogar nur 600 Plätze gemeldet worden. Hilfsorganisationen berichten, dass versprochene Busse, die Geflüchtete etwa nach Hannover bringen sollen, mitunter einfach nicht am Hauptbahnhof auftauchen.

Kipping sagte, sie rechne fest damit, „dass wir Montag oder Dienstag mit dem Verteilsystem auf die anderen Bundesländer starten“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach anfänglichem Zögern am Freitag den Ländern Hilfe zugesagt: Die Verteilung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ins Bundesgebiet soll künftig nach festgelegten Quoten erfolgen. Berlin müsste dann etwa fünf Prozent der ankommenden Geflüchteten vesorgen und unterbringen. Weil die Menschen aus der Ukraine als Kriegsflüchtlinge und nicht als Asyl­be­wer­be­r*in­nen gelten, hatte es zuvor Streit gegeben, ob auch für sie der sogenannte Königsteiner Schlüssel gelten soll.

Tegel braucht 600 Mitarbeitende

Wie schnell das Drehkreuz Tegel nun an den Start gehen kann, hängt auch davon ab, ob genügend Personal gefunden wird. Giffey sagte, man brauche für ein Dreischichtsystem, das rund um die Uhr arbeite, mindestens 600 Menschen. „Das ist eine Größenordnung, die wir nicht mal eben so bereitstellen können.“ Neben fünf Hilfsorganisationen, die in Tegel unter der Regie des Deutschen Roten Kreuz arbeiten, sei man auch auf Bundeshilfe angewiesen, betonte Giffey.

Katja Kipping, Sozialsenatorin

„Berlin nimmt gerade so viel Geflüchtete auf, wie alle anderen Bundesländer zusammen, das ist ein Missverhältnis.“

Sie habe am Donnerstag deshalb auch die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten, auf ihre Anfrage für 80 Personen „aber noch keine offizielle Antwort erhalten“, sagte sie am Sonntag. Das Bundesamt für Migration wolle für eine Woche 20 Mit­ar­bei­te­r*in­nen abstellen, die in Tegel bei der Einarbeitung mit dem elektronischen Registriersystem helfen sollen. Darüber freue sie sich, sagte Giffey, „aber das reicht noch nicht“.

Personal soll nun vor allem aus den Bezirks- und Senatsverwaltungen kommen. Man baue gerade „einen Pool auf“, sagte Giffey. Dabei setze man „zunächst auf Freiwilligkeit“. Auf einen entsprechenden Aufruf habe es auch schon Meldungen gegeben.

Das neue Ankunftszentrum soll künftig zwei Bereiche haben. Alle Menschen, die nach dem Verteilschlüssel nicht in Berlin bleiben, sollen möglichst schnell in die Busse geleitet werden, die sie weiter bringen. Zuvor sollen sie medizinisch betreut werden können, Verpflegung erhalten, auch Duschcontainer gibt es.

In der Notunterkunft im Flughafen, die bis zu 3.000 Betten haben soll, sollen nur diejenigen bleiben, die ohnehin auch in Berlin untergebracht werden. „Wir wollen mit Empathie einen guten Betreuungsansatz anbieten“, sagte Detlef Cwojdzinski, der für das DRK den Aufbau des Ankunftszentrum leitet.

Giffey kündigte am Sonntag auch an, die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau und ein stillgelegtes Flughafen-Terminal in Schönefeld ebenfalls als Notunterkünfte nutzen zu wollen. In Tegel kamen am Wochenende die ersten 500 Geflüchteten unter, 900 weitere Notübernachtungsplätze gibt es ebenfalls seit dem Wochenende in der Messe in Charlottenburg.

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