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Neues Album von Sophie Ellis-BextorFlunkern und Funkeln

Mit „Murder on the Dancefloor“ hat sich die britische Sängerin Sophie Ellis-Bextor unsterblich gemacht. Nun kommt ihres neues Album „Perimenopop“.

Sie hat das gewisse Etwas: Sophie Ellis-Bextor Foto: Bekky Calver

Das gewisse Etwas, Sophie Ellis-Bextor hat es. Wie sonst wäre nach 24 Jahren der leidlich solide Dancetrack „Groovejet“ des längst vergessenen DJ Spiller noch in unserer Erinnerung? Nur der von ihr gesungene Refrain „And if this ain’t love / Why does it feel so good“ hat dem Song das bisschen Ewigkeit eingehaucht.

Keine Überraschung also, wenn das nun erschienene achte Soloalbum der britischen Künstlerin als Rückkehr auf die Tanzfläche angekündigt wird. Zum Softball-elastischen Elektrogroove der jüngsten Single-Auskopplung „Taste“ mag die 46-Jährige das Besondere aber eher dem Partner zusprechen: „Maybe I won’t analyse your sweet complexity / Leave it mystery / You’ve got it.“ Allein ihr distinguiert schwärmender Gesangsstil bezeugt, dass wir nicht mehr im Sommer 1984 sind.

Es begann alles reichlich später, im Dezember 1997 nämlich. Damals in der Britpop-Endphase, landete eine cyborgartig-unterkühlte 18-jährige Sophie auf dem Titelbild des trendsettenden Magazins Dazed & Confused, während der Rest ihrer Band theaudience ins Heftinnere verbannt wurde.

Männer bewerten nach Fünfsterne-System

Die zeitgleich veröffentlichte Debütsingle „I got the Wherewithal“: eine masochistische Männerfantasie. Sophie Ellis-Bextor bewertet im Refrain des barocken Avantpop-Songs ihren Verflossenen nach dem Fünfsterne­system britischer Plattenrezensionsprosa: „Four stars is unbelievable – Two stars is unin­spiring – But you get no stars“, sinniert sie herablassend.

Perimenopop

Sophie Ellis-Bextor: „Perimenopop“ (Decca/Universal).

Live: 30. 9. 2025 Kantine, Köln, 1. 10. 2025 Mojo-Club, Hamburg, 7. 10. 2025 Astra, Berlin

Nach diesem Song versackt das Schaffen der Band auf Zweisterneniveau und bald bleibt Ellis-Bextor in ihrer Inszenierung der kühlen Diva auf sich allein gestellt. Doch da lebte immer auch ein stiller Schmerz in ihrer Stimme, man vermochte sie sich als Klassentyrannin ebenso, wie als das für seine Besonderheit gemobbte Mädchen vorzustellen.

2002 schien sie beide Mutmaßungen zu bestätigen, im Video des heute noch beeindruckenden Retro-Disco-Evergreens „Murder on the Dancefloor“, ergaunert sie sich als unbegabte Teilnehmerin eines Tanzwettbewerbs mit krimineller Energie den Sieg. Dann wurde es still um sie.

Im Soundtrack von „Saltburn“

Erst als „Murder“ in dem Soundtrack zu dem Film „Saltburn“ 2023 zu neuen Ehren kam, begannen sich Majorlabels wieder für Ellis-Bextor zu interessieren. Im Fernsehen der BBC verlas sie, die anders als viele britische Künst­le­r:In­nen, weiterhin in Israel auftritt, beim diesjährigen ESC-Wettbewerb die Resultate, während es dem eigentlichen Moderator unangenehm schien, „12 points for Israel“ zu sagen.

Der „Retro-Retro-Disco“ zu nennende, basspumpende Midtempo-Swing der ersten Albumauskopplung „Freedom of the Night“ klingt, als wären höchstens zwei Jahre seit „Murder“ vergangen. In Wirklichkeit haben sich die Zeiten geändert, nicht nur im Privatleben der nun fünffachen Mutter. Im Video verhilft sie ihrer Tochter mit vergleichsweise harmlosen Tricks zum Sieg beim Kindertanz-Wettbewerb.

Tänzelnd erkunden wir fortan Nightlife-Szenerien: „Dolce Vita“ bietet Italo-Disco-Popatmosphäre und in „Layers“ beamen uns spacige Stimmeffekte zurück in die SciFi-Welt des Pariser Retrofuturismus von Daft Punk. Der Auftakt von „Stay on me“ flirtet mit gleich drei Songideen, von der 60s Popballade über Disco, bis ein treibender elektronischer Beat zum samtig schimmernden Refrain geleitet.

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Murder On the Dancefloor (Extended Version)

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Was wirklich funkelt, ist Ellis-Bextors Vermögen, ihre Themen im Stil des klassischen Hollywoods zu interpretieren. So eint sie fili­gran Inszenierung und Leben, auch auf den 42 Portraits im Fotoautomatenlook auf dem Albumcover. Diese sind eine Absage sowohl an den elitären „No Make-up“-Puritanismus, als auch an normierende Schönheits-OP-Ästhetik und erst recht an opportunistische Normcore-Aggressivität. „Everything that matters, layers of the past / Just be glad you had it / Now it’s gone“, singt sie im letzten Stück. Sein Titel „You don’t know what you’ve got til it’s gone“, kommentiert dieses Bild.

Das ist ein für heutige Selbstwahrnehmungen kaum erträgliches Statement: Ich bin nicht alles, sagt uns die Künstlerin! „Perimenopop“ – Musik auf dem Weg in die (Peri-)Menopause, Blicke zurück und nach vorn von einer Künstlerin, die weiß, dass sie nicht ewig jung sein wird. Sophie Ellis-Bextor bestätigt auf ihre subtile Weise Disco als die soziopolitische Musik.

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