Neues Album von Maria Muldaur: Singen und Schmettern

Folksängerin Maria Muldaur spannt mit der Brassband Tuba Skinny ein Album zusammen. Dabei heraus kommt zeitgemäßer und vitalisierender Jazz.

Maria Muldaur singt , schließt die Augen und hat eine rosa Blume im Haar

Maria Muldaur bei einem Konzert im Jahr 2019 Foto: Patrick T. Fallon/Zuma/imago

Ein Jazz-Frühschoppen mit Musikveteranen, die durch Blech- und Holzblas­instrumente ein- und ausatmen oder an Banjo und Waschbrett hantieren, galt früher als Inbegriff von sonntäglicher Biederkeit. Es mussten dann schon Dr. John, Dirty Dozen und andere Brassbands oder auch der kalifornische Gitarrist Phil Alvin um die Ecke kommen, um mir die Arroganz vor Dixieland und Oldtimejazz allmählich auszutreiben.

Und heute? Zu einem Konzert der umtriebigen Blaskapelle Tuba Skinny aus New Orleans würde ich zu jeder Tages- und Nachtzeit pilgern. Mit ihrem neuen Album „Let’s Get Happy Together“ ist der Band ein Coup gelungen, sie haben sich mit US-Folksängerin Maria Mul­daur zusammengetan – halt, andersherum: Das Album läuft unter dem Namen der Sängerin!

Muldaur konnte nach eigenem Bekunden zunächst nicht glauben, dass hinter Tuba Skinny ein Haufen junger Leute steckt, so glaubwürdig und unakademisch interpretieren sie ihr Repertoire. Selbst im musikalischen Hochofen New Orleans hat das inzwischen Seltenheitswert. Ihre Interpretationen von Blues- und Ragtime-Standards, teils 100 Jahre alt und älter, kommen frisch wie am ersten Tag daher, klingen oft schmissig, aber auch mal tieftraurig und spätestens dann: zum Sterben schön.

Musik für beschädigte Seelen

Auf den Fotos im Booklet posieren Sängerin und Band einmal ohne und einmal mit Mund-Nase-Bedeckungen. Corona geht an niemand spurlos vorbei! Im Begleittext verschreibt Muldaur diese zeitlose Musik so explizit wie treffend als Medizin für beschädigte Seelen.

Maria Muldaur & Tuba Skinny: „Let's get happy together“ (Stony Plain)

Angestachelt vom lässigen Können der gestandenen Stra­ßen­mu­si­ke­r:in­nen kniete sich Maria Muldaur in die Recherche nach passendem Material aus Lieblingsliedern und Neuentdeckungen. Im Billie-Holiday-Paradestück „He ain’t got Rhythm“ holt sie mit instinktsicherer Phrasierung aber auch jede Nuance aus Irving Berlins bitterbösem Text heraus. Und singt mit ihren 78 Jahren überhaupt noch immer beeindruckend majestätisch.

Bei Tuba Skinny will niemand die anderen überbieten, und brillieren dürfen sie ja alle mal – die Kornettistin Shaye Cohn, Enkelin von Saxofonist Al Cohn, etwa in „Swing You Sinners“ (dazumal im Repertoire einer gewissen Valaida Snow, von Louis Armstrong seinerzeit als „zweitbeste Trompeterin der Welt“ gepriesen).

Grundentspannte Harmonien

Das Oktett schwelgt in den Klangfarben von vier Bläsern, lässt Banjo, Waschbrett sowie zwei Rhythmusgitarren um die Wette schrubben und harmoniert grundentspannt mit Muldaurs Koloraturen. Zum Finale „Road of Stone“, in den 1920ern von Pea Spivey gesungen, schließt sich auch ein Kreis zu deren Schwester, der Blues-Queen Victoria Spivey.

Die hatte die junge italienischstämmige Maria Grazia Rosa Domenica D’Amato in New Yorks Greenwich Village einst entdeckt und als Mentorin unter ihre Fittiche genommen. Maria, die dann in Jim Kweskins Jug Band das Folkrevival der 1960er mitinitiierte, sich deren Gitarristen und Sänger Geoff Muldaur als Ehemann angelte und eine Weile auch solo die Charts eroberte, ist im Lauf der Jahrzehnte zu einer versierten und immer kompletteren Künstlerin gereift.

Schon auf ihren letzten drei Alben hat sie Songs aus der ersten Hipster-Ära des Jazz revitalisiert, etwa mit den Gästen Taj Mahal, Bonnie Raitt und dem zum Zeitpunkt der Aufnahmen über 90-jährigen, inzwischen verstorbenen Bluespia­nisten Pinetop Perkins. Vor Kurzem hat ihr Ex-Mann Geoff Muldaur das epochale Roots-Music-Album „His Last Letter“ veröffentlicht. Mit „Let’s Get Happy Together“ zieht Maria jetzt gleich. Und nach dem Gesetz der Serie müsste nun eigentlich bald etwas Neues von ihrer Tochter Jenni folgen. Wir halten die ­Ohren steif!

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