Neues Album von Chemnitzer Trio Blond: Lassen sie mich durch, ich bin Blond
Das Chemnitzer Trio Blond wagt sich mit und doppelbödigen Sommerhits aus der Komfortzone. „Ich träum doch nur von Liebe“ heißt das neue Album.

Die Masterminds von Blond sind Nina und Lotta Kummer, die beiden jüngeren Schwestern von Kraftklub-Sänger (und Rapper) Felix Kummer. Gemeinsam mit Johann Bonitz, einem Freund aus Kindheitstagen, gründeten sie Blond bereits 2011. Mit seinen ersten beiden EPs „Blond“ und „Trendy“ sorgte das Trio mit seinem angriffslustigen Sound für frischen Wind.
Indierock versehen Blond mit lupenreinem Pop und Neue-Deutsche-Welle-Signaturen, das sorgte lange für hochgezogene Augenbrauen. Es folgten Tourneen mit Deutschpop-Bands wie den Kieler Leoniden und den Berlinern Von Wegen Lisbeth und die Veröffentlichung der beiden Studioalben „Martini Sprite“ (2020) und „Perlen“ (2023), beide hochgelobt von der Kritik und kommerziell durchaus erfolgreich.
Blond: „Ich träum doch nur von Liebe“ (Betonklunker/Butter für alle/Krasser Stoff/Zebralution)
13. bis 15. Juni: Blond führen ihr neues Album mit dem Robert-Schumann-Philharmonie-Orchester beim „Kosmos“-Festival in Chemnitz auf. Eine Tour startet im November.
Mit ihrem dritten Album, „Ich träum doch nur von Liebe“, kehren die Chemnitzer:innen nun also unter veränderten Vorzeichen in die Logik der Aufmerksamkeitsökonomie zurück.
Ausgetüftelt in Handarbeit
Und doch bleiben Blond lieber beim Bewährten: Schon die Vorabsingle „Girl Boss“ – wohl bewusst am 7. März, unmittelbar vor dem Internationalen Frauentag veröffentlicht – machte deutlich, dass Blond weiterhin am liebsten in Handarbeit tüfteln: Uptempo-Pop und ostdeutsche Frauenpower trifft auf beißende Satire.
Sie unterstreicht einmal mehr, dass Ironisierung und klare Haltung wunderbar miteinander harmonieren. „Komm, fick das Patriarchat / Kauf dir ‚Girl Power‘-Schals / Titten-Tassen und ‚Viva la vulva‘-Wein / Aktivismus kann so einfach sein“, singen die drei darin im Angesicht eines Pop-Feminismus, der vor allem auf Bekenntnisse setzt.
Das männliche Pendant zum „Girl Boss“ markiert der von Bassist und Keyboarder Bonitz gesungene Song „Bare Minimum“. „Ich stell’ mein Geschirr schon mal in die Spüle rein / Wie kann man nur so ein feminist icon sein“, intoniert er da durchaus selbstbewusst und überzieht zugleich jene Geschlechtsgenossen mit beißendem Spott, die sich im feministischen Diskurs betont sensibel geben, dabei aber übersehen, dass sie letztlich selbst machistisches Statusdenken reproduzieren.
Angeschoben ist der Song von einem funky Bass und dem präzisen Offbeat von Drummerin Lotta Kummer, bevor er sich im Refrain zur sphärisch funkelnden Dreampop-Nummer entwickelt. Es bleibt nicht nur bei diesen beiden Songs. Auf dem Album wird vielfach auf Problemlagen und Gewaltpotenziale zwischen den Geschlechtern abgezielt.
Neue Single „So Hot“
In „So Hot“ etwa wird das Verhältnis zwischen Begehren und Angst vor Missbrauch thematisiert. „Die Redflags wehen im Wind / Ghostet er oder stalked er mich mal?“, heißt es, bevor der Songtext im bedauernden Ausruf „Wär ich bloß nicht so hetero“ gipfelt. Durch ihre provokanten Texte, ihren Humor und eine explizit linke, dabei nie selbstzufriedene Haltung nehmen Blond im zeitgenössischen deutschsprachigen Pop eine ähnliche Sonderrolle ein wie früher Die Ärzte: Wie diese inszenieren sich auch Blond als Stachel im popkulturellen Fleische des konservativen Mainstreams.
Empfohlener externer Inhalt
Obwohl Blond bis jetzt noch nicht die ganz großen Hallen und Stadien füllen wie das Berliner Trio um Sänger Farin Urlaub, erreichen auch die drei Ausrufezeichen aus Chemnitz mittlerweile ein beachtliches, linksliberales Publikum – zuletzt etwa durch einen Auftritt im ZDF-Magazin „Royale“ bei Jan Böhmermann.
Auch ihr Hang zur ironisch gebrochenen Selbststilisierung erinnert an die „beste Band der Welt“: Gleich im „Intro“ auf dem neuen Album singt das Trio im Kanon: „Blond-Fans auf der ganzen Welt / Betet zur sächsischen Prominenz / Blond sind unsere Götter!“
Jenseits der Ironie
Doch während Songs jenseits der Ironie für Die Ärzte über Jahrzehnte kaum vorstellbar waren, wagen sich Blond auf „Ich träum doch nur von Liebe“ bereits jetzt auf neues Terrain. Etwa im Song „16 Jahr, blondes Haar“, der die problematische Sexualisierung junger Mädchen thematisiert („16 Jahr, blondes Haar / Unterm Make-up noch ein Kind“) und dabei – dem Thema angemessen – auf witzige Pointen verzichtet. Genauso wie in „Fliederbusch“, das auf rührende Weise einen gebrochenen Treueschwur zweier Freundinnen thematisiert.
Die meisten der zehn Stücke (das obligatorische „Intro“ und „Outro“ ausgenommen) auf „Ich träum doch nur von Liebe“ folgen dabei jenem Baukasten-Prinzip, das auch in der Vergangenheit für Blond nützlich war: Beats mit Schmackes treffen auf hymnische Refrains.
Der Sound mag nicht revolutionär sein, überzeugt jedoch in der Umsetzung. Die Kummer-Schwestern erweisen sich einmal mehr als großartige Songschreiberinnen mit einem beneidenswerten Händchen für genialische Pop-Momente.
Einzig im Song „SB-Kassen-Lover“ verlässt das Trio für wenige Augenblicke die klangliche Komfortzone und präsentiert einen wild puckernden Hybrid aus technoidem Wumms und Elektro-Punk-Klassenkeile gemischt mit jeder Menge poppy Einsprengseln. Das klingt durchaus gewagt, aber willkommen: ein Scooter-Sandwich mit Toast aus Atari Teenage Riot und Frittenbude.
Am Ende bildet dieses Stück die Ausnahme, gewisse Ermüdungserscheinungen auf Albumlänge sind nicht zu überhören. Macht aber nix, live sind Blond eh eine Bank, und das eine oder andere Stück von „Ich träum doch nur von Liebe“ wird sich ganz sicher in den Playlisten dieses Sommers finden. Außerdem führen Blond demnächst die Songs des neuen Albums mit einem Orchester live in Chemnitz auf. Ihre Musik könnte also ein neues Level erreichen.
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