Neues Album der Indie-Band Tics: Groovyness und Leichtigkeit
Die Kölner Punkband Tics hat ihr zweites Album rausgebracht. Abermals beweist das Quintett, dass politischer Punk auch Funk kann.
Ein Overkill ist es schon. Da schlägt die Rhythmusfraktion jazzy Kapriolen, das Saxofon röhrt wie im Fieberwahn, die Gitarre zuppelt rastlos vor sich hin und eine aufgekratzt bellende Stimme beschwert sich, dass alles so ist, wie es ist: Willkommen in der Klangwelt von Tics.
Tics sind ein Quintett aus Köln, das für diesen – dem Bandnamen entsprechenden – nervösen Sound steht. Vor zwei Jahren debütierten sie mit einem Album, das einerseits in der Tradition von US-Post-Hardcore-Bands der Achtziger wie Minutemen stand, aber zugleich die Ästhetik britischer Gruppen aus der Ära zuvor – etwa The Pop Group – mit aufgriff.
Abgehakter Funk, Groovyness und Leichtigkeit in den Punk zu bringen, darum ging es den genannten Bands damals, und darum geht es den Tics heute. Sie selbst nennen in einer Mail auch zeitgenössische Acts wie die britischen Sleaford Mods oder die US-Funk-Weirdos Vulfpeck als Einflüsse – und sogar R-&-B-Queen Solange.
„Agnostic Funk“ heißt nun folgerichtig das Zweitwerk der Band (in Anspielung auf die testosteronlastige New Yorker Hardcore-Band Agnostic Front), es erschien kürzlich auf Tomatenplatten, dem Label von Beatsteaks-Drummer Thomas Götz. Darauf machen Tics im Grunde da weiter, wo sie 2017 aufgehört haben. Nur klingen sie inzwischen noch quirliger, hippeliger, frickliger. Für die acht Stücke brauchen sie ganze 18 Minuten, die Tracks sind vollgepackt mit schrägen Gitarrentonfolgen und immer wieder wechselnden Rhythmen.
Irrungen und Wirrungen
Dass die Musiker – zur Tics-Stammbesetzung gehören Matthias Schroers (Gesang), Michael Sobott (Gitarre), Manfred Marbach (Bass), Jens Schmidt (Drums) und Wolfgang Finke (Keys) – allesamt ihr Handwerk verstehen, ist der Sache förderlich (was bei Weitem nicht immer so ist). Denn das große Plus der Stücke ist, dass sie zwar verspielt klingen, aber dabei den Faden nicht verlieren. „Boring“, eines der Stücke mit den meisten Irrungen und Wirrungen, hat etwa eine klar erkennbare Struktur und fällt trotz Windschiefe nicht völlig auseinander.
Mit „Blessed“ findet sich sogar ein veritabler Hit auf dem Album. Nicht nur musikalisch gibt es darin mit dem Gang-Of-Four-mäßigen Gitarrenlick historische Referenzen, sondern auch textlich: „1984 – everyone was scared of a nuclear war / 1989 – the walls came down, the wolves began to dine“, beginnt das Stück, in dem Tics auf die falschen Abbiegungen, die die Geschichte in den Vor- und Nachwendejahren genommen hat, zurückblicken. Selbst Ronald Reagan hat darin mit dem Bitburg-Besuch 1985 seinen Auftritt („SS, high five“).
24.4. Schokoladen, Berlin, 25.4. Mondfisch, Dresden, 26.4. Stuttgart, 27.4. Selbstverwaltetes Zentrum Wiesengrund, Erlangen, 24.5. Hafenklang, Hamburg.
Auch sonst eiern Tics inhaltlich erfreulich wenig herum, in „The Luck Of The Jewish“ setzt man ein eindeutiges proisraelisches Statement („one people’s only chance is a nation / grasp that and be patient“). Das Lied beschäftigt sich mit den Ereignissen, die der Eskalation des Gaza-Konflikts im Frühjahr 2018 zugrunde lagen – noch vor dem von der Hamas initiierten „Marsch der Rückkehr“.
„Zunächst wurde damals das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome in der Nähe des Gazastreifens von Gewehrkugeln aus Gaza ausgelöst“, erklären Schroers und Sobott via Mail, „da erweist sich, unter welchen Bedingungen dieser Staat existieren muss.“ Für beide sei es keine Frage, dass der Staat Israel eines besonderen Schutzes bedürfe, der Song von Tics sei eine Art „Geburtstagslied zum Jubiläums der Staatsgründung“ im vergangenen Jahr. Andere Songs dagegen widmen sich eher Alltäglichem, in „Boring“ scheint man einfach nur angeödet von den sich mondän gebenden Langweilern unserer Zeit.
Mit diesen sperrigen Tönen passen Tics bestens nach Köln, das immer verlässlich gute Postpunk-/Indiebands hervorgebracht hat; man denke an Von Spar, Oliver Twist, PTTRNS. Sicher, andere Szene, anderer Sound – aber in der Haltung, der Punkgrundierung, der ambitionierten Ästhetik gibt es Parallelen. Und dass Tics wie die Genannten auch mal ein etwas breiteres Publikum erreichen – bislang hängen sie noch in der Nische –, das wäre ihnen zu gönnen.
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