Neues Album „Void Beats/Invocation Trex“: Beschwörung auf der Autobahn
Das Experimentalprojekt Cavern of Anti-Matter verneigt sich mit seinem Album „Void Beats/Invocation Trex“ vor dem Krautrock.
![Tim Gane inmitten seiner zwei Bandkollegen Tim Gane inmitten seiner zwei Bandkollegen](https://taz.de/picture/1037475/14/Cavern_of_Anti-Matter.jpeg)
Man kann schon gar nicht mehr von einem Revival sprechen: Krautrock hat sich in den letzten 15 Jahren nach einer kurzen Sendepause als Nischenmusik bei einer jungen, elektronisch bewanderten Indie-Generation etabliert. Die Popularität der 1970er hat die Musikrichtung zwar nicht mehr erlangt. Die 1980er und 1990er scheinen aber nur ein kurzes Luftholen gewesen zu sein.
Profitieren tut die anhaltende Popularität verzopfter westdeutscher Hippie-Frickler dabei vom Entdeckerwillen der Netzgeneration – und von Bands wie Stereolab. Die Londoner zählten zu den wichtigsten Rock-Erneuerern der 1990er. Zeitgleich mit anderen hatten sie sich im Zuge ihrer Post-Rock-Experimente immer wieder auf Can, Faust oder Neu! bezogen.
Stereolab-Mastermind Tim Gane ist inzwischen nicht nur zu den Sauerkrauts nach Berlin gezogen, sondern hat sich auch mit Holger Zapf für ein neues Projekt zusammengetan. Der gehört zu den Menschen, die in der englischsprachigen Presse anerkennend als „German synth wizard“ bezeichnet werden, was eine durchaus angemessene Beschreibung ist. Er ist ein Virtuose an diesem Instrument. Ergänzt wird Cavern of Anti-Matter, so heißt die Band, durch den Stereolab-Drummer Joe Dilworth. Nach einigen EPs und Liedern im Netz erscheint jetzt ihr Albumdebüt „Void Beats/Invocation Trex“.
Nichtige Beats und Beschwörungstracks – das ist die treffende Bezeichnung für das, was darauf zu hören ist. Die Beats sind repetitiv, das schon, aber wollen dennoch nie allzu lange in einer Tonfolge verharren. Die meisten der Tracks entwickeln sich aus ihrer Rastlosigkeit. Man kann sich nie darauf verlassen, dass im nächsten Moment noch das gleiche Muster gespielt wird. Genau diese Kombination wirkt, wenn sie über längere Zeit durchgehalten wird, beschwörend. Wobei nicht ganz klar wird, ob das Beschworene außerhalb der Musik liegt oder sich nicht doch die Instrumente gegenseitig anrufen.
Blubbern des Synthesizers
So ließe sich einer der Tracktitel als Hinweis auf das Verfahren der Stücke auf „Void Beats/Invocation Trex“ lesen: „Echolalia“. „Echolalia“ oder zu Deutsch „Echolalie“ bezeichnet das Nachsprechen der Worte einer anderen Person. In vergleichbarer Weise sprechen sich Gitarre und Synthesizer ständig gegenseitig nach und fügen kleine Variationen hinzu. Sie spielen mit Motiven, die sie manchmal über zwei, manchmal über neun, einmal sogar über fast dreizehn Minuten entwickeln.
Dominiert wird „Void Beats/Invocation Trex“ vom ersten und längsten Track des Albums: „Tardis Symbols“ eröffnet den Rahmen, in dem sich im Folgenden alle anderen Stücke bewegen. Nach einem kurzen Auftakt, der ein scheinbares Stimmen der Gitarre mit einem erstem Blubbern des Synthesizers vermischt, setzt erst das Schlagzeug und dann der Synthie-Bass ein.
Cavern of Anti-Matter: „Void Beats/Invocation Trex“ (Duophonic/Rough Trade); live, 11. März Berlin, Berghain Kantine
Von da an bewegt sich der Track mit relativ hoher Schlagzahl dahin; mal tritt der Synthie in den Vordergrund, mal wieder die Gitarre, gelegentlich haben auch Hi-Hats ihren Auftritt. Der Synthesizer flimmert und flirrt melodisch, die Gitarre echot effektvoll. Andere Highlights gibt es dabei nicht – dafür immer wieder Momente, in denen sich ein Synthie-Akkord oder ein Gitarren-Ton für kurze Zeit vom Hintergrund der Rhythmussektion abheben.
Deerhunter steuert Gesang bei
Neben Krautrock lässt sich für diese Musik auch elektronische Popmusik der 1980er als Referenzpunkt ausmachen. Einmal steuert Bradford Cox von der US-Band Deerhunter Gesang bei, das bleibt aber die Ausnahme. Der Großteil der Tracks ist rein instrumental. Es sind daher die kleinen Differenzen, die „Void Beats/Invocation Trex“ interessant machen. Um diese zu erkennen, muss man sich erst einmal ein Stück mitnehmen lassen, bevor man mitgerissen wird.
Es erfordert Geduld, sich auf diese Musik einzulassen. Um ein Krautrock-Klischee zu bemühen: „Void Beats/Invocation Trex“ ist eines dieser Alben, die sich gut für lange Nachtfahrten auf der Autobahn eignen.
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