Neuer alter Präsident in Brasilien: Moment der Hoffnung
Der glatte Übergang vom bisherigen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro zum Nachfolger Lula ist eine gute Nachricht, das neue Personal vielversprechend.
D ie Erleichterung ist groß. Ohne Zwischenfälle konnte Luiz Inácio Lula da Silva am 1. Januar sein Amt als Präsident Brasiliens antreten und somit die Amtszeit des Rechtsradikalen Jair Bolsonaro beenden. Für viele Menschen in Brasilien ist das das Ende eines vierjährigen Albtraums. Die Anspannung in den Tagen vor der Amtsübergabe war groß. Aber alles blieb ruhig, ein geplanter Anschlag konnte von der Bundespolizei verhindert werden. Und nach dem Verschwinden Bolsonaros in die USA nimmt der Widerstandswille seines Gefolges rasch ab.
Und so wurde der Amtsantritt Lulas zu einem Fest der Freude und der Hoffnung – voller symbolischer Gesten. Fünf Menschen aus dem Volk, darunter ein Indigener und eine Müllsammlerin, überreichten Lula die Präsidentenschärpe. Aber die ersten Entscheidungen Lulas sind konkret: Die Liberalisierung des Waffenbesitzes wurde zurückgenommen, die Finanzierung von Aktionen zur Reduzierung der Entwaldung wiederaufgenommen.
Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens gibt es ein Ministerium für indigene Völker. Die Schwester der ermordeten Abgeordneten Marielle Franco, Anielle Franco, wird Ministerin für die Gleichstellung ethnischer Gruppen. Und mit der Ernennung der international hoch angesehenen Marina Silva zur Umweltministerin zeigt Lula, dass es ihm mit dem Kampf gegen die Entwaldung ernst ist. Lula sendet damit ein starkes Signal für grundlegende Änderungen.
Es gibt also Grund zur Freude. Lula hat die große Chance, viel zu erreichen – gerade weil sein Vorgänger Bolsonaro eine so katastrophale Bilanz hinterlässt. Alle wissen, dass die Herausforderungen immens sind. Das Land ist gespalten, die Regierungskoalition extrem heterogen, und es fehlt an Geld im staatlichen Haushalt. Aber für die diejenigen, die Lula gewählt haben, ist dies ein Moment der Hoffnung und Freude, den wir mit ihnen teilen sollten. Denn der Sieg Lulas ist auch von internationaler Bedeutung: Es ist ein Sieg der Demokratie gegen die Trumps und Orbáns dieser Welt.
Thomas Fatheuer leitete von 2003 bis 2010 das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland ist er als Berater und Autor tätig und Mitarbeiter des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden