Neuer Thinktank in Berlin: Denken auf russische Rechnung
In Berlin entsteht ein Thinktank – mit russischem Geld, fragwürdigen Verbindungen und großen Plänen. Doch wer da was erforschen soll, ist unklar.
Dieses Vorhaben könnte gelingen – dank kräftiger Unterstützung aus Russland. Einer der Köpfe hinter dem „Dialogue of Civilizations Research Institute“ stammt aus Sankt Petersburg. Geld für den Thinktank kommt offenbar ebenfalls aus Russland. Zu den Unterstützern gehört zudem eine Reihe deutsch-russischer Lobbyvertreter.
Einigen Beobachtern bereitet das Sorgen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht bereits von einem „Instrument der hybriden Kriegsführung Moskaus“. Zu Recht?
Zumindest direkte Verbindungen zum Kreml bestreiten die Verantwortlichen: Man wolle unabhängig arbeiten und nehme deshalb keine Mittel von der russischen Regierung. Woher das Geld für das Institut stattdessen stammt, bleibt aber unklar. Eine offizielle Auskunft gibt es nicht; einer der Beteiligten spricht von Unterstützung durch russische Oligarchen.
Aufmerksamkeit durch fragwürdige Aussagen
Kreise, zu denen ein Mitbegründer des Instituts beste Verbindungen hat: Wladimir Jakunin, langjähriger Vertrauter von Wladimir Putin und bis 2015 Chef der russischen Eisenbahn. Ebenfalls unter dem Namen „Dialogue of Civilizations“ organisiert er seit Jahren Konferenzen auf der griechischen Insel Rhodos. Die Veranstaltungen sollen den „konstruktiven Dialog zwischen den weltweit führenden Zivilisationen“ fördern – bislang mit mäßiger Resonanz.
Aufmerksamkeit in Deutschland erhielt Jakunin stattdessen durch einige fragwürdige Aussagen. Mit Blick auf die österreichische Travestiesängerin Conchita Wurst sprach er einst von „abnormer Psychologie“. In der Ukraine-Krise sprach er von einem „vulgären Ethno-Faschismus“ des Westens.
Institutsgründer Peter W. Schulze
Könnte seine Denkfabrik da nicht doch als Propagandainstrument des Kreml angelegt sein? „Wir werden keine russischen Interessen vertreten“, beteuert Peter W. Schulze, Politikwissenschaftler und zweiter Gründer des Instituts. Er leitete einst das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau. Der neue Thinktank wird sich ihm zufolge nicht auf das Thema der deutsch-russischen Beziehungen versteifen, sondern diverse „globale Fragen, wie etwa demografische Veränderungen“, ansprechen.
Welche Wissenschaftler daran beteiligt sein werden, ist aber noch nicht klar. Auch eine Immobilie hat der Thinktank noch nicht gefunden, die reguläre Arbeit wird nach Einschätzung der Gründer erst im Herbst beginnen.
Zunächst bleibt es bei einer Auftaktveranstaltung mit hochkarätigen Gästen: Nach Berlin-Mitte kommen am Freitag unter anderem Matthias Platzeck (Deutsch-Russisches Forum), Hartmut Mehdorn (unter anderem Aufsichtsrat der russischen Eisenbahn) und Harald Kujat (ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr). Eine Runde älterer Herren also – mit besten Verbindungen nach Moskau.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott