Neuer „Tagesthemen“-Moderator Roth: Ein Format von Format
Die „Tagesthemen“ sind eine der letzten Institutionen des deutschen Fernsehens. Sie sollen lockerer werden, fordern die Zuschauer. Jetzt kommt Thomas Roth.
BERLIN taz | Es gibt Positionen im öffentlich-rechtlichen Fernsehreich, bei denen geht es, wenn sie vakant sind, um viel mehr als die bloße Neubesetzung einer freien Stelle: Sie sind ein Politikum, um sie wird gefeilscht, auf sie gibt es alte Zugriffsrechte von bestimmten Sendern.
Der „Erste Moderator“ der „Tagesthemen“ ist solch ein Job – und der Westdeutsche Rundfunk unter dem neuen Intendanten (und früheren „Ersten Moderator“) Tom Buhrow hat seine Option gezogen. Buhrow hat Thomas Roth zu seinem Nachfolger auserkoren, und die anderen IntendantInnen haben den Vorschlag abgesegnet.
Es gibt nicht mehr allzu viele Formate im deutschen Fernsehen, die so sehr mit ihren Moderatorinnen und Moderatoren verknüpft sind wie die „Tagesthemen“. Wer die Nachrichten in der „Tagesschau“ vorgelesen hat, haben wir um 20.16 Uhr schon wieder vergessen, wie Roth die vielen kommenden Beiträge zur Bundestagswahl anmoderiert, soll im Gedächtnis bleiben.
Die „Tagesthemen“ sind eine der wenigen verbliebenen Institutionen des deutschen Fernsehens: 35 Jahre alt, knappe eine halbe Stunde lang, zwischendrin von einem Kommentar unterbrochen. Sie wird noch immer kritischer beäugt als andere Nachrichtensendungen.
Die Konkurrenz war beliebter
„Das auf 30 Minuten gedehnte Magazin bringt nicht viel mehr als die abgetakelte Spät-’Tagesschau‘“, schrieb der Spiegel über die erste „Tagesthemen“-Sendung vom 2. Januar 1978, in der der nicht mehr im Mittelpunkt, sondern nur noch neben einem Hauptmoderator sitzende Nachrichtenvorleser Karl-Heinz Köpcke ungeniert gähnte.
Doch was sollte die ARD machen? Schließlich plante das ZDF mit dem „heute journal“ ebenfalls eine am selben Tag startende moderierte und kommentierte Spätnachrichtensendung. Und bei den Zuschauern kamen die „Tagesthemen“ an, wenn auch nicht ganz so gut wie die Konkurrenz vom Zweiten.
Doch dann ging es in der Publikumsgunst bergab: 1995 schauten noch 12,9 Prozent der Zuschauer die „Tagesthemen“, 2007 nur noch 10,0. „Am Zuschauer vorbei“, kommentierte die Süddeutsche Zeitung damals.
Die ARD ließ Nachforschungen anstellen, wie sie das für die Zuschauer 2007 viel zu angestaubte Spätnachrichten-Möbelstück wieder aufpolieren könnte. Ergebnis: bitte früher senden, bitte lockerer werden.
Inhaltlich kaum Änderungen
Das Frühersenden haben die Verantwortlichen eingelöst. Mittlerweile kommen die „Tagesthemen“ von Montag bis Donnerstag einheitlich um 22.15 Uhr. Die Quote stieg 2012 auf knapp 11 Prozent.
Dabei hat sich inhaltlich kaum etwas geändert. In einer Untersuchung der Jahre 2001 bis 2011 füllten die „Tagesthemen“ konsequent 11 bis 12 Minuten ihrer 25 Minuten Sendezeit mit Politik, 3 Minuten mit Wirtschaft, 120 Sekunden mit Sport, ebenso viel mit Wetter und den Rest halt mit allem anderen. Vier bis fünf Themen sucht sich die Redaktion jeden Tag aus, die in längeren Beiträgen betrachtet und zukünftig von Roth oder Miosga anmoderiert werden.
Und das mit dem Lockerwerden? Na ja, dafür haben sie ja jetzt Thomas Roth.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören