Neuer Speaker im US-Repräsentantenhaus: Sieg der Verhinderer
Das US-Parlament ist formal wieder arbeitsfähig, zahlt dafür aber einen hohen Preis: Der neue Parlamentssprecher dürfte einen Kurs ohne Kompromisse fahren.
![Mike Johnson seht vor einer US-Fahne, er hebt die Hand Mike Johnson seht vor einer US-Fahne, er hebt die Hand](https://taz.de/picture/6608016/14/US-Reprasentantenhaus-Speaker-Johnson-1.jpeg)
N ach über drei Wochen hat das US-amerikanische Repräsentantenhaus wieder einen Vorsitzenden und ist damit arbeitsfähig. Eigentlich ist das eine gute Nachricht. Kein Speaker, keine Gesetze, kein Haushalt – das konnte kein Zustand mehr sein. Wohl vor allem deshalb ging es jetzt plötzlich schnell, die republikanische Chaoten-Fraktion auf den weitgehend unbekannten evangelikal-konservativen Trump-Unterstützer und Wahlleugner Mike Johnson aus Louisiana einzuschwören.
Im Ergebnis haben allerdings diejenigen Hardliner, die vor drei Wochen den vorherigen Speaker Kevin McCarthy stürzten, ihr Ziel erreicht. Der Vorsitz ist politisch deutlich nach rechts gerückt – und ihre eigene Macht ist gestärkt. Genau wie die von Donald Trump, der zwar seinen Lieblingsrechtsaußen Jim Jordan nicht hatte durchbringen können, am Schluss aber kräftig daran mitwirkte, den deutlich moderateren Tom Emmer zu verhindern und Mike Johnson auf den Thron zu hieven.
Das wiederum dürfte bedeuten, dass es mit der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Kongresses dann doch nicht so weit her ist. Denn jene, die den Putsch gegen McCarthy anzettelten und sich nunmehr durchgesetzt haben, sehen die Aufgabe des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses nicht darin, der Biden-Agenda ein paar konservative Tupfer abzutrotzen, sondern in konsequenter und kompromissloser Obstruktion.
Was das heißt, wird schon Mitte November deutlich werden. Dann läuft die Zwischenfinanzierung aus, die Kevin McCarthy Anfang Oktober mit demokratischen Stimmen durchgebracht hatte, um die landesweite Schließung von Bundesbehörden zu verhindern. Genau das hatte ihn zum Abschuss freigegeben – Johnson weiß, was das bedeutet. Jede Kompromissbereitschaft mit den Demokraten kann auch ihn den Kopf kosten.
Für die Unterstützung der Ukraine wird es eng
Konkret wird das bedeuten: Für die weitere finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine wird es eng. Einen verabschiedeten Gesamthaushalt wird es bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr geben – Zwischenfinanzierungen werden sich die Republikaner mit immer neuen Kürzungsforderungen bezahlen lassen.
Johnson wird gleichzeitig versuchen, eine eigene Agenda zu setzen. Das dürfte heißen, dass das noch von McCarthy begonnene Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden wegen mutmaßlicher Verwicklung in womöglich krumme Geschäfte seines Sohnes Hunter unter Johnson Fahrt aufnehmen wird. Als gelernter Anwalt, der als Abgeordneter Donald Trump in dessen Impeachmentverfahren verteidigte, hat er da Expertise. Und im Wahljahr Trump zu helfen, kommt in der Partei gut an.
Außerdem wird Johnson diverse Kulturkampfthemen zur Abstimmung bringen: Vom landesweiten Abtreibungsverbot bis zu Einschränkungen von LGBTQi-Rechten. Die haben zwar alle keine Chance, auch den demokratisch kontrollierten Senat zu passieren, nutzen aber zur rechten Profilierung im Wahlkampf.
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