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Neuer Sozialverband gegründetSie wollen Lobbyisten werden

„Die Psycholoten“ fordern ein Ministerium für soziale Gerechtigkeit. Der Gründer war zuvor Helikopterpilot und Psychologiestudent.

Die „Psycholoten“ wollen als Sozialverband politisch mitmischen – auch im Bundestag mit Hausausweis Foto: Stefan Boness/ipon

Berlin taz | „Die Psycholoten“ haben sich für ihren Namen von der Psychologie inspirieren lassen, von den Worten „die Psyche ausloten“. Unter den Gründungsmitgliedern des neu gegründeten Sozialverbands: Psychologen und Piloten.

Ihr Initiator Markus Grill war sogar beides: Helikopterpilot und Psychologiestudent. Der 40-jährige Mitbegründer der Psycholoten ist in Mannheim geboren und in Ludwigshafen am Rhein aufgewachsen. Er arbeitete schon als Briefsortierer, Verpacker und Datentypist, außerdem ist er Unternehmensberater und Erfinder. Sieben eingetragene Gebrauchsmuster beim Patentamt hat er schon, darunter eine spülmittelspendende Spülbürste und eine sich selbst abschaltende Steckdose.

Nun ist Grill also auch Gründungsmitglied eines Sozialverbands. „Wir sind eine aus der Gesellschaft heraus entstandene Bewegung – nicht radikal und keiner Partei zugehörig“, so beschreibt Grill gegenüber der taz die Psycholoten. Hervorgegangen sind sie aus einer kleinen studentischen Gruppe in Trier, die im Zuge ihres Psychologiestudiums über politische, ethische und soziale Themen diskutierte.

Der neue Verband fordert nicht nur eine Erhöhung des Mindestlohns, die Regulierung der Leiharbeit und die Umkehr der Rentenabsenkung, sondern auch ein eigenes Bundesministerium für soziale Gerechtigkeit. „Wir werden wichtige soziale Themen der deutschen Bevölkerung stets präsent halten“, so Grill.

Unterstützung von KabarettistInnen

Ein weiteres Ziel der Psycholoten ist es, ein in das Lobbyregister des Bundestages eingetragener sozialer Interessenverband zu sein. Eingetragen sind dort schon die großen Sozialverbände VdK und SoVD. Die Eintragung ist nämlich Voraussetzung, um einen Hausausweis für den Bundestag zu bekommen und an öffentlichen Anhörungen vor Bundestagsausschüssen teilzunehmen.

Keine neue Idee also, schaden dürfte der Einsatz für soziale Gerechtigkeit aber nicht. Öffentlichen Zuspruch gibt es vor allem von KabarettistInnen: Volker Pispers, Lisa Fitz und Anny Hartmann haben laut Grill schon ihre Unterstützung zugesagt. Momentan hat die Gruppe 7 Mitglieder, rund 50 Anfragen seien aber bereits eingegangen.

„Ich unterstütze die Psycholoten, weil ich es wichtig finde, dass es ein Gegengewicht zu den vorhandenen Lobbygruppen der Wirtschaft gibt“, sagte die Kabarettistin Anny Hartmann der taz, die sich auch in ihrem Bühnenprogramm mit Lobbyismus beschäftigt.

Ende Februar soll eine Crowdfunding-Aktion für die „Psycholoten“ beginnen. Von den Einnahmen wollen sie eine groß angelegte Werbekampagne starten. Was dazu noch fehlt, ist die Eintragung ins Vereinsregister. Denn ohne Registernummer auch kein Spendenkonto. Und ohne Spendenkonto keine unabhängige Finanzierung. Danach soll es ins Parlament gehen.

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5 Kommentare

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  • Hallo Pfanni. Wir sind keine Partei und wollen auch keine sein. Die Themen welche wir ansprechen (Niedriglöhne, sachgrundlose Befristungen, Altersarmut, Rentenabsenkung u.v.m.) möchten wir sozial gelöst bekommen. Wie soll da etwas radikales als Lösung funktionieren? Radikale Änderungen müssen geschaffen werden - aber dies mit normalem, empathischem Menschenverstand.



    Ob wir Erfolg haben werden, hängt davon ab, ob alle so pessimistisch denken oder es noch mehr mit einem Funken Hoffnung gibt, die sich uns anschliessen um etwas in Gang zu setzen. Nichts zu versuchen wäre der falsche Ansatz.

    Und Frau Hartmann hat mit Ihrem Programm gegen Lobbyismus doch Recht! Deshalb treten wir an, um es besser zu machen. Lobbyismus ist auch für uns negativ behaftet - aber Klientelpolitik benötigt anscheinend Lobbyismus - lehrt uns auch die Erfahrung...

    Beste Grüße



    Markus

  • Irgendwie erinnert mich das fatal an Italiens M5S. Sogar der Name des Gründers und die Nähe zum Kabarett passen. Realsatire?

    Was sich zunächst wie frischer Wind anfühlte (und tatsächlich so manche soziale Komponente aufwies) endete als Steigbügelhalter der Ultrarechten. Möge uns dieses Schicksal erspart bleiben.

    • @tomás zerolo:

      Keine Realsatire. Das ist nun mal mein Name. M5S ist eine Partei, wir sind eine soziale Lobby-Organisation.



      Beste Grüße



      Markus

  • 1.: „Wir sind eine aus der Gesellschaft heraus entstandene Bewegung – nicht radikal und keiner Partei zugehörig“



    Das hört sich an, wie „Mitte der Gesellschaft“. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es auf Dauer nicht so bleibt. Die Tendenzen nach links und rechts werden zunehmen und die Organisation lähmen, bis sie in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Erinnert sich noch jemand an die „Piraten“? Da lief es auch so. Am Ende gingen die Meisten zur Linkspartei oder zur AfD.



    2.: „Ich unterstütze die Psycholoten, weil ich es wichtig finde, dass es ein Gegengewicht zu den vorhandenen Lobbygruppen der Wirtschaft gibt“, sagte die Kabarettistin Anny Hartmann der taz“



    Vermutlich hat Frau Hartmann bisher in ihren Sketches die Lobbyisten gehörig aufs Korn genommen. Das wird sie wohl auch künftig tun, mit einer Ausnahme: Die EIGENE Lobby-Arbeit. Weil das doch was gaaanz anderes ist!

    • @Pfanni:

      Hey Pfanni letzteres stimmt ja auch. Lobbyismus ist ja ein System des Kommunizierens in unserem System. Probleme und Regulierungsbedarf muss kommuniziert werden, damit politisch gehandelt werden kann. Problem an unserem Lobbyismus ist nicht der Lobbyismus selbst sondern vielmehr die Ungleichverteilung der Zugänge von Lobbyisten. Unterschiedliche Zugänge, Ungleichverteilung der Ressourcen, die notwendig sind, die eigenen Interessen zu vermitteln und damit einhergehend das Problem der Intransparenz, wer wie viel mitsprechen kann. An sich ist das System Lobby wichtig um Probleme der Politik zu vermitteln um Änderungen anzustreben. Problem ist nur, dass die sozialen/ ökologischen etc. (Also all die guten :) meist weniger mitsprechen als die anderen/ weniger ernstgenommen werden (was genau das Problem ist, müsste man natürlich im einzelnen schauen.)