Neuer Schalke-Trainer Manuel Baum: Vor der mittleren Reife
Manuel Baum wird neuer Trainer bei Schalke 04 und steht vor extremen Herausforderungen. Die Aura des Assistenten Naldo soll ihm dabei helfen.
Bewegte Tage sind im Gelsenkirchener Fußballbetrieb nichts ganz Ungewöhnliches, aber die Flut der Nachrichten, die am Mittwoch über die königsblaue Gemeinde hereinbrach, war selbst für erfahrene Schalker eine Herausforderung. Schon in der Nacht kursierten Gerüchte, denen zufolge der Fußballtrainer Manuel Baum als Nachfolger des am Sonntag entlassenen David Wagner eingestellt werden würde, was dann am Mittwoch tatsächlich konkrete Formen annahm.
Bevor Baum am Nachmittag vorgestellt werden sollte, publizierte der FC Schalke jedoch weitere Mitteilungen, die das Interesse der Anhänger weckten. Zum einen wurde über den Wechsel des Angreifers Guido Burgstaller zum FC St. Pauli informiert, ein weiterer Profi, der den Menschen ans Herz gewachsen war, verlässt den Klub.
Anschließend veröffentlichten der FC Schalke Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2020, die zumindest in der publizierten Form weit weniger dramatisch wirken, als es die vielen Berichte über die finanzielle Schieflage vermuten lassen. „Die Königsblauen haben es dank einer schnellen Reaktion mit umfangreichen Kostensenkungsmaßnahmen – wie beispielsweise dem Gehaltsverzicht im Lizenzspielerbereich sowie anderen Bereichen des Konzerns, flächendeckender Kurzarbeit sowie dem Stopp von Investitionsprojekten – geschafft, die Auswirkungen auf das Ergebnis in Grenzen zu halten“, flötete die PR-Abteilung.
Der Schuldenstand stieg von 198 Millionen Euro auf 205 Millionen. Es folgten Berichte über den ehemaligen Spieler Naldo, der Baums Assistent werden soll, über eine Leihe von Ersatztorhüter Markus Schubert nach Frankfurt, von wo Frederik Rönnow nach Schalke kommt. Nur die Bestätigung, dass Baum tatsächlich Trainer wird, war zunächst lediglich über informelle Kanäle zu bekommen.
Passende Verbindung?
Allerdings war er längst vor Ort, am Abend sei das erste Training geplant, bestätigte er gegenüber Journalisten, bevor er am Samstag mit Schalke bei RB Leipzig spielen wird. In der anschließenden Länderspielpause soll Baum dann das seit 18 Bundesligapartien sieglose Team zu einer starke Leistung gegen Union Berlin coachen. Ob dieser Bayer allerdings zu diesem seltsamen Fußballverein passt, wird noch länger kontrovers diskutiert werden.
Der 41 Jahre alte Baum gehört nicht zum Kreis dieser Ex-Profis, die ständig verführt sind, ihre eigenen Erfahrungen aus dem vergangenen Jahrtausend hervorzukramen. Der ehemalige Amateurtorhüter arbeitete lange als Lehrer einer Realschule, über einen Job im Nachwuchsleistungszentrum beim FC Augsburg stieg er 2016 zum Chefcoach des Klubs auf, scheiterte am Ende aber auch aufgrund von Zerwürfnissen mit Spielern.
Nun soll er den Schalker Kader zu einer Einheit formen, was eine große Herausforderung darstellt. Es gibt Leute wie Sebastian Rudy oder Mark Uth, die, nach allem, was bekannt ist, lieber anderswo spielen würden. Komplizierte Charaktere wie Nabil Bentaleb oder Amine Harit, die zwischenzeitlich suspendiert waren, müssen sich ebenso wohlfühlen wie die einst aussortierten Ralf Fährmann oder Hamza Mendyl. Das muss ein Trainer erst mal hinbekommen, aber womöglich ist der von einer mitreißend positiven Aura umgebene Naldo dabei ein wichtiger Faktor.
In jedem Fall birgt die Entscheidung für Baum und gegen Dimitrios Grammozis sowie Mark van Bommel, die aussichtsreichsten anderen Kandidaten, gewisse Risiken für Jochen Schneider. Der Sportvorstand hatte sich am Ende der vorigen Saison intern schon mit seinem Wunsch nach einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit David Wagner gegen andere durchgesetzt. Nun haben die Gremien abermals der Lösung zugestimmt, die Schneider favorisierte.
Wenn das Projekt mit Baum ebenfalls schiefgehen sollte, dürfte das Vertrauen des Aufsichtsrats in Schneider Schaden nehmen. Aber es liegt auch eine Chance in diesem Personalwechsel, denn Baum weckt keine allzu großen Erwartungen. Niemand würde sich wundern, wenn der Klub in seinem derzeitigen Zustand und mit diesem Trainer während der kommenden Monate irgendwo zwischen Platz 10 und Platz 15 der Tabelle herumdümpelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen