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Neuer Roman von David SchalkoSeine allerletzte Habe

David Schalko beschreibt in „Was der Tag bringt“ eine gepfefferte, postpandemische Identitätskrise. Seine Hauptfigur Felix lebt sie voll aus.

David Schalko beschreibt einen Menschen, der sich, von den Umständen gezwungen, selbst vor die Tür setzt Foto: Anja Weber

Was der Tag bringt – ist nicht immer etwas Gutes. David Schalko, Autor zahlreicher erfolgreicher Fernsehproduktionen („Altes Geld“, „Braunschlag“, „Aufschneider“) und mehrerer Bücher, beschreibt in seinem neuen Roman, wie in der postpandemischen Gesellschaft auch die urbane Mittelschicht in die Armut abrutschen kann.

Felix, die Hauptfigur, ist ein Enddreißiger, hat nichts Gescheites gelernt und in keiner seiner zahlreichen Beziehungen lange Halt gefunden. Irgendwie ist er trotzdem immer recht und schlecht über die Runden gekommen. Zuletzt mit einem nachhaltigen Catering-Unternehmen, das für den Markt ungeeignete Lebensmittel verarbeitet hat. Nach dem alten Klischee: Gurken, die nicht der Brüsseler Norm entsprachen.

Mit der Pandemie war damit Schluss. Keine Veranstaltung bedurfte mehr eines Caterers. Da ihm sein Bankberater einen Kredit verweigert, muss er die Firma liquidieren, das Personal entlassen, die WhatsApp-Gruppe „Wastefood“ auflösen. Einher damit geht die Trennung von der letzten Geliebten.

Für einen Neuanfang ohne Kapital fehlt Felix die Energie. Er beschließt, die von der Mutter ererbte Wohnung acht Tage im Monat zu vermieten. Von den Einnahmen, das hat er sich ausgerechnet, kann er einen Monat leben. Sein Plan, die wohnungslose Zeit im Gästezimmer oder auf der Wohnzimmercouch von Freunden zu überbrücken, scheitert schon nach der ersten Nacht an zu viel Alkohol und einem lüsternen Dick Pic an die Gastgeberin.

Der Roman

David Schalko: „Was der Tag bringt“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, 295 Seiten, 24 Euro

In seiner Not sucht er sogar den Vater auf, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr unterhält. Die Begegnung mit dem neben der neuen Frau vereinsamten Mann verläuft genauso ernüchternd wie die mit einem Jugendfreund im Nachbarhaus.

Metapher für den Kapitalismus

Schließlich versucht er sein Glück irgendwo in Osteuropa, wo das Leben billiger sein soll. Seine ukrainische Haushälterin hat ihn auf die Idee gebracht. Er landet in einem Hotel namens „Jeu Zero“, wo die Nacht billig ist, aber jedes Extra, von der Klobenützung bis zum Fensteröffnen, zusätzlich verrechnet wird. Eine Anspielung auf die Tricks der Billigfluglinien, aber gleichzeitig eine Metapher für einen Kapitalismus, in dem keiner mehr irgendetwas umsonst macht.

Im angeschlossenen Kasino verzocken die Gäste ihr Erspartes. Auf der Suche nach einer Autostopperin sitzt Felix einem charmanten Betrüger auf, der ihm Geldsegen vorgaukelt und das Auto einer ehemaligen Geliebten abluchst. Rien ne va plus. Das bittere Ende in der Obdachlosigkeit ist absehbar.

Der Romanheld verkauft seine letzten Habe und macht schließlich auch seine Wohnung zu Geld, wird dadurch aus einem Lebensrhythmus geworfen, der früher durch Arbeit strukturiert war. „Ich glaube, dass solche Identitätskrisen vielfach stattfinden und die Vereinzelung verstärken. Ich wollte also gewissermaßen einen existenzialistischen Roman im Zeitalter der Digitalisierung schreiben“, erklärt Schalko in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard.

Sehnsucht nach Berührungen

Immer wieder geht es um die Sehnsucht nach Berührungen, die Felix in seinem ruhelosen Singleleben abgehen. Beim Überbrücken der wohnungslosen Zeit wird er sich immer wieder „der Länge des Tages und der Kürze des Lebens“ bewusst. Und wenn er am Anfang noch eine erkleckliche Anzahl an Freunden aufzählt, auf die er glaubt sich verlassen zu können, so erkennt er: „Ein Freund ist dann ein guter Freund, wenn er dich im Gefängnis besucht, denn Freundschaft unterliegt keinen moralischen Kategorien.“

Die früh verstorbene Mutter, der Vater, der sich bald eine neue Frau ins Haus holt, die mit ihrem missionarischen Religionswahn nicht nur den Stiefsohn, sondern nach und nach die ganze Nachbarschaft vergrault, haben zur Vereinsamung des Romanhelden genauso beigetragen wie die oberflächlichen Frauengeschichten. Felix will geliebt werden, kann aber selber nicht lieben. Nicht einmal sich selbst. Und er hat ein Talent zur Selbstbeschädigung, wie schon die erste Nacht bei einem befreundeten Paar zeigt. Dass scheinbar intakte Paarbeziehungen von Bekannten auch nur Fassade sind, ist ihm ein geringer Trost.

Der Romanheld Felix steht – ironisch überhöht – für die Post-Covid-Gesellschaft, die durch die Jahre der Lockdowns, der Verunsicherung und finanziellen Einbußen ihren Halt verloren hat. Er zieht sich immer mehr in eine Fantasiewelt zurück, die im Zusammenprall mit der Realität meist fatale Folgen zeitigt.

Ralf Leonhard (3. 3. 1955–21. 5. 2023) ist überraschend gestorben. Als Korrespondent aus Wien schrieb er regelmäßig für die taz-Kultur. Posthum veröffentlichen wir diese Kritik, die er kurz vor seinem Tod verfasst hat. Nachruf unter: www.taz.de/Nachruf/!5936490

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