piwik no script img

Neuer Regionalpremier für WalesGroßbritannien bekennt Farbe

Vaughan Gething ist Premier der Labour-Regionalregierung von Wales. Jetzt führen Nichtweiße fast alle Regierungen im Land.

Vaughan Gething, der neue Regierungschef von Wales Foto: Ben Birchall/PA Wire/dpa

LONDON taz | Im dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd, gemusterter rosa Krawatte und Brille wurde der leicht grauhaarige und kreisbärtige Vaughan Gething am frühen Mittwochnachmittag im walisischen Cardiff als erster Minister von Wales bestätigt. Er ist nunmehr Regierungschef der walisischen Re­gionalregierung des Senedds und Parteiführer der walisischen Labourpartei.

In seiner Antrittsrede erklärte Gething, er stehe für progressive Politik gegen Spaltung und Groll

Der 50-jährige Gething ist der erste Regierungschef in Europa mit einem direkten afrikanischen Familienhintergrund. Der in Sambias Hauptstadt Lusaka geborene und in Wales aufgewachsene Sohn eines walisischen Tierarztes und einer sambischen Hühnerzüchterin hatte sich am Samstag in einer Kampfabstimmung der Labour-Partei von Wales mit 51,7 Prozent gegen seinen Kontrahenten Jeremy Miles durchgesetzt.

Studierter Jurist, war Gething zuvor der walisische Gesundheitsminister während der Coronavirus-Pandemie gewesen und in den letzten drei Jahren walisischer Wirtschaftsminister. Zu seiner Wahl kam es durch den Rücktritt des 69Jahre alten Wales-Regierungschefs Mark Drakeford. Drakeford begründete seinen Rücktritt damit, er habe von Anfang an gesagt, er werde nur fünf Jahre lang als „First Minister“ dienen. Der Tod seiner langjährigen Gattin vor einem Jahr schien diese Absicht zu verfestigen.

Die Regionalregierung von Wales entstand 1999 zeitgleich mit der von Schottland im Rahmen der Dezentralisierung Großbritanniens unter der Labour-Regierung von Tony Blair. Wales wird seitdem kontinuierlich von Labour regiert, während die Macht in Schottland 2007 von Labour an die Schottische Nationalpartei SNP überging.

Rishi Sunak, Humza Yousaf, Vaughan Gething

Gething ist seit 2011 Abgeordneter im Senedd, dem walisischen Parlament. Er, ist nun neben Rishi Sunak, dem Premierminister des Vereinigten Königreichs, und Humza Yousaf, dem First Minister von Schottland, der dritte Regierungschef im Land, der eine „Person of Colour“ ist und dessen Eltern oder Großeltern ganz oder halb aus ehemaligen britischen Kolonien stammen.

Das gilt außerdem für Londons Oberbürgermeister Sadiq Khan. Und in Nordirland regiert seit Februar die Irin Michelle O’Neill. Nirgends ist ein weißer Engländer mehr an der Macht.

Gethings Aufstieg illustriert sehr große Veränderungen in Wales, das früher vom Kohlebergbau und von der Schafzucht geprägt war und sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt hat. Als Gethings Vater 1976 eine Tierarztstelle in der südostwalisischen Marktstadt Abergavenny angeboten wurde, wurde das Angebot nach Bekanntwerden der Hautfarbe seiner Frau, die er aus Sambia mitgebracht hatte, und seiner vier Kinder zurückgezogen.

Damals war der heutige First Minister Gething gerade mal zwei Jahre alt. Die Familie zog danach ins englische Dorset, laut Gething waren sie auch dort die einzige Familie mit ihrem Hintergrund. Über sein Studium an der University of Aberystwyth in Wales kehrte Gething in die Heimat seines Vaters zurück und wurde bald der erste schwarze Präsident der walisischen Studentengewerkschaft. Später wurde Gething Rechtsanwalt und 2008 der erste schwarze Präsident des walisischen Gewerkschaftsdachverbandes.

In seiner Antrittsrede im Senedd erklärte Gething, er stehe für progressive Politik gegen Spaltung, Bitterkeit, Groll und der Suche nach einer Vergangenheit, die nie existiert habe. Seine Regierung stehe für gleiche Chancen aller, egal welchen Hintergrund sie hätten, wie sie aussähen oder wen sie lieben würden. Er werde sich für weitere Dezentralisierung einsetzen. Hass, Rassismus und Polemik ihm gegenüber ansprechend, bemerkte er, Leute hätten leicht reden, deren Identität nie in Frage gestellt worden sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • Wo ist hier der Unterschied zur BILD? Es geht auch der taz nur um "Herkunft", auch wenn die eine hälfte unwichtig ist (schließlich hat er auch einen walisischen Vater)

  • Das sie keine "weißen" Engländer:innen sind, hält Sunak und Braverman nicht von einwanderungsfeindlicher menschenfeindlicher Politik ab, siehe z.B. Abschiebungen nach Ruanda.

    Geld ist wichtiger als die Hautfarbe.

  • „Großbritannien bekennt Farbe“ Na gut, ich bin kein Britannier.







    Aber nein, in meinen Augen tut es das gerade nicht. Ich meine: Was schert mich denn die „Farbe“ des Walisers oder der Bayerin? Welche Politik macht Prime Minister Rishi Sunak?

    Jöh - und erst der Söder Markus. Mei. Nur grad so, dass der mal kein Preuße ist. Oaber zum Deifi noch eins: Oah Schwoarzer ihs der schoh! - So.

  • Es ist gut, wenn die Hautfarbe und der soziale Hintergrund keine Rolle mehr spielen. Bei der Headline habe ich da aber gewisse Zweifel.

  • Das ist erfreulich und die Botschaft Gethings komplettiert das schöne Bild!



    Wer allerdings glaubt, nicht weiß zu sein, sei eine Garantie dafür, nicht rassistisch zu sein, irrt sich gewaltig!



    Sunak treibt die Fremdenfeindliche Politik fort, die Suella Braverman vertrat.



    Dass Beide "people of colour" sind, spielt in diesem Zusammenhang offenbar überhaupt keine Rolle!



    Man/frau können unabhängig von der Hautfarbe sehr weit rechts stehen.

  • Wenn das die AfD wüsste.



    Bestimmt alles eine Folge des Brexits.

    • @fly:

      Ich glaube die AfD hält die Politik der führenden Nichtweißen Großbritanniens, zumindest im Bezug auf Schutzsuchende, für ziemlich dufte.