Neuer Regierungschef in NRW: Der Wackelkandidat
Die CDU-FDP-Koalition in NRW zeigt bei der Wahl von Laschet-Nachfolger Wüst Geschlossenheit. Alles andere wäre auch politischer Suizid gewesen.
E s ist das Zeichen der „Geschlossenheit“, um das Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst gefleht hat: 103 der 199 Abgeordneten des Landtags haben den einstigen neoliberalen Hardliner zum neuen Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslands mit seinen 18 Millionen Menschen gewählt – drei mehr, als seine Regierungskoalition aus CDU und FDP überhaupt Stimmen hat. Der wahrscheinlichen Ampel im Bund zum Trotz: In Düsseldorf steht die selbsternannte schwarz-gelbe „NRW-Koalition“ also noch.
Alles andere wäre auch politischer Suizid gewesen. Zu groß ist das Desaster, das Wüsts Vorgänger Armin Laschet als Kanzlerkandidat auch in NRW hinterlassen hat. Nach dem Wahldebakel bei der Bundestagswahl ist die CDU an Rhein und Ruhr auf rund 20 Prozent abgestürzt, während die SPD mit mehr als 30 Prozent Wiederauferstehung feiert. Eine Wiederwahl Wüsts bei der Landtagswahl im kommenden Mai ist deshalb alles andere als sicher. Wüst ist ein Wackelkandidat – und niemand weiß das besser als der 46-Jährige selbst.
Seit Jahren entwickelt der ehemalige Haudrauf, der in der „Rent-a-Rüttgers“-Affäre gegen Geld nicht nur Gespräche mit dem damaligen Regierungschef verkaufen, sondern Arbeitslose auch zum Aufsammeln von „Hundekot“ und „Drogenspritzen“ zwingen wollte, ganz strategisch ein neues Image als treusorgender Landesvater, warnt seine Partei vor einem Rechtsruck.
Bei den 13 Millionen Wähler:innen in NRW will der gewendete Marktkonservative in knapp sieben Monaten mit Themen wie Wohnen und Kinderbetreuung punkten und sich als Kämpfer für bezahlbare Energie profilieren.
Ob Wüst mehr als ein Kurzzeit-Ministerpräsident wird, hängt damit entscheidend von der Performance von SPD und Grünen in Berlin ab. Schaffen sie es im Bund, die zur Verhinderung der Klimakatastrophe überfällige Verteuerung fossiler Brennstoffe sozialverträglich zu gestalten, ist in NRW selbst der Klassiker Rot-Grün wieder denkbar. Riskieren Sie Gelbwesten-Proteste wie in Frankreich, machen sie Wüst zum neuen Hoffnungsträger der CDU.
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