Neuer Presseausweis ab 2018: Hauptsache hauptberuflich
Innenminister und Presserat führen den einheitlichen Presseausweis wieder ein. Kleinere Verbände wie Freelens müssen sich fügen.
In Deutschland soll es ab 2018 wieder einen einheitlichen Presseausweis geben. Das hat die Innenministerkonferenz (IMK) am Mittwoch in Saarbrücken beschlossen. Nur „hauptberufliche“ Journalisten sollen ihn erhalten können.
Der Presseausweis ist ein praktisches Arbeitsmittel. Wenn etwa Journalisten nach einem Unglücksfall oder bei einer Demonstration hinter der Polizeisperre arbeiten wollen, dann zeigen sie diesen Ausweis und die Sperre öffnet sich. Auch für die Akkreditierung bei Veranstaltungen oder Messen wird oft der Presseausweis verlangt. Dagegen hängen die gesetzlichen Rechte von Journalisten – etwa Auskunftsansprüche oder der Schutz gegen Beschlagnahmungen – nicht am Presseausweis.
Bis 2008 gab es schon einmal einen einheitlichen Ausweis. Er wurde im wesentlichen von den zwei Journalistengewerkschaften DJV und dju/Verdi sowie den beiden Verlegerverbänden BDZV und VDZ vergeben. Auf der Rückseite prangte die Unterschrift des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz und verlieh dem Kärtchen an der Polizeisperre Legitimität.
Gegen den Wildwuchs
Allerdings wollte der Fotografenverband Freelens für seine Mitglieder ebenfalls Presseausweise ausstellen und klagte 2004 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf – mit Erfolg. Anschließend konnten sich die fünf Verbände aber nicht auf ein neues Modell einigen. Entnervt beendeten die Innenminister damals die Kooperation mit der Medienwelt.
Die Folge war Wildwuchs. Einerseits führten die klassischen Journalisten- und Verleger-Verbände ihren gemeinsamen Presseausweis fort, nun eben ohne Minister-Unterschrift. Daneben bildete sich eine zweite Gruppe von sieben kleineren Organisationen, darunter Freelens und die „Freischreiber“. Sie stellen seit 2014 ebenfalls einen gemeinsamen Presseausweis zur Verfügung.
Für Chaos sorgt aber, dass nun auch einige eher dubiose Vereine Presseausweise ausstellen. So bedient etwa der „Deutsche Verband der Pressejournalisten“ auch Gelegenheitsschreiber und sogar Vereinspressesprecher. Solche Verbände erzielen über ihre Ausweise gute Einnahmen. Die Interessenten werden mit dem Verweis auf „Presserabatte“ geködert, die den Inhabern eines entsprechenden Ausweises, etwa beim Autokauf gewährt würden.
Es ist derzeit also ziemlich einfach, sich auch als Nicht-Journalist einen „Presseausweis“ zu besorgen. Das nervt vor allem die Polizei. Es erschwert ihre Arbeit, wenn bei kontroversen Demonstrationen politische Gegner mit „Presseausweisen“ hinter die Absperrung gelangen, dort Steckbrief-Fotos der Demonstranten machen und für Unruhe sorgen.
Die Länder wollten deshalb schnell wieder einen einheitlichen Presseausweis haben und beauftragten 2013 Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) mit Verhandlungen – die jetzt abgeschlossen sind. Die IMK hat am Mittwoch eine Vereinbarung mit dem Trägerverein des Deutschen Presserats abgeschlossen, dem – Überraschung! – genau die früheren Monopolisten angehören: die beiden Gewerkschaften DJV und dju/verdi sowie die Verlegerverbände BDZV und VDZ. Also alles wieder wie früher? Nein.
Wann ist ein Journalist ein Journalist?
Damit Freelens nicht gleich wieder zum Gericht läuft, haben sich IMK und Presserat ein cleveres Konstrukt überlegt: Sie bilden eine vierköpfige „Ständige Kommission“, die entscheidet, welche Journalistenverbände letztlich den neuen bundeseinheitlichen Presseausweis vergeben dürfen. Wichtige Kriterien dabei: Die Verbände müssen mindestens 1000 Mitglieder haben, seit mindestens fünf Jahren bestehen und sie müssen sich verpflichten, nur hauptberuflichen Journalisten einen Presseausweis auszuhändigen. So will man die seriösen von den unseriösen Journalisten-Verbänden trennen. „Das ist ein sehr transparentes Verfahren“, betont Lutz Tillmanns, der Geschäftsführer des Deutschen Presserats.
Freelens-Geschäftsführer Lutz Fischmann wundert sich jedoch: „Warum hat man sich nicht gleich mit uns zusammengesetzt?“ Zwar wird Freelens mit seinen 2500 Mitgliedern am Ende sicher als seriöser Verband anerkannt. Aber es ist ein Zweiklassen-System: Die IMK und die großen Verbände bestimmen die Kriterien und die kleinen Verbände müssen sie erfüllen.
Dabei besteht durchaus Diskussionsbedarf, etwa bei der Frage, wann ein Journalist überhaupt „hauptberuflich“ ist. Die alten Verbände stellen darauf ab, dass er seine Einkünfte „überwiegend“ (also zu mindestens 51 Prozent) als Journalist verdient. Die neuen Verbände lassen es dagegen auch gelten, wenn jemand „regelmäßig und dauerhaft“ publizistisch tätig ist. „Schließlich sind viele Fotografen heute auf Einnahmen aus PR-Aufträgen angewiesen und können nicht mehr ‚überwiegend‘ von ihrer journalistischen Tätigkeit leben“, erklärt der Freelens-Geschäftsführer.
Wenn alles glatt geht, können Journalisten im nächsten Herbst den neuen Presseausweis beantragen. Auf der Rückseite wird dann wieder die Unterschrift des IMK-Vorsitzenden stehen. Alle anderen Presseausweise sind dann nur noch Bluff und Spielzeug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!