Neuer Präsident in Indonesien: Prabowo als Präsident vereidigt
Beim Festakt in der neuen indonesischen Hauptstadt Nusantara übernimmt Prabowo Subianto das Präsidentenamt. Wegen seiner Rolle während der Diktatur ist er umstritten.
Im tausende Kilometer von der bisherigen Hauptstadt Jakarta entfernten Nusantara auf Borneo lebt fast noch kein Mensch. Möglicherweise gab es deshalb auch keine Protestaktionen gegen den 73-jährigen Prabowo mit seiner schillernden Biographie.
Prabowo war General und Kommandeur der Spezialkräfte unter Diktator Suharto, seinem damaligen Schwiegervater, in den letzten Jahren der bis 1998 anhaltenden Diktatur. Damals war er verantwortlich für die brutale Unterdrückung von Protesten gegen das Regime.
Prabowo bereits Verteidigungsminister unter Widodo
Eine nicht minder brutale Rolle spielte er auch bei der Niederschlagung der Aufstände gegen die Dominanz Indonesiens in West-Papua und Osttimor, was letztlich zu seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee und einem Einreiseverbot in die USA führte.
Im Februar 2024 erreichte Prabowo im dritten Anlauf sein Lebensziel, Präsident Indonesiens zu werden. Zweimal musste er sich zuvor gegenüber dem jetzt Ex-Präsidenten Widodo geschlagen geben, der ihn aber nach seiner Wahl für eine zweite und laut Verfassung letzte Amtszeit im Jahr 2019 als Verteidigungsminister in sein Kabinett berief.
Offen ist, was von einem Präsidenten Prabowo zu erwarten ist. Mal gibt er den feurigen Nationalisten, mal den Sozialisten, dann wiederum den Verteidiger der Demokratie oder auch – wie bei seiner vergeblichen Präsidentschaftskandidatur 2019 – den Islamisten. „Es ist schwer zu sagen, wofür Prabowo steht. Er ist auch ein Pragmatiker“, sagt indonesische Menschenrechtler Andreas Harsono der taz.
Entäuschender Hoffnungsträger
Um die Demokratie ist es in Indonesien am Ende der Regierung Widodo nicht so gut bestellt. „Demokratische Errungenschaften seit dem Sturz Suhartos wie eine relativ gute Meinungs- und Pressefreiheit, eine starke Anti-Korruptionsbehörde, unabhängige Gerichte, freie Wahlen, Dezentralisierung der Macht und Reduzierung des politischen Einflusses von Militär und Polizei wurden in der zweiten Amtszeit von Präsident Widodo zwar nicht vollständig abgeschafft, sind jedoch dahingehend modifiziert worden, dass sie der Politik des Präsidenten nicht mehr im Wege stehen“, sagt Patrick Ziegenhain, Dozent für Internationale Beziehungen an der „President University“ in Jakarta.
Dabei sei Widodo bei seiner ersten Wahl noch als „Hoffnungsträger der Demokratie“ gefeiert worden. „Aus heutiger Sicht erwies er sich leider als das Gegenteil“, sagt Ziegenhain. Ende 2023 drückte Widodo seinen Sohn Gibran mit Hilfe seines Schwagers, dem damaligen Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, als Kandidat für die Vizepräsidentschaft durch – obwohl der damals 36-jährige nicht das von der Verfassung vorgeschriebene Mindestalter für diesen Posten von 40 Jahren erreicht hat.
„Die Zivilgesellschaft bleibt wachsam“
Indonesienkenner sind sich einig, dass der Prabowo seinen erdrutschartigen Wahlsieg zu einem guten Teil der Unterstützung Widodos als auch dem charmanten und überaus gutaussehenden jugendlich-frischen Vize Gibran zu verdanken hat.
Die Regierungsmannschaft Prabowos ist zunächst ein Zeichen von Kontinuität, er wird sie voraussichtlich zu einem guten Teil von seinem Vorgänger Widodo übernehmen. Ein ansehnlicher Teil der Ministerschar entstammt zudem der größten islamischen Massenorganisation Indonesiens „Nahdlatul Ulama“ (NU). Die Vertreterin eines moderaten Islam war während der Regierungszeit von Widodo maßgeblich an der Zurückdrängung des einflussreichen radikalen Islam beteiligt.
Die parlamentarische Opposition braucht Prabowo dank seiner sehr großen Koalition mit 80 Prozent der Sitze nicht zu fürchten. Aber Indonesien hat eine lebhafte Zivilgesellschaft, wie im Sommer die Massendemonstrationen gegen einen weiteren Versuch der Manipulation des Wahlrechts durch Widodo zeigten. Zudem stehen in gut sechs Wochen Regional- und Kommunalwahlen an. Dinda Yura, eine feministische Aktivistin des PurpleCode Collective und Teil der Demokratiebewegung, hat eine Botschaft für den neuen Präsidenten: „Die Zivilgesellschaft bleibt wachsam.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin