Neuer Ort für „Arisierungs“-Mahnmal?: Gedenken abseits der Partymeile
Für ein Bremer „Arisierungs“-Mahnmal schlagen die Initiator*innen einen neuen, alternativen Standort an der Wilhelm-Kaisen-Brücke vor.
Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, begrüßte den Vorschlag. „Dieser Standort gefällt uns wesentlich besser“, sagte sie am Montag bei einem Pressegespräch an der Kaisen-Brücke. Der von der rot-grünen Koalition vorgesehene Ort an der Schlachte eigne sich nicht für ein Gedenken, weil dort viele Leute feierten.
Der vorgesehene Entwurf für ein Mahnmal stammt von der Architektin Angie* Oettingshausen. Er besteht aus zwei rechtwinklig aufeinander treffenden Sichtschächten. Von oben betrachtet ist lediglich ein leerer Raum zu sehen, von der Seite her sind Schattenrisse ehemals vorhandener Einrichtungsgegenstände zu erkennen.
Oettingshausen verweist darauf, dass man an der Schlachte auf einen Schacht von etwa 3,15 Meter komme, an der Kaisen-Brücke eine Tiefe von etwa 6 Metern zu erreichen wäre. „Der dadurch mögliche vertikale Sichtschacht symbolisiert die Geschichtslücken, seine Tiefe verweist auf die vielschichtigen Spuren der Enteignungskontexte.“
Zurück geht das Mahnmal auf eine Initiative der taz, deren LeserInnen und GenossInnen seit 2015 über 27.000 Euro spendeten.
Im November 2016 beschloss die Stadtbürgerschaft, dass ein Mahnmal an die besondere Rolle der Stadt sowie ihrer Institutionen und Unternehmen bei der „Arisierung“ erinnern solle.
Die Kosten sollten Stadt, beteiligten Unternehmen sowie die Zivilgesellschaft durch Spenden zu gleichen Anteilen übernehmen.
Henning Bleyl, der das Mahnmal 2015 damals noch als taz-Redakteur initiiert hatte, und Oettingshausen hoffen, dass der Ortsbeirat und die Kulturdeputation für den neuen Standort-Vorschlag einen Prüfauftrag billigen. Die Kosten schätzt Bleyl auf rund 6.000 Euro.
Am heutigen Dienstag steht ein Sachstandsbericht zum „Arisierungs“-Mahnmal auf der Tagesordnung der Kulturdeputation. Ob allerdings auch ein neuer Prüfauftrag debattiert wird? Der SPD-Kulturdeputierte Arno Gottschalk zögerte am Montag, sich zu dem neuen Vorschlag zu äußern. Er wolle darüber erst mit seiner Fraktion beraten. Auch die grüne Kulturdeputierte Kai Wargalla verwies darauf, sich noch abstimmen zu müssen. „Es ist ein interessanter Vorschlag, den man sich anschauen sollte“, sagte Wargalla.
Für die Vorsitzende der Kulturdeputation, Linken-Abgeordnete Miriam Strunge, kommt der neue Vorschlag zu spät. „Ich befürchte, dass sich damit die Realisierung des Mahnmals nur weiter verzögern könnte.“ Der CDU-Kulturpolitiker Claas Rohmeyer erklärte, er werde den Vorschlag in der Deputation thematisieren. Allerdings: „Das Thema ist durch unwürdige Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition vorbelastet“, sagte Rohmeyer.
Synergie-Effekte erhofft
Der vorgesehene Standort für ein Bremer „Arisierungs“-Mahnmal ist ein Kompromiss, der in einem Koalitionsausschuss im März 2017 gefunden wurde. Die SPD hatte es abgelehnt, ein Mahnmal direkt am Stammsitz von Kühne + Nagel zu errichten, weil nicht ein einzelnes Unternehmen angeklagt werden sollte. Im Gespräch war auch ein Standort vor der Jugendherberge sowie an der Grenzstraße. Das kam für die Grünen nicht in Frage.
660.000 Euro soll das Mahnmal kosten. Deutlich günstiger wäre es gewesen, wenn es am Standort unterhalb von Kühne und Nagel realisiert worden wäre. Zwischenzeitlich gab es die Hoffnung, dass durch eine anstehende Hochwasserschutz-Sanierung Synergie-Effekte den Bau günstiger machen könnten.
Allerdings sei mittlerweile klar, dass die Hochwasser-Sanierung frühestens in drei bis fünf Jahren beginnen werde, erklärte Mahnmal-Initiator Bleyl. Er erhofft sich daher Synergie-Effekte durch die Sanierung der maroden Arkade an der östlichen Seite der Kaisen-Brücke, die noch in diesem Jahr anstünden. Die Nähe zu dem Bauwerk ist für ihn dabei ein weiteres historisches Argument für den alternativen Ort: „Die Arkaden dienten als Kranplattform der Entladung von Binnenschiffen. Auch das geraubte jüdische Eigentum etwa aus Amsterdam und Antwerpen wurde zu großen Teilen in Binnenschiffen transportiert.“
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